
Ihr lieben meine Singer samlet euch zusam gleichwie die Krapfen in der Pfann. Ir lieben meine Singer trett zusam in eine Scheibn, wir wollen uns die Weile mit singen vertreibn.“
So eröffnet der Sternsinger das Oberuferer Christgeburtsspiel. Der donauschwäbische Originaldialekt ist nicht jedermanns Sache und vor allem nicht von jedermann zu verstehen. Dennoch zieht das Krippenspiel alljährlich viele Besucher an.
„Es braucht schon zwei bis drei Jahre, bis man sich reinfindet und die Texte versteht“, erklärt Frank Böhm. Er hat vor 25 Jahren als jüngster Hirte mitzuspielen begonnen, heute ist er der zweitälteste Hirte und seit fünf Jahren Spielleiter. Maximal zehnmal proben die Laienschauspieler aus dem Schweinfurter, Würzburger und Haßfurter Raum. Dann sitzt das Stück, trotz wechselnder Besetzung. „Die Maria ist uns schon ein paar Mal schwanger geworden und ausgefallen“, erzählt Böhm.
Im 19. Jahrndert entdeckt
Das Oberuferer Christgeburts-Spiel ist Teil eines dreiteiligen Mysterienspiels, wie sie besonders im Mittelalter üblich waren. Das Paradeisspiel, das Christgeburtsspiel und das Dreikönigspiel wurden im 19. Jahrhundert im heute slowakischen Oberufer wiederentdeckt.
Der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, regte bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert die Aufführung der Stücke auch in Deutschland an. Bis heute werden sie im alten Dialekt gespielt, in dem die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium in Reime gefasst ist.
„Das Spiel soll alle mitnehmen auf dem Weg, den auch Maria geht“, erklärt Bernd Händler und betont: „Es ist auch unsere Aufgabe, das Göttliche in uns zu gebären.“
Das Besondere an diesem Krippenspiel ist seine Atmosphäre. Herzlicher Humor wechselt sich ab mit tiefgründiger Spiritualität, Gesprochenes mit Gesang und Umzügen.
Den Kindermord gestrichen
Obwohl die Neufassung des Spiels am Urtext festhält, wurde doch auch einiges gestrichen und geglättet. So beispielsweise das Herodesspiel mit einer ziemlich blutrünstigen Behandlung des Kindermordes und dem Auftritt des Teufels.
Auch die ursprünglich 26 Lieder wurden auf rund zehn zusammengekürzt; bei aller Liebe zum Gesang ist die Singfreudigkeit der Urfassung heute doch ein bisschen viel.
Der Ursprung solcher Spiele reicht bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurück. Am Oberrhein, in der Schweiz und im Elsaß wurden damals solche Mysterienspiele aufgeführt. Im 15. Jahrhundert wanderten die Spiele, die die biblischen Erzählungen volksnah umsetzten, dann mit den Menschen nach Osten bis fast nach Budapest. In der Oberuferer Region bei Preßburg, dem heutigen Bratislava, erhielt sich der Brauch des Christgeburtsspiels. Über 300 Jahre lang wurden die Texte mündlich von Generation zu Generation weitergegeben und in der Weihnachtszeit aufgeführt. Es dürfte damit eines der ältesten, vielleicht überhaupt das älteste deutschsprachige Krippenspiel sein.
Bis heute geben die Aufführungen einen Einblick in mittelalterliche Mysterienspiele. Ohne Glanz und Glimmer, mit einfachen Mitteln soll eine weihnachtliche Ruhe verbreitet werden.
Unterbrochen von herzhaftem Humor
Diese aber wird immer wieder unterbrochen von überraschenden Aktionen und herzhaftem Humor. So lassen die Hirten auf dem Feld die Zuschauer beispielsweise an ihrem Mahl teilnehmen, indem sie es ins Publikum werfen. Auch dass die Hirten vor Bethlehem auf dem Glatteis ausrutschen, sorgt für Lacher.
Schon die Ouvertüre zeigt den Wechsel der Stimmungen. Da werden feierlich Maria und Josef begrüßt, Obrigkeiten und Autoritäten wird gehuldigt, aber auch die Requisiten bekommen eine ganz besondere Aufmerksamkeit: „Grüeßen wir unser Sternstangen daran unser Stern tut hangen.“ Oder: „Grüeßen wir auch alle Hölzalein sovil als in dem Sterne sein.“
Mit der Belegschaft gespielt
Dass das Oberuferer Christgeburtsspiel in der Region einen Platz gefunden hat, verdankt es dem bereits verstorbenen Georg Michael Rosa. Als ehemaliger Walddorfschüler habe der Chef des gleichnamigen Modehauses das Stück gekannt und vor 30 Jahren erstmals gemeinsam mit seiner Belegschaft im Leopoldinasaal des Rückertbaus aufgeführt, erzählt Christoph Manzky. Seine Schwester hatte damals die musikalische Begleitung am Klavier übernommen, und so war er ein Jahr später bereits als „Josef“ dabei. Den Josef spiele er heuer schon zum 30. Mal.
Spätestens mit Ausweitung der Ladenöffnungszeiten war es endgültig vorbei mit der Schauspieltruppe aus dem Bekleidungshaus. Die Laienschauspieler haben gewechselt, das Stück aber wurde am Leben erhalten. Seit Jahren wird es zweimal aufgeführt: im Bürgerhaus in Schwebheim und in der alten Kirche in Schonungen. Heuer wurde Schonungen aus dem Terminkalender gestrichen, „die Miete für die alte Kirche war uns zu teuer“, argumentiert Böhm. So gehen die Schauspieler in diesem Advent nach der Schwebheimer Aufführung wieder zurück zu ihren Wurzeln, in den Leopoldinasaal.
Schon als kleines Kind dabei
Manzky ist quasi von Kindesbeinen an in diese besondere Art des Krippenspiels hineingewachsen. Schon als kleiner Junge ist er mit seiner Mutter nach Würzburg gefahren, um das Oberuferer Christgeburtsspiel zu sehen. Ihn begeistert vor allem die „schöne Musik“ und er meint: „Wenn man das von klein auf mitkriegt, dann steckt man da ganz tief drin.“ Auch als Laie auf der Bühne zu stehen findet er faszinierend. „Eine solche Erfahrung immer wieder zu wiederholen, ist große Bereicherung und Vertiefung, das kann man schwer beschreiben“, stellt Manzky fest.
Böhm findet die Einfachheit des Stückes anziehend. „Die Weihnachtsgeschichte kennt jeder, man muss nicht groß drüber nachdenken, und so kann sich jeder seins reininterpretieren“, meint er. Auch dass in den Charakteren auf der Bühne die vier Temperamente eingefangen und dargestellt werden, findet er spannend.
Der alljährliche Erfolg des Stücks liegt seiner Meinung nach hauptsächlich darin, dass es „so herzlich und lebendig“ gespielt ist und mit den Gesängen und Umzügen auch das Publikum mitgenommen werde.