An diesem Samstag gießt der Himmel so ziemlich alles über Schweinfurt aus, was er zu bieten hat. Es regnet in Strömen. Der Schweinfurter Ruder-Club ist trotzdem mit allem, was anpacken kann, in der Wehr im Einsatz. Bootsstege werden ins Wasser gelassen und große Stahlgerüste herbeigeschleppt. In Regenmontur und Gummistiefeln wird auf dem Clubgelände gewerkelt. Die Jungen, die Kräftigen, tragen kopfüber Paletten herbei. Die Alten, die Erfahrenen, dirigieren und unterstützen.
Die Wehr wird vorbereitet für die Deutsche Rudersprintmeisterschaft über 350 Meter, die der Schweinfurter "Ruderclub Franken von 1882" am Wochenende, 7. bis 9. Oktober, ausrichtet. Das ist die einzige Deutsche Meisterschaft im Rudern, bei der alle Bootsklassen, vom Einer bis zum Achter, in großer Anzahl vertreten sind. 300 Boote werden auf dem Main sein.
"Das ist ein Highlight für ganz Bayern", sagt Vereinschef Willi Pulvermüller. Der Ruderclub ist daher mächtig stolz, diese hochkarätige Sportveranstaltung für den Deutschen Ruderverband ausrichten zu dürfen. In Schweinfurt wurden übrigens schon einmal Deutsche Rudersprintmeisterschaften ausgetragen. Das war 2001. Danach gab es nie mehr dieses Event in Bayern, sondern nur noch in norddeutschen Bundesländern. Umso mehr freuen sich die Schweinfurter, nach über 20 Jahren wieder die bundesdeutsche Ruder-Elite zu Gast zu haben.
Auch wenn die Ausrichtung so einer Meisterschaft richtig Arbeit macht. "Da braucht man viel Manpower", sagt der Vereinschef. Und die hat der Ruderclub. Von den 450 Vereinsmitgliedern helfen rund 130 ehrenamtlich bei der Durchführung mit. Jung und Alt, Frauen und Männer, jeder und jede packt mit an.
Und es braucht Erfahrung, um so eine große Sportveranstaltung zu stemmen. Auch die hat der Schweinfurter Ruderclub. Schon seit vielen Jahren organisiert er im jährlichen Wechsel mit München die Bayerischen Rudermeisterschaften über 1000 Meter. Hat als "Meisterschaftsmacher" quasi jede Menge Übung. Aber die Deutsche Rudersprintmeisterschaft ist nochmal ein ganz anderes Kaliber. "Das ist schon eine Herausforderung", meint Vorsitzender Willi Pulvermüller.
Befreundete Ruderclubs helfen mit Stegen und Booten aus
Regattaleiter Manfred Neubert hat beim Aufbau den Hut auf. Er war schon 2001 mit im Leitungsstab, sein Wissen ist unverzichtbar. Denn mit dem Befestigen von ein paar Bojen ist es nicht getan. Aus dem Main muss eine Regattastrecke gemacht werden. Da müssen Stege zum Anlegen der Wettkampfboote ins Wasser gebracht werden. So viele, wie gebraucht werden, hat der Ruderclub gar nicht. Sie wurden von Vereinen in Bamberg und Würzburg ausgeliehen. Auch die große Zahl an benötigten Spezialmotorbooten können die Schweinfurter allein nicht stellen. Hier helfen die Nürnberger aus. Die Motorboote sind übrigens Katamarane. Der Vorteil ist, dass sie wenige Wellen produzieren. Denn Wellen mögen Ruderer gar nicht.
Manfred Neubert ist der einzige an diesem Samstag, der im Trockenen sitzt. Auf dem Gabelstapler. Er befördert die großen Holzstege im Startbereich ins Wasser. Millimeterarbeit. Die Stege müssen gut liegen, damit die Boote sicher anlegen können.350 Meter mainabwärts im Zieleinlauf werden gerade die Anlandstege für die Sieger ins Wasser gelassen. Die grauen Platten werden am Wochenende noch mit einem blauen Teppich ausgelegt, über den die Medaillengewinner zum Siegerpodest schreiten.
556 Athletinnen und Athleten sind in Schweinfurt am Start
556 Ruderinnen und Ruderer sind gemeldet. Sie kommen aus 61 Vereinen, unter anderem aus den Hochburgen Berlin, Dortmund, Essen, Dresden und Hamburg. Die weitesten Anreise haben die Sportlerinnen und Sportler aus Rendsburg und Rostock. Für die Übernachtungen steht unter anderem die Sporthalle der Wilhelm-Sattler-Realschule zur Verfügung.
