
Vor 60 Jahren gab es in Grettstadt neben vielem anderen zwei Schmieden, zwei Tankstellen, zwei Schreiner, ein Sägewerk, vier Bäckereien, fünf Gastwirtschaften, einen Mineralbrunnenbetrieb, eine Gurken- und eine Farbenfabrik bei rund 1000 Einwohnern. Die meisten Betriebe wurden im Laufe der Zeit aufgegeben, so auch die Farbenfabrik. Heute existieren zwar noch die Immobilien, die früher zu der Firma gehörten, aber die Farbenfabrik Farben-Kontor beendete 1978 die Produktion und zwei Jahre später auch den Verkauf.
Mainperle als Markenzeichen
Eine alte Landkreistafel von 1966 bot noch folgende Firmenbeschreibung: "Im Jahr 1937 wurde die Firma Farben-Kontor in Grettstadt von Herrn Hubert Dresch gegründet. Neue Fabrikationsräume am Bahnhof erstellte man 1948 und verlegte den Betrieb von gemieteten Räumen in der Ortsmitte in den eigenen Betrieb am Bahnhof. Den Großhandel gab man damit auf und begann die eigene Herstellung von Buntfarben in Pulver aller Art, Buntfarben in Leinölpaste, "Mainperle"® Weißpasten und Titanweiß-Pasten sowie Dispersionsfarben aller Art. Außerdem werden eine Anzahl Spezialfarben hergestellt. Die Ware findet im In- und europäischen Ausland ihren Absatz."
Begonnen hatte Dreschs Karriere als Lehrling bei der Firma Farben-Deifel in Schweinfurt. Die heute noch existierende Firma ist spezialisiert auf das Kollern von Farben mithilfe von schweren Kollerrädern. Dresch war bei Deifel auch im Außendienst tätig und knüpfte so viele Kontakte, die ihm später als selbstständiger Kaufmann nützlich waren.

Außendienstler in Ostfriesland
1937 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und betrieb zunächst mit seinem Kompagnon Distler einen Großhandel für Farben und Lacke dort, wo heute die Gaststätte Straub zu finden ist. 1948 beendete die gemeinsame Firma ihre Tätigkeit und beide eröffneten selbstständige Firmen, Distler in Schwabach bei Nürnberg und Dresch in Grettstadt am Bahnhof. Um die Produkte deutschlandweit bekannt zu machen, gab es Außendienstmitarbeiter für Franken, Baden-Württemberg, Köln, München, Bayerischer Wald und Ostfriesland. Dort unterhielt Farben-Kontor auch ein Außenlager und Hermann Bergmann transportierte mit dem firmeneigenen Lastzug die Farben von Franken bis an die Nordsee.

Immer größere Konkurrenz
Produzierte das Farben-Kontor zunächst (wie die Firma Deifel) Pulverfarben, so erweiterte der Firmeninhaber das Sortiment in den Folgejahren stetig: Leim- und Kalkfarben, Dispersions- und Latexfarben, Öl- und Lackfarben, Rostschutzlacke, Grundierungen aller Art und Holzlasuren. Günter Bergmann begann vor genau 50 Jahren seine Lehre als Industriekaufmann bei Farko und blieb der Firma bis zu deren Schließung 1978 treu. Er erinnert sich noch heute an die Jahre des betrieblichen Aufschwungs, aber auch an die Zeit, in der die Konkurrenz immer größer und das Geschäft immer schwieriger wurde.

Frei von PCP und Lindan
Das Grettstadter Unternehmen hatte wie viele Mittelständler mit dem Problem zu kämpfen, an entsprechende Qualitätszertifikate zu kommen, denn hier dominierten zahlungsfähige Großkonzerne. Und ohne diese Prüfsiegel konnte man seine Produkte nicht dauerhaft vermarkten, egal wie gut sie waren. So waren beispielsweise die Farko-Holzlasuren von Anfang an frei von PCP, PCN und Lindan, während Großunternehmen zunächst den Markt mit solchen bedenklichen Produkten überschwemmten, die dann später vom Markt genommen werden mussten und viele Schadensersatzprozesse zur Folge hatten. Davon profitieren konnte Farko allerdings nicht.

Bis zu 20 Mitarbeiter
In den 70er Jahren kamen die ersten Baumärkte auf und Farko belieferte einige davon. Firmenpleiten blieben dabei nicht aus und Dresch musste immer wieder Zahlungsausfälle verbuchen. So kam es, dass das Unternehmen, das in seiner Blütezeit rund 20 Mitarbeiter zählte und seine Produkte deutschlandweit und teilweise sogar ins Ausland verkaufte, immer mehr an Bedeutung verlor.
Farben-Kontor wurde aufgelöst
Als Hubert Dresch 1976 starb, übernahm seine Tochter Elisabeth den Betrieb, merkte aber bald, dass der Zug für Produktionsfirmen dieser Größenordnung abgefahren war. Sie reduzierte sukzessive die Produktpalette, kooperierte mit anderen mittelständischen Firmen und stieg in den Einzelhandel für Renovierungsbedarf ein. 1978 wurde die eigene Produktion völlig eingestellt, die Firma Farben-Kontor aufgelöst und der bisherige Firmensitz verkauft. Zu den Käufern gehörten damals ein Kfz-Betrieb und ein Privatmann.
Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit waren für Hubert Dresch ehrenamtliche Funktionen selbstverständlich. Von seinem Vater Kasper Dresch hatte er die Jagdleidenschaft und die Liebe zum Wald geerbt und war als Hegeringleiter tätig.


