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Grettstadt
Deutschlandweite Vermarktung Grettstadter Farben
Auf dem Luftbild von 1958 umfasst das gut 7000 Quadratmeter große Firmengelände das Büro- und Wohnhaus, die Kollerhalle und eine kleine Produktionshalle.
Foto: Peter Volz | Auf dem Luftbild von 1958 umfasst das gut 7000 Quadratmeter große Firmengelände das Büro- und Wohnhaus, die Kollerhalle und eine kleine Produktionshalle.
Peter Volz
 |  aktualisiert: 02.04.2021 02:14 Uhr

Vor 60 Jahren gab es in Grettstadt neben vielem anderen zwei Schmieden, zwei Tankstellen, zwei Schreiner, ein Sägewerk, vier Bäckereien, fünf Gastwirtschaften, einen Mineralbrunnenbetrieb, eine Gurken- und eine Farbenfabrik bei rund 1000 Einwohnern. Die meisten Betriebe wurden im Laufe der Zeit aufgegeben, so auch die Farbenfabrik. Heute existieren zwar noch die Immobilien, die früher zu der Firma gehörten, aber die Farbenfabrik Farben-Kontor beendete 1978 die Produktion und zwei Jahre später auch den Verkauf.

Mainperle als Markenzeichen

Eine alte Landkreistafel von 1966 bot noch folgende Firmenbeschreibung: "Im Jahr 1937 wurde die Firma Farben-Kontor in Grettstadt von Herrn Hubert Dresch gegründet. Neue Fabrikationsräume am Bahnhof erstellte man 1948 und verlegte den Betrieb von gemieteten Räumen in der Ortsmitte in den eigenen Betrieb am Bahnhof. Den Großhandel gab man damit auf und begann die eigene Herstellung von Buntfarben in Pulver aller Art, Buntfarben in Leinölpaste, "Mainperle"® Weißpasten und Titanweiß-Pasten sowie Dispersionsfarben aller Art. Außerdem werden eine Anzahl Spezialfarben hergestellt. Die Ware findet im In- und europäischen Ausland ihren Absatz."

Begonnen hatte Dreschs Karriere als Lehrling bei der Firma Farben-Deifel in Schweinfurt. Die heute noch existierende Firma ist spezialisiert auf das Kollern von Farben mithilfe von schweren Kollerrädern. Dresch war bei Deifel auch im Außendienst tätig und knüpfte so viele Kontakte, die ihm später als selbstständiger Kaufmann nützlich waren.

Ein Luftbild aus den Endsechzigern zeigt die neu hinzugekommenen Büro- und Produktionsgebäude in der Bildmitte.
Foto: Peter Volz | Ein Luftbild aus den Endsechzigern zeigt die neu hinzugekommenen Büro- und Produktionsgebäude in der Bildmitte.

Außendienstler in Ostfriesland

1937 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und betrieb zunächst mit seinem Kompagnon Distler einen Großhandel für Farben und Lacke dort, wo heute die Gaststätte Straub zu finden ist. 1948 beendete die gemeinsame Firma ihre Tätigkeit und beide eröffneten selbstständige Firmen, Distler in Schwabach bei Nürnberg und Dresch in Grettstadt am Bahnhof. Um die Produkte deutschlandweit bekannt zu machen, gab es Außendienstmitarbeiter für Franken, Baden-Württemberg, Köln, München, Bayerischer Wald und Ostfriesland. Dort unterhielt Farben-Kontor auch ein Außenlager und Hermann Bergmann transportierte mit dem firmeneigenen Lastzug die Farben von Franken bis an die Nordsee.

Hubert Dresch gründete 1937 die Firma Farben-Kontor in Grettstadt. Zuvor hatte er bei der Farbenfirma Deifel in Schweinfurt, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, seine Lehre absolviert.
Foto: Peter Volz | Hubert Dresch gründete 1937 die Firma Farben-Kontor in Grettstadt. Zuvor hatte er bei der Farbenfirma Deifel in Schweinfurt, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, seine Lehre absolviert.

Immer größere Konkurrenz

Produzierte das Farben-Kontor zunächst (wie die Firma Deifel) Pulverfarben, so erweiterte der Firmeninhaber das Sortiment in den Folgejahren stetig: Leim- und Kalkfarben, Dispersions- und Latexfarben, Öl- und Lackfarben, Rostschutzlacke, Grundierungen aller Art und Holzlasuren. Günter Bergmann begann vor genau 50 Jahren seine Lehre als Industriekaufmann bei Farko und blieb der Firma bis zu deren Schließung 1978 treu. Er erinnert sich noch heute an die Jahre des betrieblichen Aufschwungs, aber auch an die Zeit, in der die Konkurrenz immer größer und das Geschäft immer schwieriger wurde.

