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GEROLZHOFEN
Die Dreschgenossenschaft von 1899
Ein verrostetes Schild an der ehemaligen Dreschhalle an der Alitzheimer Straße in Gerolzhofen erinnert an ein vergessenes Stück Stadtgeschichte.
Beim Dreschen des Getreides war einst alles auf den Beinen. Auf diesem Bild der Familie Wächter (Gerolzhofen) lief die Dreschmaschine um 1935 in Herlheim bereits mit Stromantrieb.
Foto: Alle Repro-Fotos und Norbert Vollmann | Beim Dreschen des Getreides war einst alles auf den Beinen. Auf diesem Bild der Familie Wächter (Gerolzhofen) lief die Dreschmaschine um 1935 in Herlheim bereits mit Stromantrieb.
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 11.12.2019 10:17 Uhr

Man muss schon sehr nahe davor stehen, damit einem das vom Rost kräftig angenagte Schild oben am Tor der Scheune an der Alitzheimer Straße, zwischen dem alten Schalthaus und der ehemaligen Geodrom-Halle, auffällt. Bei näherer Betrachtung lässt sich die Beschriftung auf dem alten Blech trotz der Witterungsschäden aber immer noch gut entziffern: „Schuttablagerung verboten! Dreschgenossenschaft“.

Doch was verbirgt sich hinter dieser Dreschgenossenschaft? Im Stadtarchiv werden wir zunächst bei Stadtarchivar Matthias Endriss fündig, auch wenn sich das Ergebnis seiner Nachforschungen auf einen Bericht in der ehemaligen Lokalzeitung „Der Steigerwald-Bote“ beschränkt.

Die Geburtsstunde

Unter der Rubrik „Interessantes und Amüsantes aus alten Zeitungsbänden“ wird in der Gerolzhöfer Heimatzeitung am 5. Februar 1974 auf die Geburtsstunde der Dreschgenossenschaft zurückgeblickt.

Unter dem Datum vom 18. März 1899 wird dort 75 Jahre später nochmals aus früherer Zeit vermeldet: „Hier hat sich eine Dreschgenossenschaft gegründet, welcher bis jetzt 80 Genossen beitraten. Zur Aufstellung kommt eine Lanz'sche Dreschgarnitur mit Strohpresse, und es wurde die Bayerische Warenvermittlung A.G., früher Bayerische Zentraldarlehenskasse, Lagerhaus Gerolzhofen, mit der Lieferung betraut.“

Einst wurde das frisch geerntete Getreide mit dem Ochsengespann heim auf den Hof gebracht, wie hier von der Familie Wächter in Herlheim.
| Einst wurde das frisch geerntete Getreide mit dem Ochsengespann heim auf den Hof gebracht, wie hier von der Familie Wächter in Herlheim.

So wissen wir, dass die Dreschgenossenschaft kurz vor der damaligen Jahrhundertwende ins Leben gerufen worden ist, und der von der Firma Heinrich Lanz in Mannheim hergestellte erste Dreschmaschinenzug über die heutige BayWa bezogen wurde.

Dreschkasten und Lokomobile

Die seitliche, runde Riemenscheibe des Lanz-Bulldogs – dieser gehört Siegfried Brendel – trieb über einen langen Riemen die Dreschmaschine an.
Foto: Norbert Vollmann | Die seitliche, runde Riemenscheibe des Lanz-Bulldogs – dieser gehört Siegfried Brendel – trieb über einen langen Riemen die Dreschmaschine an.

Der Zeit nach zu urteilen, dürfte es eine Dampfdreschmaschine gewesen sein. Die Garnitur bestand aus der eigentlichen Dreschmaschine, auch Dreschkasten genannt, und der sogenannten Lokomobile, die die Dreschmaschine antrieb.

Aus den Lebenserinnerungen von Gerolzhofens Ehrenbürger Andreas Wächter geht hervor, dass der Landwirt sowie langjährige Stadtrat und zweite Bürgermeister der Stadt von 1946 bis 1984 neben etlichen anderen Ämtern im Bereich Landwirtschaft und Genossenschaftswesen nach dem Krieg für einige Jahre den Posten des Vorsitzenden der Dreschgenossenschaft inne hatte. Von wann bis wann Wächter, der 2006 im Alter von 95 Jahren gestorben ist, diese Funktion nach dem Zweiten Weltkrieg ausübte, geht nicht aus den Aufzeichnungen hervor.

Wächters Sohn Robert, der als Nachfolger auf dem elterlichen Hof in vielfältiger Weise in die Fußstapfen seines Vaters trat, kann sich noch an seine eigene Jugendzeit erinnern. Damals habe es in der Stadt mit der Landmaschinenhandlung von Robert Wagner in der Frankenwinheimer Straße (heute Auto Hofmann/Reifen Balke) einen professionellen Dreschmaschinenbetrieb in der Stadt sowie zum anderen die Dreschgenossenschaft gegeben.

