
„Mut? Auf Facebook anderen meine Meinung ins Gesicht spucken. Natürlich anonym.“ Der Wutbürger hinter diesem Zitat ist unbekannt, anders als die Urheber vieler geflügelter Worte rund ums Wörtchen „Mut“. So heißt es hintersinnig in der Zitatencollage, mit der Johanna Bonengel und Anika Peter die Lesung „ÜberMut“ der Schweinfurter Autorengruppe SAG eröffnen, im herbstlichen Rückertpoetikum.
Der Mutige bezwingt die Todesangst (knurrte John Wayne, bevor er sich in den Sattel schwang), ebenso erfordert es Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen (erkannte Aufklärer Kant).
Mut ist das große Thema
„Dichten ist ein Übermut“ hat Amtmannssohn Friedrich Rückert festgestellt, dessen gute Kinderstube einst neben dem Museum stand. Im Fachwerkhaus voll Rückertbildern und- Zitaten ging es um den Mut im Alltag, wo laut Johanna Bonengel Mut gut tut, anders als Übermut. Dies alles im 230. Geburtsjahr des Dichterfürsten. „Beim Alter der SAG muss man nur eine Null wegstreichen“, sagt die Moderatorin.
Zur 23 Jahre jungen Poesie und Lyrik vom Main gesellten sich zeitlose Harfenklänge von Christine Eberherr.
„schwarz wie die nacht“ ist der Auftakttext von Linde Unrein. Die Medizinerin und Psychotherapeutin gibt Einblicke in das gequälte Innenleben eines Heimkinds nach dem Krieg, als „Sargnagel und Sonnenschein ihrer Mutter“ zugleich. Eine Art Grönlandexpedition in die Polarnacht der menschlichen Seele.
Der Sebber und sein Pech
„Das Leiden des fränkischen Sebber“, nennt sich der aktuelle Kurzgeschichten-Band des Mundart-Autors und Polizisten Joachim Engel: seit „Rossmarkt“ die dritte Veröffentlichung. Der Sebber, ein dübbisch fränggisches Obfer, hat am Skilift Pech, verfängt sich im Bügel und fährt „im ewichen Kreislauf“ Karussell. Aber wie heißt es schon im zweiten Buch: „Es hätt fei schlimmer kumm könn“.
Erzieher Manfred Manger kennt das Publikum als „Mr. Poetry Slam“ in Schweinfurt. Der „Herbstlaubhaufen“, durch den rote Gummistiefel fegen, steht in seiner Textperformance als Chiffre für die freiere Kindheit von einst. Als Auftakt zum Rausch der Jugend, „Maul voller Sprüche, Arsch voller Glück.“ Mittlerweile erben die Kinder ein besenreines Land. Wer vor Übermut taumelt, wird behandelt, stellt der Poet fest: Vernunft als Feigenblatt für Fantasie?
Wie sich der Bröll gegen Nazis wehrt
Kein Blatt vor den Mund nimmt „Der Bröll“, knorriger Patriarch der gleichnamigen Allgäu-Saga: ein atmosphärisch dichter Klassiker des gebürtigen Sonthofeners Hanns Peter Zwißler. Während im Krieg schon die halbe Welt brennt, wollen zwei lokale Nazis im eingeschneiten Voralpenland zündeln, darunter Oberlehrer Schratt. Der Bröll wehrt sich in John Wayne-Manier gegen ein braunes Sonnwendfeuer auf seinem Grund, soll dafür ins KZ, erweist sich in der Einöde aber als unentbehrlich.
Abgelegen in den Haßbergen liegt das Internat Wetterstein, im Psycho-Thriller „Novemberfeuer“ von Renate Eckert, vormals Tagblatt-Journalistin und Pressereferentin. Lehrerin Franziska erlebt nach einem mysteriösen Todesfall das Gefühl schleichender Entfremdung. Im Romanauszug wird symbolisch das Grabfeld umgewühlt, in der Sage vom verlorenen Ehering einer Königin, mit eifersüchtigem Gatten: auf der Suche nach Gewissheiten im Leben scheinbar vertrauter Menschen.
Womit der Abend beim Thema Liebe angekommen wäre: „Drei kleine Worte“ nennt sich die Kurzgeschichte von Anika Peter, als Mittzwanzigerin die Jüngste im Bund, vorgetragen im Sound eines Poetry Slams. Ein Liebhaber macht seiner Angebeteten einen Heiratsantrag, diese braucht ihren ganzen Mut für die einzig richtige Antwort. Der Rest sind Harfenklänge.
Die Mutbürger im Publikum verabschiedet Ruth von Truchseß. Ein Wiederhören gibt es bei der SAG-Gala am Samstag, 24. November, 19.30 Uhr, in der Schweinfurter Disharmonie, Motto „Liebe und andere Irrtümer“.