zurück
SCHWEINFURT
Diabetes – die unterschätzte Gefahr
Weltdiabetestag       -  Immer mehr Menschen leiden an Diabetes. Für sie ist die tägliche Kontrolle des Blutzuckergehalts Alltag.
Foto: DPA/Jens Kalaene | Immer mehr Menschen leiden an Diabetes. Für sie ist die tägliche Kontrolle des Blutzuckergehalts Alltag.
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:23 Uhr

Der 20. Schweinfurter Diabetikertag war alles andere als eine traditionelle Pflichtübung. Im Gegenteil: Diabetes nimmt nach wie vor auch in Deutschland dramatisch zu. Dies ist vor allem durch den sich immer schneller ausbreitenden Typ-2-Diabetes bedingt – in Deutschland beträgt die Zunahme seit Beginn des Jahrtausends etwa 40 Prozent. Neben der Zahl der mehr als sechs Millionen Betroffenen ist die hohe Dunkelziffer der ein bis zwei Millionen nicht diagnostizierten Menschen mit Diabetes besonders beunruhigend.

Zu späte Diagnose und Behandlung führen zu Folgekomplikationen: 75 Prozent der Menschen mit Diabetes sterben verfrüht an Herz-Kreislauf-Komplikationen, 40 000 Amputationen müssen durchgeführt werden. Typ-2-Diabetes ist nach wie vor die häufigste Erkrankung, die zu Nierenversagen und Dialysepflichtigkeit führt. Um hier gegenzusteuern, hatten die diabetologischen Schwerpunktpraxen und Kliniken eine interessante Themenauswahl mit vielen neuen wertvollen Aspekten des Diabetes erarbeitet.

Die guten Bakterien werden weniger

Den Anfang der Vorträge macht Internist, Nephrologe und Diabetologe Dr. Joachim Harlos (Dialysezentrum Schweinfurt) mit der Frage: „Wie hängen Darm und Diabeteseinstellung zusammen?“ Die im menschlichen Darm lebenden Billionen Bakterien nennt die Medizin das Mikrobiom. Es hilft beim Verdauen und bildet wichtige Botenstoffe, die auch darüber entscheiden, ob wir zu dick werden oder Diabetes bekommen. „In den letzten Jahren hat die Vielfalt auch der ,guten' Darmbakterien abgenommen, die die Verbrennungsvorgänge im Körper fördern“, präzisiert Harlos. Dies begünstige die Entstehung von Diabetes.

Kann man also durch Stärkung des Mikrobioms das Diabetesrisiko senken oder Diabetes stoppen? Hier nennt Harlos die Möglichkeit einer Stuhl-Transplantation, bei der Exkremente eines gesunden Menschen in den Darm eines Diabetikers übertragen werden (Verbesserung der Insulinempfindlichkeit). Möglich sei auch die Gabe von Probiotika, Zubereitungen aus lebenden, gesundheitsfördernden Mikroorganismen wie Milchsäure- oder Bifidobakterien. Eine definitive Aussage könne man hier noch nicht machen. Für jeden möglich sei eine fettarme und ballaststoffreiche Ernährung, die das Mikrobiom zu einer höheren Vielfalt hin verändere und mit Gewichtsabnahme einhergehe.

Wie kann man die Insulin-Resistenz durchbrechen?

Internist und Diabetologe Dr. Joachim Müller (Ambulanz-Zentrum) spricht über „Wie kann man eine Insulinresistenz durchbrechen? Darunter versteht man eine verminderte Empfindlichkeit des Gewebes (hauptsächlich Muskeln, Leber und Fettgewebe) gegenüber dem Hormon Insulin. Diese reduzierte Sensibilität der Körperzellen beeinträchtigt seine Wirkung. Die Bauchspeicheldrüse produziert immer mehr Insulin, bis sie sich erschöpft und den Dienst versagt.

