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GRAFENRHEINFELD
„Die Briten sind viel höflicher als die Franken“
Am Computer ist Simon Scheuring in seinem Element, egal ob bei der FIS in Grafenrheinfeld oder in einem Betrieb in Guildford.
Foto: Scheuring | Am Computer ist Simon Scheuring in seinem Element, egal ob bei der FIS in Grafenrheinfeld oder in einem Betrieb in Guildford.
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:07 Uhr

Es war auf jeden Fall eine coole Erfahrung. Der 18-jährige Simon Scheuring hat gerade ein dreiwöchiges Praktikum in England hinter sich und ist mit einem Berg von Eindrücken zurückgekehrt. Sein Fazit: „Ich könnte in England überleben, aber ich würde dort nicht arbeiten wollen.“

Simon ist im dritten Ausbildungsjahr als „Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung“. Nach der Mittleren Reife begann er seinen beruflichen Weg bei der FIS in Grafenrheinfeld und besucht die Heinrich-Thein-Berufsschule in Haßfurt. Oberstudienrat Roland Bitsch bemühte sich um ein Erasmusstipendium, das 19 seiner Schüler in Anspruch nahmen.

Mit dem Erasmus-Programm bietet die Europäische Kommission seit mehr als 25 Jahren eine effiziente Förderung von Studienaufenthalten und Praktika in mittlerweile 33 Ländern. Simon und seine Mitschüler bewarben sich. Dank Erasmus bekamen sie Praktikumsplätze in England, und auch für die Unterkunft sorgte das europäische Förderprogramm. Den Flug nach England zahlten die jungen Leute selbst. In der FIS gab es kein Problem, erzählt Simon, dort sei er für die Zeit freigestellt worden und sogar sein Gehalt lief weiter.

„So viel Toast habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen“

In Godalming, etwa 60 Kilometer südwestlich von London, angekommen, brachen sie zu ihren jeweiligen Gastfamilien auf. „Ein ganz anderer Baustil, diese kleinen Backsteinhäuschen“, wunderte sich Simon. Der Gastvater war ein „älterer Herr, aber sehr nett“. Es stellte sich heraus, dass es ein ehemaliger Lehrer war, der „noch etwas tun wollte, nachdem seine Frau gestorben war. Er sorgte für Frühstück und Abendessen. „So viel Toast wie da habe ich in meinen ganzen Leben noch nicht gegessen“, sagt Simon.

Von Godalming aus fährt Simon nach dem Frühstück in seinen Betrieb im nahegelegenen Guildford. Er arbeitet in einer Marketingfirma, die Webseiten und „responsive design“ anbietet, und in deren Schwesterfirma, die sich mit Lagerlogistik auseinandersetzt. „Die fangen erst gegen neun oder zehn das Arbeiten an“, das sei sehr angenehm gewesen. Was Simon aber bedauerte: „Ich durfte als Praktikant gar nichts selbstständig machen.“

Mit der Sprache habe es kaum Probleme gegeben, nur ein Mitarbeiter habe einen „schrecklichen Dialekt gesprochen“, erinnert sich der Austauschpraktikant. Aber nach einer guten Woche habe er sogar ihn einigermaßen verstanden. Im Betrieb habe angesichts des Brexit viel Unsicherheit über die Zukunft geherrscht. „Eigentlich wollte da keiner den Brexit.“

Schlaglöcher in den Straßen

Problematischer als die Sprachverständigung waren die Verkehrsbedingungen. „Die Busse kommen, wann sie wollen, mal 20 Minuten später oder auch gar nicht“, erzählt der 18-Jährige. Besser fahre man mit der Bahn, auch wenn diese häufig bestreikt werde. Die berühmte „Rush Hour“ gebe es in England nicht mehr, die Einheimischen sprechen nur noch von Morning Rush oder Evening Rush, „weil das mit einer Stunde nicht mehr getan ist“. Für eine Strecke von zehn Kilometern müsse man zwischen einer halben und zwei Stunden einplanen, hat Simon gelernt.

Die Straßen seien voller Schlaglöcher, und „die Fußgänger kennen keine roten Ampeln, die laufen einfach los“. Aber Schlange stünden die Engländer immer noch gerne, „und sie werden echt sauer, wenn man sich nicht hinten einreiht“. Überhaupt muss Simon über einiges nur schmunzeln. Die Siedlungen seien nachts stockfinster, da gebe es keine Straßenlampen, dafür seien die Autobahnen hell erleuchtet.

Was Simon auch festgestellt hat: „Die Briten sind viel freundlicher und höflicher als die Franken. Die bedanken sich sogar beim Busfahrer, wenn sie aussteigen.“

Discobesuche am Wochenende

An den Wochenenden erkundete die deutsche Praktikanten-Gruppe das Umland und kam bei Diskobesuchen mit den einheimischen Jugendlichen in Kontakt. Der Kleidungsstil der jungen Frauen sei ein ganz anderer als bei hierzulande, „die zeigen gerne nackte Haut“, erzählt der junge Mann. Man sei auch schnell ins Gespräch gekommen, die Engländer seien sehr kontaktfreudig und hilfsbereit.

Und dann war da noch die Bonfire-Night, die die Jugendlichen bis zum großen Feuerwerk mitfeierten. Sie erinnert an den 5. November 1605, als einige Verschwörer versuchten, die Houses of Parliament in die Luft zu jagen, um König James I abzusetzen.

Um einige Erfahrungen reicher, denkt Simon schon weiter. Nach Abschluss der Ausbildung könnte er sich gut vorstellen, sein Abitur nachzuholen und Informatik zu studieren. Es gibt ja auch Erasmus-Programme für Studierende. Aber auch ehrenamtlich ist Simon engagiert, so bei der DLRG und der Feuerwehr, also wäre auch ein Soziales Jahr denkbar, zumal er noch die Ausbildung zum Rettungssanitäter machen will.

In der Logistikfirma musste Simon Scheuring auch beim Packen und Transportieren mit Hand anlegen.
Foto: Scheuring | In der Logistikfirma musste Simon Scheuring auch beim Packen und Transportieren mit Hand anlegen.
 
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