Vor fünf Jahren hat der Dingolshäuser Richard Gress den bayerischen Filmpreis für seine zweiteilige Dokumentation „Die letzten Gladiatoren“ erhalten. Hauptkriterium dafür war seine herausragende Leistung als Produzent, Autor, Regisseur, Kameramann und Cutter für den Film über das Leben der Surma oder Suri, eines indigenen Stamms, der in der Omo-Region in Südwest-Äthiopien bis über die Grenzen des Sudan lebt.
Die Menschen dieses Naturvolks, das es schon vor jeglicher Art der Kolonisation, Eroberung oder Staatengründung durch ein andere Volk gab (das ist die Bedeutung von indigen), haben den 41-Jährigen nicht mehr losgelassen. Immer wieder kehrt Richard Gress zurück in die Omo-Region, um mit den Suri nach deren Jahrhunderte alten Gewohnheiten zu leben. Jetzt ist ein neuer Film darüber entstanden, mit einem ähnlichen Titel wie der Erstling: „Afrikas letzte Krieger“.
Kämpfe auf Leben und Tod
Richard Gress befasst sich in der einstündigen Dokumentation vor allem mit den traditionellen Stockkämpfen, bei denen die Suri-Männer ihre kämpferischen Qualitäten unter Beweis stellen. Stockkämpfe sind oft Auseinandersetzungern auf Leben und Tod.
Richard Gress hatte schon immer ein Faible für den schwarzen Kontinent. Zuerst interessierte ihn die Tierwelt Afrikas; er besuchte Schutzgebiete und Nationalparks, um Großwild zu beobachten und zu fotografieren. Irgendwann reichte ihm die Rolle des Tier-Paparazzos nicht mehr. Er wollte auch die Menschen auf dem riesigen Kontinent kennenlernen. Fünf Jahre lang streifte er im Grenzgebiet zwischen Äthiopien und Sudan umher. Die meiste Zeit, vielleicht drei Jahre, verbrachte er bei den Suri.
„Mittlerweile kann ich mich alleine in der Wildnis gut ernähren und das habe ich meinen Freunden von den verschiedenen Naturvölkern zu verdanken“, sagt der Ex-Dingolshäuser. Natürlich ging das nicht einfach so, sondern der Abenteurer erlernte eigens die Sprache der Surma und kommt auch ganz gut mit dem Amharischen zurecht, ein großer Dialekt und auch Amtssprache Äthiopiens.
Mit „ein paar Stöckchen, aneinandergerieben und ein Feuerchen gemacht“, war es aber nicht getan. Es gab viel Frustrationen für Gress. „Oft stellte ich mich dümmer an, als ich es für möglich gehalten habe“, sagt er heute. Immerhin stellte er fest, dass diese als primitiv geltenden „Wilden“ absolute Experten auf ihrem Gebiet sind und wahre Meister darin, in und mit der Natur zu leben.
Um einen Film wie „Afrikas letzte Krieger“ zu drehen, musste Richard Gress natürlich auch das Vertrauen der Suri gewinnen. Er schaffte das, indem er sich ganz einfach integrierte, einer von ihnen wurde. „Ein großer Vorteil war es für mich, dass ich alle Lebensmittel vertrage und auch Dreckwasser trinken kann.“
Erst nach Jahren des Lebens bei den Suri kam dem Filmemacher die Idee, die außergewöhnlichen Rituale und Zeremonien filmisch festzuhalten. Protagonist des neuen Films ist Gallgalli, den die äthiopische Regierung angeheuert hatte, gegen die eritreanische Armee zu kämpfen. Er war der Einzige, der beim Betrachten des Film-Zusammenschnitts auf dem Notebook diesen nicht als Magie auffasste, sondern mit modernen Medien schon einigermaßen vertraut war.
Im Film ist Gallgalli als Stockkampf-Veteran zu sehen. Eine Platzwunde bei diesen Kämpfen ist eine Bagatelle. Kommt aber jemand zu Tode, nehmen die Angehörigen oft noch auf dem Kampfplatz Blutrache. Dann werden die Schnellfeuergewehre durchgeladen und niemand ist mehr sicher. Auch unbeteiligte Zuschauer wurden schon Opfer dieser Kämpfe. Diese modernen Schusswaffen passen nicht so recht ins Bild eines Naturvolks, aber es gibt sie.
Auch in diesem Film war Gress Autor, Produzent, Kameramann und Cutter in Personalunion. Er selbst ist darin nicht zu sehen.
Lohn: grenzenlose Freiheit
Immer wenn Richard Gress, Sohn der heute in Gerolzhofen lebenden Ludwig und Hedwig Gress, vorübergehend nach Ingolstadt oder Gerolzhofen zurückkehrt, um in seinem Beruf als Industrielackierer zu arbeiten oder die Eltern zu besuchen, fällt es ihm nicht leicht, sich an den hektischen Zivilisationsalltag zu gewöhnen. „Aber ich weiß natürlich auch um die Vorteile des sicheren deutschen Lebens. In der Wildnis macht man sich nicht sonderlich viele Gedanken um die Zukunft, denn die kann bereits in der nächsten Nacht zu Ende sein.“ Die Distanz zwischen Leben und Tod ist im Land der Suri äußerst gering.
Was ist die Gegenleistung für ein solches Risiko? Für Richard Gress ist es eine grenzenlose Freiheit. Und die Erkenntnis, dass man auch im Leben hierzulande auf viele Luxusutensilien verzichten kann. Denn zu viele Bequemlichkeiten machen einen nur träge, sagen die Suri.
„Afrikas letzte Kämpfer“ ist am Ostersonntag, 8. April, zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr bis 21.15 Uhr auf dem Nachrichtenkanal N 24 zu sehen.