Eine Insulinresistenz erhöht nicht nur das Risiko für Typ-2-Diabetes, sondern auch für Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht und für die Entwicklung einer Fettleber. Ursachen einer Insulinresistenz sind Vererbung, Übergewicht, Ernährungsfehler, Bewegungsmangel, Stress.

Therapieoptionen sind mehr körperliche Bewegung und gesunde Ernährung, vor allem Fastenformen wie Hafertage und Gemüsetage. Eindrucksvoll schildert Müller die besonders wirksamen Hafertage, deren Rezepte am Stand seiner Praxis verteilt werden. Hafertage bewirken eine Durchbrechung der Insulinresistenz, führen zu einer besseren Blutzuckerregulation, zum Abbau von Übergewicht und sind eine gute Einstimmung einer Ernährungsumstellung. Auch Industrieprodukte für das sogenannte Leberfasten nach Dr. Worm seien zu empfehlen.

Menschen mit Übergewicht sind besonders gefährdet

Prof. Dr. Stephan Kanzler, Chefarzt der Medizinischen Klinik II des Leopoldina, referiert über „Zusammenhänge von Fettleber und Diabetes“. Bei den meisten Menschen beruht eine Fettleber, die sich entzünden und entarten kann, nicht auf vermehrtem Alkoholkonsum. Als Ursache für die hier besprochene Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) gilt vor allem Übergewicht und Fettleibigkeit. Die NAFLD begünstigt Typ-2-Diabetes. Kanzler hält Übergewicht für ein „dramatisches Thema“, 34,6 Prozent der EU-Einwohner seien übergewichtig. „Ich glaube, dass dadurch der Zenith der Langlebigkeit erreicht ist“, sagt Kanzler.

Der Internist plädiert für eine sorgfältige Diagnose, die er ausführlich erklärt. Zur Behandlung der Fettleber seien bis jetzt keine Medikamente zugelassen. Es sei eigenverantwortliches Handeln gefordert: Reduktion Übergewicht, sportliche Betätigung, gute Blutzucker- und Blutfette-Einstellung, nicht täglich rotes Fleisch, vitamin- und faserreiche Kost. Jeder Patient mit einer Fettleber-Entzündung sollte halbjährlich eine Ultraschalluntersuchung durchführen lassen, um damit einem Leberkrebs vorzubeugen.

Die Diabetologin Claudia Opitz ( Diabetes-Zentrum) spricht über die Notwendigkeit eines Blutzucker-Tagesprofils. An ihm lässt sich feststellen, wie sich bestimmte Tätigkeiten, etwa Sport oder die Mahlzeiten, auf den Blutzuckerspiegel auswirken. „Das ist meine Arbeitsgrundlage“, betont die Ärztin. Nur so könne sie den Zuckerstoffwechsel eines Patienten beurteilen und entscheiden, welche Therapieempfehlungen (Ernährungsumstellung, Medikamente) für ihn hilfreich sind. Sie bittet ihre Patienten, über eine Woche vor dem Arzttermin ein Tagesprofil anzulegen: Nüchtern, vor den Hauptmahlzeiten, 1,5 bis 2 Stunden nach dem Essen und vor dem Schlafengehen.

Warum Sport für Betroffenen so wichtig ist

Fachübungsleiter Michael Wolker (TG Schweinfurt) wirbt für die Diabetes-Übungsstunden. Sie bieten ein ganzheitliches und therapeutisches Sportprogramm, das vor allem die für Diabetiker wichtigen Bereiche Ausdauer und Kraft abdeckt. Mit dem Diabetessport könne Entscheidendes erreicht werden: Senkung des Körpergewichts, Senkung des Blutzuckerspiegels, Reduktion der Medikamente, Verringerung von Bluthochdruck und Stoffwechselstörungen. Auskunft: TG, Tel. (0 97 21) 2 22 42.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Manfred Herker
Diabetes
Fettleber
Internisten
Joachim Müller
Übergewicht
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top