Katja Wunderling ist seit Februar mit einer Auswahl ihrer Kunstwerke im Museum Otto Schäfer zu Gast. Ihre dreidimensionalen Inszenierungen von Pflanzenteilen (Blätter, Stielen, Samen, …) sind schon zu einem beliebten Fotomotiv bei den Museumsbesucherinnen und -besuchern geworden. Die Nürnberger Künstlerin erklärt im Interview mit Kurator Michael Bucher ihre Begeisterung für die Natur, die Vorgehensweise bei der Kreation ihrer Kunstwerke und die künstlerische Nähe zu den Schätzen des Museums.
Katja Wunderling: Ich arbeite bevorzugt nicht mit Pinsel oder Zeichenstift, sondern mit Radiernadel, Pinzette und Leim. Mit der Radiernadel ritze ich meine Zeichnungen in das mit Halbkreidegrund grundierte und anschließend mit Ölkreide und schwarzer Eitempera gefärbte Packpapier. Mit Pinzette und Leim werden auf Bütten- oder Packpapier, Samen eingefügt. Dies geschieht mit großer Disziplin und Konzentration. Es ist ein langsamer, zeitaufwendiger Arbeitsprozess, eine fast meditative Tätigkeit, die auch für den Betrachter spürbar wird. Meist entwickeln sich hieraus serielle Arbeiten, die mir ein tieferes Eindringen in das jeweilige Thema und das genauere Ausloten von Variationen erlaubt. Die einzelnen natürlichen Materialien sind oft erst auf den zweiten Blick erkennbar, obwohl sie in der unmittelbaren Umgebung heimisch sind. Es sind keine plakativen Werke, sondern es sind Arbeiten, die auf subtile Weise eine Naturerfahrung ermöglichen und die Ewigkeit im Kleinen darstellen. Es geht mir um die Schönheit der kleinen Dinge, die leicht wegen ihrer vermeintlichen Selbstverständlichkeit übersehen werden.
Wunderling: Mein Interesse für Pflanzen entstand schon während meiner Studienzeit an der Akademie in Form von Zeichnungen, Radierungen und Landschaftsaquarellen. Seit circa 25 Jahren arbeite ich mit pflanzlichem Material, anfangs mit interessanten Einzelstücken, mittlerweile hauptsächlich mit in großen Mengen vorkommenden, auf den ersten Blick unscheinbar wirkenden Materialien wie Samen, Fichtennadeln, Flugschirmchen des Löwenzahns, Stacheln der Robinie etc.
Wunderling: Der Schaffensprozess beginnt schon beim Sammeln, meist auf zum Teil ausgedehnten Wanderungen in meiner mittelfränkischen Heimat und der angrenzenden Oberpfalz. Teilweise breche ich regelrecht zum „Ernten“ in bestimmte Gebiete auf. Aber immer mit einem offenen Blick für neue, für mich noch unbekannte, interessante Pflanzenteile. Zu diesem Zweck bin ich, um entdeckte Schätze mit nach Hause nehmen zu können, mit Taschen und Döschen bestückt. Nach dem Sammeln erfolgt nun das Sichten und Auswählen, Konservieren und das erste gedankliche Skizzieren meiner Ideen.
Wunderling: Ja, gerade der Samen übt eine große Faszination auf mich aus. In jedem Samen steckt der Bauplan der ausgewachsenen Pflanze, welche sich immer nach dem gleichen Muster oder Prinzip entwickelt, obwohl sowohl jeder Samen wie auch jede ausgewachsene Pflanze doch ihre eigenen Merkmale aufweist. Allein die unterschiedlichen Formen der in Franken beheimateten Baumsamen, in einer meiner aktuellen Serien „Arbores“ (Anm. d. Red.: im Museum ausgestellt), zeigen eine grandiose Vielfalt der Natur, angefangen von der bekannten Frucht, der Kastanie, über Stecknadelkopf große Samen der Erle bis hin zu den winzigen staubkorngroßen Samen der Pappel.
Wunderling: Sicher, ein weiteres sehr ausdrucksstarkes Material ist der Samen des Wiesenbocksbarts, der ein Flugschirmchen, ähnlich dem des Löwenzahns, nur um vieles größer, trägt. Jedes einzelne Samenkorn weist eine unterschiedliche Oberflächenstruktur, Farbigkeit und Krümmung auf. Die feinen, strahlenförmig angeordneten Flugsamenhütchen sind auch untereinander, wie Spinnennetze, miteinander verbunden. Und natürlich die Samenhalteblätter der Lunaria, auch Silberblatt oder Mondviole genannt, deren wildwachsende Blattformen lanzettförmig und silbrig durchscheinen, inspirieren mich zu immer neuen Kombinationen.
Die Kunstwerke von Katja Wunderling sind in den Ausstellungsräumen des Museums Otto Schäfer noch bis zum 15. September zu sehen.