Auch bayerische Gäste sind dabei. Sie kommen aus Würzburg, Erlangen, Nürnberg, Kaufering und Schweinfurt. Der Ausrichter hat selbst elf Boote gemeldet. Und mit dem 17-jährigen Lorenz Grimm sogar einen Favoriten am Start. Der junge Schweinfurter erreichte bei den Junioren-Weltmeisterschaften in diesem Jahr im italienischen Varese im Doppelvierer den vierten Platz. Am Wochenende in Schweinfurt wird er Doppelzweier und zwei Viererrennen fahren, außerdem sitzt er im Vereinsachter.
Auch der Akademische Ruderclub Würzburg bringt mit Fabio Kress einen Favoriten mit. Er gewann bei den Ruderweltmeisterschaften in Tschechien vor zwei Wochen im Leichtgewichts-Männer-Doppelvierer Bronze.
Das Besondere bei diesem Sprintrennen: Aufgrund der kurzen Distanz von 350 Metern ist die ganze Strecke vom Start bis zum Ziel einsehbar. "Für die Zuschauer ist das total interessant", sagt Vereinschef Pulvermüller.
Die kurze Distanz ist aber auch eine Herausforderung bei der Zeitnahme, weil es an der Ziellinie dann sehr eng zugeht. Deshalb ist hier ein professionelles Team im Einsatz. Das einzige, was die Schweinfurter nicht selbst machen.
Seit einem knappen Jahr laufen die organisatorischen Vorbereitungen
So eine Riesensportveranstaltung muss lange im Voraus organisiert und vor allem exakt geplant werden. Der Mann dafür ist Egid Schlessing. Der Sportvorsitzende ist seit einem knappen Jahr mit den organisatorischen Dingen beschäftigt. Dazu gehört, alle nötigen Genehmigungen einzuholen. Zum Beispiel für die Nutzung des Mains. Denn der ist Bundesschifffahrtsstraße, sozusagen die Autobahn für Schiffe, und muss während der Rennen gesperrt werden. Weil man den Schifffahrtsverkehr aber nicht drei Tage lahmlegen kann, müssen die insgesamt 176 Rennen in Zeitfenstern absolviert werden. Alle zwei Stunden wird die Sperrung für eine Stunde aufgehoben, damit die Schiffe passieren können. Das heißt: Die fünf Startbahnen müssen immer wieder ab- und aufgebaut werden.
Auch die Wehr ist an den drei Wettkampftagen dicht. Wenn 300 Boote mit Anhängern und Zugfahrzeugen dort liegen, ist kein Platz mehr für andere Fahrzeuge. Pulvermüller lobt hier die gute Zusammenarbeit mit der Stadt. Überhaupt: Alle spielen mit. Die Pizzeria neben dem Clubgelände öffnet am Wettkampfwochenende nur für die Ruderinnen und Ruderer. Vor allem kohlenhydratreiche Nudelgerichte stehen auf dem Speiseplan.
Auch die Wasserwacht, das Rote Kreuz und vier Ärzte sind im Einsatz – und vielleicht die NADA. Ob die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland tatsächlich kommt, "das wissen wir nicht", sagt Schlessing. Aber vorbereitet muss der Ruderclub sein und einen separaten Raum mit Toilette vorhalten.
Alles unter Kontrolle: Der Aufbau läuft exakt nach Plan
Der Sportvorsitzende hat alles unter Kontrolle. Im Regenponcho und mit einem Packen Zettel in der Hand schwirrt er über das Gelände, gibt Anweisungen, begutachtet, kontrolliert, dass alles exakt nach Plan läuft. Manches lässt sich an diesem Samstag noch nicht erledigen. Zum Beispiel der Aufbau der Technik für die Moderation, die mit BR-Korrespondent Norbert Steiche ein Profi übernimmt.
Wenn's Wetter mitspielt – Insider sagen, Petrus soll ein Ruderer gewesen sein, deshalb wird es schön – rechnet der Club mit rund 500 Zuschauern. Ein großes Zelt, das 300 Personen fasst, ist schon auf dem Clubgelände aufgebaut. Auch die Tribüne steht, ein Relikt aus Beständen der U.S.-Army, das sich der Ruderclub nach deren Abzug aus Schweinfurt geschnappt hat. Auf der großen Wiese werden noch Stehtische aufgestellt. Und natürlich müssen vor dem Event jede Menge Kuchen gebacken werden. Damit Zuschauer und hungrige Ruderer gut versorgt werden.
"Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um so etwas zu machen", meint Sportvorsitzender Schlessing schmunzelnd. "Aber das ist der Kitt, der den Verein zusammenhält", ist Vereinschef Willi Pulvermüller stolz auf seine Mannschaft.