Wagner habe stationär auf seinem Betriebsgelände in Gerolzhofen sowie auf den Dörfern in der Umgebung das Getreide gedroschen. Die zwei Dreschmaschinen der Dreschgenossenschaft seien überwiegend bei den meist kleineren Bauern in der Stadt rundgelaufen, weiß Robert Wächter. Dazu sei zu einer Zeit, als es noch über 100 Milchviehhalter in der Stadt gab, von Hof zu Hof gezogen worden, sobald die Scheune voll war.

Ging es um kleinere Partien Getreide oder auch Kleesamen, dann seien die Fuhren bei Bedarf zur Dreschhalle gefahren und dort gedroschen worden.

Ab den 1920er-/1930er-Jahren sei die Dreschmaschine über die seitlich angebrachte Riemenscheibe eines Lanz-Bulldogs und einen riesigen Riemen angetrieben worden.

Die Riemenscheibe mit der dahinter befindlichen Kupplung ist auf der rechten Seite zwischen Vorder- und Hinterrad angebracht und mit einem großen, abmontierbaren Deckel abgedeckt. Ein kleiner Deckel in der Mitte wird geöffnet, um dort nach dem Vorglühen das Lenkrad zum Andrehen des Motors einzustecken.

Das nach dem Dreschen mit der Dreschmaschine am Ende aus der Strohpresse kommende Stroh wird zu einem meterhohen Haufen aufgetürmt.
| Das nach dem Dreschen mit der Dreschmaschine am Ende aus der Strohpresse kommende Stroh wird zu einem meterhohen Haufen aufgetürmt.

Ein solcher Lanz befindet sich heute im Besitz des langjährigen Stadtrats und Bulldog-Fans Siegfried Brendel. Ab 1949 lief er beim Bauern Josef Behringer in der Bleichstraße. Bevor er damals nach Gerolzhofen verkauft wurde, war der 1947 von der Firma Gerber aus Oberpleichfeld an die Raiffeisengenossenschaft nach Obereisenheim ausgelieferte Lanz sowohl zum Misttransport als auch zunächst zum Antrieb der Dreschmaschine eingesetzt worden.

In Gerolzhofen war man da zu dieser Zeit technisch auf diesem Gebiet schon viel weiter. Schon gegen Mitte der 1930er-Jahre dürfte hier der Antrieb der Dreschmaschine bei der hiesigen Dreschgenossenschaft auf elektrischen Antrieb umgestellt worden sein.

Über die Stadt verteilte Stromanschlüsse

Um die Dreschmaschine an den Strom anschließen zu können, gab es in der Stadt mehrere Stromanschlüsse, von denen die starken Kabel dann zum separaten Stromwagen mit dem starken Elektromotor auf den jeweiligen Hof gezogen worden sind. Ein Anschluss befand sich zum Beispiel im Steingraben zwischen Jahn- und Schuhstraße am früheren Anwesen Zinser mit dem noch bestehenden markanten großen Hoftor.

Von dort aus wurden die Kabel zum Hof der Familie Schulz in der Schuhstraße verlegt, in den der Herlheimer Andreas Wächter 1937 eingeheiratet hatte.

Letztes Zeugnis der ehemaligen Dreschgenossenschaft in Gerolzhofen ist dieses stark verwitterte Schild an der ehemaligen Dreschhalle an der Alitzheimer Straße.
| Letztes Zeugnis der ehemaligen Dreschgenossenschaft in Gerolzhofen ist dieses stark verwitterte Schild an der ehemaligen Dreschhalle an der Alitzheimer Straße.

Die Dreschgenossenschaft verfügte neben den Dreschmaschinen auch über eine Werkstatt, um die Reparaturen, soweit möglich, selbst auszuführen. Auch diese habe sich in der Scheune an der Alitzheimer Straße befunden, die als Unterstellhalle diente, weiß Robert Wächter.

Später sei die Dreschgenossenschaft in den Besitz der Raiffeisenkasse Volkach übergegangen, zu der damals Gerolzhofen noch bis 1972 als Zweigniederlassung gehörte.

Der Siegeszug des Mähdreschers

Der Siegeszug des Mähdreschers, der in den 1950er-Jahren begonnen hatte, läutete schließlich den Niedergang der Dreschmaschinen ein. So war es auch in Gerolzhofen. Die Dreschgenossenschaft wurde aufgelöst und die Dreschhalle an der Alitzheimer Straße vom Landwirt Kaspar Kraus aus der Rügshöfer Straße erworben.

Noch heute prangt dort oben am Gebälk jenes alte Schild mit der Aufschrift „Schuttablagerung verboten! Dreschgenossenschaft“.

 
 
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