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Schweinfurt
Dialyse-Stopp: Viereinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags
Das Schwurgericht hat geurteilt. Demnach hat die Angeklagte den Stopp der lebenswichtigen Dialyse beim Schwiegervater veranlasst – aber aus Habgier?
Dialyse-Stopp: Viereinhalb Jahre Haft wegen versuchten Totschlags
Foto: Patty Varasano
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:05 Uhr

Im Prozess in Schweinfurt wegen versuchten Mordes einer 58-jährigen Altenpflegehelferin an ihrem 89-jährigen Schwiegervater wurden am Freitag vor Pfingsten die Plädoyers gehalten. Sie lagen zwischen einer Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung (Verteidigung) und siebeneinhalb Jahren wegen versuchten Mordes, was der Oberstaatsanwalt beantragt hatte.

Am Dienstag sprach die Schwurgerichtskammer Schweinfurt ihr Urteil: Viereinhalb Jahre wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Zur Begründung sagte die Kammervorsitzende, dass die Angeklagte Ende April letzten Jahres gegenüber dem Personal des Pflegeheimes, in dem der Schwiegervater wohnte, die Anweisung zum Abbruch der lebenswichtigen Dialyse gegeben habe. Dabei habe sie wahrheitswidrig behauptet, dies sei mit dem Dialysearzt abgesprochen gewesen. Tatsächlich habe der Arzt einen Abbruch jedoch ausdrücklich nicht befürwortet.

Der später eingetretene Tod des 89-Jährigen gehe allerdings nicht auf diesen von der Angeklagten initiierten Dialyse-Abbruch zurück. Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Mordmerkmale – insbesondere Habgier – hätten nicht nachgewiesen werden können, so das Landgericht, weshalb die 58-Jährige wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung zu verurteilen gewesen sei.

Schwerkrank, aber lebensfroh

Der Oberstaatsanwalt hatte in seinem Plädoyer Mordabsicht aus Habgier erkannt. Der 89-Jährige sei zwar herzkrank, dialysepflichtig und schwerhörig gewesen, „aber durchaus lebensfroh“. Trotz seiner schweren Krankheiten sei er von Zeugen als „netter, lebensbejahender, interessierter Mann“ geschildert worden“. In einer Situation, in der er nicht mehr über sein Leben hätte entscheiden können und dies die Aufgabe der Angeklagten gewesen wäre, die von ihrem Schwiegervater Anfang 2016 eine General- und Vorsorgevollmacht erhalten hatte, sei er auch nicht gewesen.

Gleichwohl habe die Angeklagte unter Verweis auf diese Vollmacht vom Heimpersonal verlangt, „ab sofort jede medizinische Behandlung bis auf die Verabreichung bedarfsabhängiger Schmerzmittel abzubrechen“, noch dazu mit der wissentlichen Falschbehauptung, dies sei mit dem Arzt abgesprochen. Für den Anklagevertreter ein klares Indiz, das Leben des betagten Schwiegervaters zu verkürzen, um letztlich an sein erhebliches Vermögen zu gelangen.

Alleinerbe wäre der Ehemann der Angeklagten gewesen und mittelbar dadurch auch sie. Die beiden hatten sich unter Missbrauch der Generalvollmacht zuvor bereits an den Konten des betagten schwerkranken 89-Jährigen schamlos bereichert, wie in dem Verfahren nachgewiesen wurde. Wegen Betruges ist die Angeklagte auch vorbestraft.

Revision ist möglich

Die Verteidigerin hatte in ihrem Schlussvortrag die Verantwortung für das Dialyse-Fiasko stark in Richtung Pflegeheim, Personal und Ärzteschaft gelenkt, die näher an dem 89-Jährigen gewesen seien als ihre Mandantin und dessen Willen offenbar auch nicht besser erkundet oder die Anweisungen der Angeklagten hinterfragt hätten. Sie sah eigentlich nur eine gefährliche Körperverletzung als erwiesen an, die mit der Untersuchungshaft abgegolten sein sollte, andernfalls sei eine Haftstrafe von vier Jahren ausreichend.

Gegen das Urteil von viereinhalb Jahren ist Revision möglich.

 
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  • M. S.
    Zitat Artikel: " Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Mordmerkmale – insbesondere Habgier – hätten nicht nachgewiesen werden können..."

    weiteres Zitat Artikel:
    "Alleinerbe wäre der Ehemann der Angeklagten gewesen und mittelbar dadurch auch sie. Die beiden hatten sich unter Missbrauch der Generalvollmacht zuvor bereits an den Konten des betagten schwerkranken 89-Jährigen schamlos bereichert, wie in dem Verfahren nachgewiesen wurde."

    Wenn man das so liest, dann fragt man sich unweigerlich was man machen muss um überhaupt in die Nähe der im Raum stehenden, gesetzlich höchstmöglichen Strafe zu kommen. Um solche Urteile auch nur halbwegs zu verstehen muss man wohl wirklich Jura studieren.
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