zurück
Der wenig besungene Fluss
Drama auf dem Main, einst besungen von Friedrich Rückert: Der Untergang der Sachsen bei Miltenberg 1814. Holzstich nach Gustav Müller, 1864 für die Gartenlaube.
Foto: Museum Otto Schäfer | Drama auf dem Main, einst besungen von Friedrich Rückert: Der Untergang der Sachsen bei Miltenberg 1814. Holzstich nach Gustav Müller, 1864 für die Gartenlaube.
Redaktion
 |  aktualisiert: 28.02.2013 15:41 Uhr

Unter dem Titel „Mainungen“ befasst sich das Museum Otto Schäfer begleitend zur Landesausstellung mit dem Thema Main und Literatur. Hier ein Auszug aus der Einleitung zum Katalog von Rudolf Kreutner.

Mit dem Main in der Literatur verhält es sich ein wenig wie mit der Bedeutung des Mains im Allgemeinen: Er läuft in jeder Beziehung buchstäblich eher nebenbei (ohne jedoch nebensächlich zu sein). Er ist nun einmal kein Strom, der seine Fluten und die seiner zahlreichen Nebenflüsse grenzüberschreitend direkt dem Meer zuführt. Er ist nicht – wie etwa der Rhein – gar ein deutscher Schicksalsstrom, dessen territoriale Zugehörigkeit zwei Nationen über Jahrhunderte zu „Erbfeinden“ machte.

Ganz im Gegenteil, er fließt ebenso umwegreich wie gemächlich mitten in Deutschland vor sich hin und verharrt trotz der Internationalität eines Rhein-Main-Donau-Kanals in seiner eher regionalen Bedeutung. Er ist auch nicht populär sagenumwoben wie der Rhein, sondern zeichnet sich eher durch eine nüchterne Selbstverständlichkeit aus. Seine Ufer säumen denn auch weniger Burgen als Werke des Bürgerfleißes. Er hat über weite Strecken auch keine auf Anhieb mitreißenden Landschaften zu bieten (und die direkten Anrainer sind vom Menschenschlag her auch nicht unbedingt charmant zu nennen), sondern man muss sich bewusst auf ihn und seine Umgebung – samt Bewohner – einlassen.

Ja, ihm geht eigentlich grundsätzlich jede Dramatik ab und bietet sich so nicht unbedingt von vornherein als Stoff für die „große“ Literatur an. Alexander Kaufmann (1817–1893), der Herausgeber der 1862 zu Köln [sic!] erschienenen „Mainsagen“ klagt deshalb nicht ganz unbegründet: „[…] so kann man nicht sagen, daß die Maingegenden je wie Sachsen, Schwaben oder in jüngster Zeit das Rheinland ein Centralpunkt unserer Kunstpoesie und Literatur gewesen wären. Uz, Jean Paul, Rückert, Platen sind große fränkische Namen, aber jeder ist eine Erscheinung für sich, von mächtigstem Einfluß auf das gesammte deutsche Leben, jedoch nicht so, daß sie in ihrer unmittelbarsten Nähe, an den Orten ihrer Wirksamkeit einen gerade die Heimath poetisch darstellenden Dichterkreis um sich gesammelt hätten. Wie ganz anders als vor ungefähr fünfzehn Jahren Simrock in Bonn seine Rheinsagen zusammenstellte. Ihm spendeten nicht allein Schiller, Göthe, Uhland, Tieck, Arnim, Chamisso, Platen; […]. Dem Sammler am Main bietet sich so wenig: Hätte er nur einmal den herrlichen Namen Göthe’s aufzuweisen, nur ein Gedicht von Schiller, Uhland, Platen, Chamisso!“ (Kaufmann, Mainsagen, S. XI)

In der Tat gehört der Main nicht unbedingt zu den meistbesungenen Flüssen des deutschen Sprachraums. Zu allem Überfluss stammt die einzige wirkliche Ode auf den Main dann auch noch aus der sichtlich nicht für die Dichtung prädestinierten Feder des schottischen Portraitmalers Andrew Geddes (1783–1844), dessen mit 24 Gedichtseiten durchaus opulentes Opus nicht nur den eher nichtssagenden Titel „The Banks of the Maine, a Poem in blank Verse.“ (London: Charles Dilly 1807) trägt, sondern auch entsprechend schmucklos dem Verlauf des Maines nachmäandert.

