
Die Christmas Friends sind realistisch: Wenn man mit "Winter Wonderland" und einem Meadley der besten Weihnachts-Lieder aus zehn ("nein, elf Jahren") auf der Bühne steht, liegt die Wiederholung nahe. "Wer war schon mal da?", fragen Christine Schöner, Nadine Butze, Jörg Schöner, Fritz Wenzel und Walter Loos in die Runde, in der vollbesetzten, kuschelwarmen Disharmonie.
Doch einige. Weitaus mehr erleben "100 Prozent Christmas" zum ersten Mal, laut Handzeichen. Es scheint allerdings eine gewisse Schnittmenge zwischen treuen Stammgästen und denjenigen zu geben, die behaupten, das erste Mal da zu sein. "Wer weiß noch, ob er schon mal da war?", hakt Sängerin Christine Schöner vorsichtshalber nach.
Es sind die ewigen Frage zum Jahresausklang, unter Nikolausmütze und Stern von Bethlehem: Wie real ist Weihnachten? Was ist saisonales Déjà-vu, was kommt von tiefstem Herzen? "CF" bedient augenzwinkernd beides, als regionale Band aus dem Raum Würzburg und Schweinfurt. Singt die Klassiker, von "Es wird schon gleich dunkel" bis zu "Leise rieselt der Schnee" und eben "Winter Wonderland". Hat die Geschichten des Haßfurter Mundart-Dichters Wilhelm Wolpert dabei, von der hungrigen Familie etwa, die im Jahr 1946 versehentlich den Onkel aus Amerika verspeist: dessen Asche irgendwie in einem Lebensmittelpaket gelandet ist, in der Weißblechdose. Oder vom wertvollen Biedermeier-Tischle, das am Ende dem schönen Weihnachtsbaum angepasst wird, mit der Säge, nicht umgekehrt. Weihnachten ist halt, was man draus macht.
Das Staraufgebot nicht zu vergessen: The BossHoss war schon da, Helene Fischer und sogar Elvis Presley. Schwer, das 2019 noch zu toppen: "Wir wollten eine Künstlerin aus den 80er-Jahren." Bekommen haben die Christmas Friends wenigstens eine Künstlerin in den 80er-Jahren: Nicht Nena, nein Nana Mouskouri stürmt nach oben, mit "Guten Morgen, Sonnenschein" und "Weihnachtsgrüßen aus Athen", trotz 85 Jahren jung geblieben. Als Verbeugung vor der großen Ausnahmekünstlerin aus Hellas tragen alle große schwarze Brillen.
Apropos schwarzumrandeter Blick. Am Thema Klima-Katastrophe kommt heutzutage auch kein Künstler mehr vorbei: Sich Weihnachtsbäume ins Wohnzimmer zu stellen ist bekanntlich extrem umweltschädlich. Da hilft nur eins: Die "Freiwilligen" Markus und Flo müssen rauf, sich grüne Nadelbaum-Kostüme überstreifen und feierlich "O Tannenbaum" singen. Am Ende verlangen sie schlagfertig 20 Euro pro Stunde.
Zwischendurch erklingen die flotten Evergreens, mit "Red Suited Superman" (von Rod Stewart) oder Chris Reas "Driving home for Christmas". "Von der Weiten" ist ein Oberpfälzer Öko-Song, der ISS-Kosmonaut Alexander Gerst gewidmet ist (der mit dem flammenden Appell, die Erde den Enkeln pfleglich zu hinterlassen). Die Zillertaler Schürzenjäger sehnen sich derweil nach Weihnachten, wie es früher einmal war. Neu im Sortiment ist Stefan Gwildis mit "Eine Handvoll Liebe": Es geht um eine Romanze zwischen Paul und Aliah (trotz Scharia) oder den Wunsch von Boxersohn Juri, Tänzer zu werden – das passende Rezept dazu besteht aus Respekt, Toleranz, Geduld und einem Quäntchen Demut.
Zuletzt berichten Christine Schöner und Pianoman Jörg Schöner von ihrem dritten Rendezvouz, als es endlich gefunkt hat. Vor dem finalen "Happy New Year" steht die Erkenntnis: Hinter jedem erfolgreichen Weihnachtsmann steht eine erfolgreiche Weihnachtsfrau. Oder ist das Rentierschlitten-Lenken am Ende doch die letzte verbliebene Männerdomäne, für coole Typen mit Bart?