Das von Dresch gestaltete Firmen-Logo, die Weltkugel, verschwand zu einem Zeitpunkt, als die Firma containerweise Dispersionsfarben nach Saudi-Arabien lieferte. Es war nicht mehr zeitgemäß.
Foto: Peter Volz | Das von Dresch gestaltete Firmen-Logo, die Weltkugel, verschwand zu einem Zeitpunkt, als die Firma containerweise Dispersionsfarben nach Saudi-Arabien lieferte. Es war nicht mehr zeitgemäß.

Frei von PCP und Lindan

Das Grettstadter Unternehmen hatte wie viele Mittelständler mit dem Problem zu kämpfen, an entsprechende Qualitätszertifikate zu kommen, denn hier dominierten zahlungsfähige Großkonzerne. Und ohne diese Prüfsiegel konnte man seine Produkte nicht dauerhaft vermarkten, egal wie gut sie waren. So waren beispielsweise die Farko-Holzlasuren von Anfang an frei von PCP, PCN und Lindan, während Großunternehmen zunächst den Markt mit solchen bedenklichen Produkten überschwemmten, die dann später vom Markt genommen werden mussten und viele Schadensersatzprozesse zur Folge hatten. Davon profitieren konnte Farko allerdings nicht.

Bis 1976 waren die rot-grün lackierten Gefäße Erkennungszeichen für Farko-Lacke, danach bekamen die Gebinde ein neues Outfit.
Foto: Peter Volz | Bis 1976 waren die rot-grün lackierten Gefäße Erkennungszeichen für Farko-Lacke, danach bekamen die Gebinde ein neues Outfit.

Bis zu 20 Mitarbeiter

In den 70er Jahren kamen die ersten Baumärkte auf und Farko belieferte einige davon. Firmenpleiten blieben dabei nicht aus und Dresch musste immer wieder Zahlungsausfälle verbuchen. So kam es, dass das Unternehmen, das in seiner Blütezeit rund 20 Mitarbeiter zählte und seine Produkte deutschlandweit und teilweise sogar ins Ausland verkaufte, immer mehr an Bedeutung verlor.

Farben-Kontor wurde aufgelöst

Als Hubert Dresch 1976 starb, übernahm seine Tochter Elisabeth den Betrieb, merkte aber bald, dass der Zug für Produktionsfirmen dieser Größenordnung abgefahren war. Sie reduzierte sukzessive die Produktpalette, kooperierte mit anderen mittelständischen Firmen und stieg in den Einzelhandel für Renovierungsbedarf ein. 1978 wurde die eigene Produktion völlig eingestellt, die Firma Farben-Kontor aufgelöst und der bisherige Firmensitz verkauft. Zu den Käufern gehörten damals ein Kfz-Betrieb und ein Privatmann.

Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit waren für Hubert Dresch ehrenamtliche Funktionen selbstverständlich. Von seinem Vater Kasper Dresch hatte er die Jagdleidenschaft und die Liebe zum Wald geerbt und war als Hegeringleiter tätig.

Die Landkreistafel von 1966 zeigte neben dem Grettstadter Rathaus (Mittelspalte) auch die beiden Grettstadter Unternehmen Burkardts Brunnen und Farben-Kontor Dresch (rechte Spalte).
Foto: Peter Volz | Die Landkreistafel von 1966 zeigte neben dem Grettstadter Rathaus (Mittelspalte) auch die beiden Grettstadter Unternehmen Burkardts Brunnen und Farben-Kontor Dresch (rechte Spalte).
Solange die Firma Farben-Kontor noch existierte, gab es nur eine unbefestigte Straße, die zum Betrieb führte. Inzwischen ist dieser Abzweig der Bahnhofstraße geteert und eine Verbindungsstraße zum Neubaugebiet Wiesenfleck 2.
Foto: Peter Volz | Solange die Firma Farben-Kontor noch existierte, gab es nur eine unbefestigte Straße, die zum Betrieb führte. Inzwischen ist dieser Abzweig der Bahnhofstraße geteert und eine Verbindungsstraße zum Neubaugebiet ...
Mittels Kollergang wurden bei Farko Pulverfarben gemahlen. Dabei drehten sich zwei schwere Scheibenräder, die Läufer, stundenlang im Kreis. Dieser Farbkoller steht heute noch an der Einfahrt zum Firmengelände Deifel in Schweinfurt.
Foto: Peter Volz | Mittels Kollergang wurden bei Farko Pulverfarben gemahlen. Dabei drehten sich zwei schwere Scheibenräder, die Läufer, stundenlang im Kreis.
 
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