Hinauf über die knarzenden Stiegen ging es, die auch der kleine Friedrich vor 225 Jahren hinuntergestürmt sein mag. Den besonderen Zauber eines Ortes nutzte die Schweinfurter Autorengruppe SAG zu einer ganz persönlichen Begegnung mit dem Poeten.
Einer glücklichen Fügung war es zu verdanken, dass diese Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte. Denn das Haus, in dem Friedrich Rückert geboren wurde, ist für die Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich. Doch die Bewohnerin Silvia Joiner hat ihre Räume für diesen Abend geöffnet.
Auch wenn die historische Wohnung ein Geschoss darüber gelegen hat, so war es doch etwas Besonderes, die Perspektive hinaus auf den Marktplatz zu genießen, die auch die Familie des später so bedeutenden Mannes hatte – wenngleich auch damals noch ohne das mächtige Denkmal.
Die Mitglieder der SAG hatten sich auf sehr persönliche Weise dem Dichter angenähert. Ihre Zwiesprachen trugen sie in diesem ganz wörtlich zu nehmenden Literatursalon vor. Augenzwinkernd und fragend, provozierend und gleichmütig entwarfen ihre eigens für das Jubiläumsjahr entstandenen Texte ein vielfältiges Bild des Weltpoeten.
Linde Unrein stellte mit Blick auf die „Kindertodtenlieder“ fest, Rückert lehre „Trauer tragen“, der Dichter werde vertrauter durch die „am Scheitern entlangtaumelnden Verse“. Sie grüßte ihn Achtung entbietend mit einem kleinen Knicks. Sie war es auch, die leuchtende Porträts nach dem Kupferstich von Carl Barth angefertigt hatte.
Peter Hub schlüpfte in den roten Gehrock des Dichters und ließ ihn traurig sinnieren: „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. Annika Peter, jüngstes Mitglied der SAG, holte den Dichter vom Sockel und skizzierte ein Rendezvous mit einem Mann, dem sie Rückert-Zitate in den Mund legte. Am Ende stellte sich der dann doch nicht als der erhoffte Frauenversteher heraus.
Das Geburtshaus selbst war der Anknüpfungspunkt für Martina Müller-Wagner. Denn sie hatte in der in den 50er-Jahren dort ansässigen Anwaltskanzlei ihr erstes eigenes Geld verdient. Als Stadtlauringerin hatte Renate Eckert ganz frühe Erinnerungen an Rückert, ihr Rückert sei „ irgendwie immer da gewesen“.
Auch Hans Jürgen Heimrich setzte Rückert mit Goethe in Beziehung. Orient und Okzident sei beider Thema gewesen. Vor dem Formfetischisten mit den über 25 000 Gedichten zog Hanns Peter Zwißler den Hut und erinnerte an den bewegenden Moment, als er in Shiraz im Iran an des Hafis Grab Rückertverse rezitierte.
Die Perspektiven waren facettenreich und zu Herzen gehend persönlich. Johanna Bonengel führte launig durch das Programm und ließ zusammen mit Annika Peter den Abend mit einer poetischen Verrücktheit ausklingen, dem fiktiven Zusammentreffen von Friedrich Rückert und der Kunstbewegung Dada.
Die 15-jährige Elisabeth Morche rundete den Abend mit zwei Liedern von Franz Schubert und Robert Franz nach Texten von Rückert ab und wurde dabei von David Storch begleitet.
Einen Schritt näher war man dem Weltpoeten an diesem Abend gekommen und verließ beschwingt Rückerts Stätte der ersten Jahre am Markt über die Holztreppe.