Dennoch – wie so vieles im Zusammenhang mit dem Main – entpuppt sich der Fluss auf den zweiten Blick dann doch als veritable Literaturlandschaft, die Friedrich Rückert (1788–1866) mit den treffenden Worten „Vom Jeanpaul’schen Bareut [!] bis hinan zum Göthischen Frankfurt […] in Mitten des Laufs, wo mich geboren der Main“ umreißt und somit Kaufmanns Worte zumindest ein kleines bisschen Lügen straft. So haben zahlreiche Dichter und Schriftsteller an den Ufern des Mains das Licht der Welt erblickt, sind also sozusagen mit Mainwasser getauft, wie eben Conrad Celtis (1459–1508), Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Friedrich Rückert, Max Dauthendey (1867–1918), Leonhard Frank (1882–1961), Erhart Kästner (1904–1974), Paul Maar (geboren 1937) und Klaus Gasseleder (geboren 1945).

Einschlägige Werke dieser Autoren werden im ersten Teil dieser Ausstellung gezeigt. Erheblich länger ist die Liste der Literaten, die an den Ufern des Mains gewirkt beziehungsweise diese besungen haben. Selbst auszugsweise kommt man um Namen wie die von Jean Paul Friedrich Richter (1763–1825), Heinrich von Kleist (1777–1811), August Graf von Platen (1796–1835), Karl Immermann (1796–1840), Theodor Fontane (1819–1898), Joseph Victor von Scheffel (1826–1886), Italo Svevo (1861–1928), Hermann Hesse (1877–1962), Kurt Tucholsky (1890–1935), Eugen Roth (1895–1976) oder Robert Gernhardt (1937– 2006) nicht herum, die allesamt mit ihren „mainworks“ im zweiten Teil kurz vorgestellt werden.

Im dritten Teil werden schließlich die Werke präsentiert, die sich inhaltlich zum größten Teil beziehungsweise ausschließlich dem Main widmen, wozu vor allem die bedeutenden (Main-)Reiseführer des 19. Jahrhunderts von Gustav von Heeringen (1800–1851) und Ludwig Richter (1803–1884), Karl Dittmarsch (1819–1893) sowie von Ludwig Braunfels (1810–1885) und Fritz Bamberger (1814–1873) zählen, die sich damals offensichtlich darum bemühten, einen Maintourismus aufzubauen und zu befördern.

Ähnlich ausgerichtet, nur eben dezidiert literarisch, dürfte wohl auch die Sammlung von „Mainsagen“ einzuschätzen sein, die Alexander Kaufmann (1817–1893) in Anlehnung an die berühmten Rheinsagen-Sammlungen zusammenstellt hat.

Jeder literarisch halbwegs Gebildete könnte sofort eine Reihe von Namen literarischer Größen nennen, die biografisch beziehungsweise werkgeschichtlich auf die eine oder andere Weise mit dem Main oder der Region verbunden sind, als da wären etwa der vielleicht in Würzburg begrabene Walther von der Vogelweide (gestorben um 1230), der Schweinfurter Dichter und Diplomat Johannes Cuspinian (1473–1529), der geniale Friedrich Hölderlin (1770–1843), die beiden „fränkischen Pfingstreisenden“ Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773–1798) und Ludwig Tieck (1773–1853), der in Bamberg wirkende E. T. A. Hoffmann (1776–1822), der unter seinen „Rheinmärchen“ auch ein durchaus umfängliches Maingedicht verbergende Clemens Brentano (1778–1842), die unter anderem auch Mainorte beschreibende Ricarda Huch (1864–1947), der Rienecker Friedrich Schnack (1888–1977), der mainfränkische Schriftsteller Leo Weismantel (1888–1964) oder der in Haßfurt lebende Kirchenkritiker Karlheinz Deschner (geboren 1924). Das Fehlen eines Teiles der obengenannten Namen ergibt sich einfach aus der sachlich begründeten Unmöglichkeit einer Vollständigkeit oder weil sich ein Mainbezug in Leben und/oder Werk nicht eindeutig genug herstellen ließ.

MAINUNGEN – der Main und die Literatur. Eine Ausstellung des Kulturamtes der Stadt Schweinfurt in Zusammenarbeit mit Rückert-Gesellschaft, Stadtarchiv und Museum Otto Schäfer. Museum Otto Schäfer 17. März bis 14. Juli

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Clemens Brentano
Conrad Celtis
Eugen Roth
Friedrich Hölderlin
Friedrich Rückert
Heinrich von Kleist
Hermann Hesse
Jean Paul
Johann Wolfgang von Goethe
Karl Leberecht Immermann
Kurt Tucholsky
Leonhard Frank
Max Dauthendey
Museum Otto Schäfer
Paul Maar
Ricarda Huch
Robert Gernhardt
Rudolf Kreutner
Stadt Schweinfurt
Theodor Fontane
Walther von der Vogelweide
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top