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Die erste Straßenkarte der Welt
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:31 Uhr

Von der ersten Straßenkarte der Welt sind ganze drei Exemplare erhalten geblieben. Eines liegt in der Schweinfurter Sammlung Otto Schäfer. Zum Heiligen Jahr 1500 brachte der Arzt, Astronom, Kartograf und Kompassbauer Erhard Etzlaub in Nürnberg das Blatt „Das ist der Romweg von Meilen zu Meilen“ heraus. Schweinfurt („Sweynfurt“) ist darauf leicht zu finden, es liegt ziemlich genau in der Mitte, im Winkel, den Spessart und Rhön bilden.

In Richtung Rom geht es aber nicht abwärts, wie auf heutigen Karten, sondern nach oben – nach Süden, Richtung Mittag, da, wo die Sonne am höchsten steht. Die Nordung von Landkarten setzte sich erst im 18. Jahrhundert aus England kommend durch.

Die Etzlaub-Karte gehört zu den sogenannten Rarissima, also den Drucken, von denen nur höchstens fünf Exemplare nachgewiesen sind. Von den „Rara“ gibt es maximal zehn Exemplare, als „selten“ gelten Ausgaben mit bis zu 20 Exemplaren. Die Sammlung Otto Schäfer beherbergt neben Rara, Rarissima auch eine ganze Reihe Unica, also Einzelstücke, die die Jahrhunderte überdauert haben, die Einzelblätter darunter manchmal nur durch den glücklichen Zufall, dass sie als Einband für ganz andere Werke Verwendung fanden. So wertvoll sie für die Forschung sind, so problematisch ist ihr Erhaltungszustand – sehr ungern geben Bibliothekare die Originale heraus.

Der Verein Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung und die Bayerische Staatsbibliothek haben deshalb für die Jahre 2013 und 2014 ein Digitalisierungsprojekt der seltensten Drucke aus der Bibliothek Otto Schäfer vereinbart. 55 Titel, etwa 6000 Seiten, sollen ins Netz gestellt werden, darunter 16 Unica, 14 Rarissima, zehn Rara und fünf seltene Drucke, von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis in das frühe 19. Jahrhundert – von einem xylografischen Einblattdruck, also einem Holzschnitt noch ohne bewegliche Lettern, mit Priameln, also Spottgedichten, des Hans Rosenplüt (um 1460/70) bis zum Rundschreiben Brentanos von 1806, die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn mit Beiträgen zu unterstützen. Von diesem Rundschreiben ist als einziges erhaltenes das Schweinfurter Blatt nachgewiesen, und zwar das Exemplar, das Clemens Brentano an Jacob Grimm schickte. Die meisten Schriften stammen aus der Sammlung Illustrierte Drucke, aber auch die Sammlung Deutsche Literatur in Erstausgaben ist mit vier Werken vertreten. Drucke, von denen es mehr als 20 Exemplare gibt, sind aus Sicht der Experten nichts Besonderes. Deshalb taucht die Schedelsche Weltchronik von 1493, eines der prachtvollsten Werke der Sammlung, nicht auf der Digitalisierungsliste auf. Allein das Museum Otto Schäfer besitzt zwei Exemplare, die Stadt Schweinfurt drei, und in Bamberg lagern gleich acht. Da das Buch schon den Zeitgenossen höchst wertvoll war, behandelten sie es pfleglich. Eine Karte wie die von Erhard Etzlaub dagegen war ein Gebrauchsgegenstand, den man tatsächlich auf die Pilgerfahrt nach Rom mitnahm, und der irgendwann eben abgenutzt war.

Neben der ersten Straßenkarte gibt es einen weiteren Erstling, der zudem ein Unicum ist, Jacques Milets „Lystoire de la destruction de troye la grant, mise per parsonnaiges“, gedruckt in Paris am 28. April 1490. Milets Geschichte der Zerstörung Trojas, illustriert mit prachtvollen Holzschnitten, ist das erste profane Drama überhaupt.

Bislang wurden 34 Titel digitalisiert. Die Kosten von rund 24 000 Euro trägt zu etwa einem Drittel die Dr.-Otto-Schäfer-Stiftung e.V., den Rest steuern die Sponsoren bei: die Kulturstiftung Schweinfurt, die Unterfränkische Kulturstiftung, die Sparkasse Schweinfurt und die SWG.

„Ein solcher Betrag wäre aus dem jährlichen Budget nicht zu bestreiten gewesen“, sagte Georg Drescher bei der Vorstellung des Projekts. Die Kooperation mit der Staatsbibliothek sei von entscheidender Bedeutung für das Gelingen: „Wenn wir das selbst versucht hätten, wäre es gar nicht wahrgenommen worden. Es geht ja nicht nur darum, dass man es macht, sondern, dass es auch genutzt wird.“

Die Dateien der seltenen Drucke – Digitalisate genannt – sind im Internet frei einsehbar. Die Staatsbibliothek sorgt dafür, dass sie auf ihren Internetseiten über Jahrzehnte in aktuellen Dateiformaten verfügbar bleiben, und dass die Exemplare der Schweinfurter Sammlung über Links von einer ganzen Reihe internationaler Datenbanken aus angesteuert werden können.

Für den Nutzer aus der Region führt der direkteste Weg wohl über die Homepage des MOS und den Link „Recherche“ ins „MDZ“, das Münchner Digitalisierungszentrum. Dort finden sich unter der Überschrift „Bibliothek Otto Schäfer – Ausgewählte Werke“ hochauflösende Dateien der bisher erfassten Werke. Und jeweils ein pdf-Download zum Abspeichern, allerdings ausdrücklich nur für Forschungs- oder private Zwecke.

Historische Drucke im Internet: www.bibliothek-otto-schaefer.de, „Recherche“, „MDZ München“.

 
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