„Der eine schreibt's vom anderen ab“ – dieses Grundprinzip gilt nicht nur für brillante Journalisten, sondern auch und gerade in der klassischen Musik. Manchem Komponisten ließen nicht die Musen ein unsterbliches Meisterwerk aus der Edelfeder fließen. Viele Halbgötter haben schlicht gespickt.
„Klauen war früher gang und gäbe“, sagt Harald Wihler beim ersten Klassik-Zirkel im Musikzimmer der neuen Schule. Der Musikliebhaber möchte jeden zweiten Freitag im Monat, von 17 bis 18.30 Uhr, Gleichgesinnte zu einer zwanglosen Plauder- und Hörrunde zusammentrommeln.
Es soll kein Kurs oder akademischer Vortrag sein, betont der Dittelbrunner, der sich der Klassik durch das Musikwissenschafts-Studium in Bonn und als „Konsument“ genähert hat. Ebensowenig geht es um elitären Musikgenuss, auch wenn sich zum Auftakt erst mal nur eine kleine Runde versammelt hat, darunter Bürgermeister Willi Warmuth.
Wihler selbst, der in der Pharmaindustrie gearbeitet hat, spielt gerne mal Gitarre. Der Gastgeber ist der Meinung, dass selbst in Bayreuth, Gralsburg der Szene, längst die Götterdämmerung eingesetzt habe. Es seien fast immer die gleichen Namen, die im Repertoire der Konzerte und Musikindustrie auftauchen. Wagner lebt sowieso als „Vater der Filmmusik“ fort. Dabei gäbe es manch unbekannten Musikus neu zu entdecken, der Lehrmeister eines Großen war. „Ziel des Zirkels ist es, die alten, vergessenen Komponisten wieder in Erinnerung zu rufen“, sagt Wihler.
Das Musikgeschäft war zu Zeiten von Bach, Mozart, Beethoven ein hartes Brot. Es ging schon damals schlicht um Geld und Gönner. Beim Urheberrecht herrschten sowieso chinesische Verhältnisse. „Freude schöner Götterfunken“ etwa, den Beethoven-Klassiker, gab es in Ansätzen schon bei Mozart, was Wihler am Laptop beweist. Genial war bei Beethoven, dass er Noten lesen und sich die Musik vorstellen konnte, was ihm beim Verlust seines Gehörs (womöglich ausgelöst durch Bleivergiftung des Trinkwassers) zugute kam.
Handwerklich war der Maestro Wiener Schule ein ziemlicher Chaot, dem schon mal das Tintenfass über seine Originale kippte. Kopisten mussten die Sauklaue ins Reine übertragen und wurden bei jedem Fehler gemobbt, eventuell unter Einfluss von Schwermetall. „Was hat er da wieder geschrieben? Er selbst ist ein Fehler.“
Für die „Weihe des Hauses“ wiederum hat der gebürtige Bonner Motive bei Händel abgekupfert. Anders als Bach, dessen Werk erst spät wiederentdeckt worden ist, war Händel eine Art Lloyd Webber des 18. Jahrhunderts. Händel-Kracher wie die Feuerwerksmusik sind wiederum von Ouvertüren italienisch-französischen Stils beeinflusst. Prägend waren Lully, der Hofkomponist Ludwigs XIV., aber auch Vivaldi oder Agostino Steffani, ein Diplomat in Hannoverschen Diensten. Allerdings boomte das Geschäft nirgendwo so wie in Deutschland, wo jeder kleine Fürst mit seinem Hofkomponisten renommieren wollte und Noten hortete wie moderne Sammler ihre Schallplatten: so die Schönborns in Schloss Wiesentheid.
Selbst die Freie Reichsstadt Schweinfurt hatte einen Elias Bach als Kantor, als Sekretär seines Leipziger Cousins Johann Sebastian zugleich dessen Ghostwriter. Leider sind die Kirchenkantaten dieses kleinen Bach verschollen. Auch die Eurovisions-Hymne stammt nicht von Thomas Gottschalk, stellt Wihler fest. Die Fanfaren schmetterten zuerst als barockes Tedeum des Franzosen Marc-Antoine Charpentier.
Immerhin, seitdem die Archive in Leipzig, Dresden, Meiningen wieder zugänglich sind und der Computer Einzug gehalten hat, erlebt die Musikwissenschaft einen Aufschwung. Allein im digitalen „Beethovenhaus“ stapeln sich 32 000 Seiten. Dank der Reproduktionsklaviere ab 1900, die Musikstücke auf Notenrollen aufgenommen haben, weiß man mitunter sogar, wie Stücke im Original gespielt worden sind. Zuletzt folgt noch etwas Smalltalk, etwa mit einem Mitglied des Würzburger Bachchors, zu den weitverzweigten Traditionslinien und Zwängen der alten Meister.
Weiter geht es am 9. Dezember mit Klassiksuche im Internet. „Auf youtube gibt es gute Sachen.“ Stücke dürfen gerne auf USB-Stick mitgebracht werden.
Hinweis: Anmeldungen unter info@dittelbrunn.de, Tel. (0 97 25) 71 24-22.