
Im vergangenen Sommer machte der Gerolzhöfer Erich Pfister einen ungewöhnlichen Fang: einen Waschbären. Glücklich war er damit nicht unbedingt, denn eigentlich wollte er mit Lebend-Falle, die er in einem Gebüsch in der Nähe des Friedhofs versteckt hatte, Kaninchen erwischen, die die Gräber heimsuchten. Dennoch war es für den Jäger eine Premiere – ein Waschbär war ihm zuvor weder vor die Flinte gelaufen noch hatte er jemals einen gefangen.
Völlig überrascht war Pfister dennoch nicht, dass ihm ein solcher Exot in die Falle tappte. „Bereits vor 25 Jahren, ich hatte gerade als Jäger begonnen, wurde in der Rügshöfer Straße in Gerolzhofen, in der Scheune von Georg Riedel, ein Waschbär erlegt. Außerdem finde ich in meinem Jagdrevier regelmäßig Spuren von Waschbären“, sagt er.
Den am Gerolzhöfer Friedhof gefangenen Waschbären ging es nicht an den Pelz: Nach Rücksprache mit Förster Volker Conrad wurde er im Bürgerwald ausgesetzt. In freier Wildbahn hat Conrad bisher auch nur einen Waschbären gesehen: „Einmal ist mir einer durch das Scheinwerferlicht geflitzt“, sagt der Förster. Waschbären sind nachtaktiv und nicht gerade auf Begegnungen mit Menschen aus.
Wälder mit alten, hohlen Bäumen, versteckten Winkeln, Tümpeln und Bachläufen sind ideale Lebensräume für den kleinen Jäger, der sich erst ab dem 20. Jahrhundert in Deutschland verbreitete (siehe Infobox). Doch als Kulturfolger scheut der Waschbär auch von Menschen besiedelte Gebiete nicht. „Der Allesfresser hat herausgefunden, dass es leicht ist, sich aus Gärten und Mülltonnen zu bedienen“, erklärt Förster Conrad. In der Stadt Kassel beispielsweise haben sich Waschbären derart vermehrt, dass die Bewohner sie längst als Plage empfinden, weil sie sich beispielsweise auf Dachböden, in Garagen und Schuppen breitgemacht haben.
Martin Rügamer, Vorsitzender der Hegegemeinschaft Gerolzhofen, weist noch auf eine andere Seite des putzigen Pelztieres hin: Der Waschbär ist ein Nesträuber. „In den Reihen des Niederwilds hinterlässt er ganz ordentlichen Schaden. Er plündert beispielsweise die Gelege von Fasanen und Rebhühnern, die ohnehin in ihrem Bestand bedroht sind.“ Da Waschbären gut klettern können, sind auch Vogelnester in Bäumen vor ihm nicht sicher.
Dennoch: Waschbären sind im Raum Gerolzhofen bislang so selten, dass weder Jäger noch Naturschützer sie als Bedrohung sehen. Im gesamten Landkreis Schweinfurt wurden nach Angaben der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt im Zeitraum 2009/10 nur zwei Waschbären von Jägern erlegt oder gefangen (darunter das Exemplar in Gerolzhofen; das zweite Tier wurde in Löffelsterz erlegt). Auch in den Jahren zuvor, bis 2004, verzeichnet die Jagdstrecke maximal sechs Waschbären pro Jahr, meist waren es ein oder zwei Exemplare. 2004/05 wurde ein Tier in Egenhausen erlegt, 2006/07 zwei Waschbären in Schwanfeld, 2008/09 einer in Brebersdorf. 2007/08 tauchte kein Waschbär in der Jagdstrecke auf. 2006/07 sticht mit sechs Waschbären hervor: vier in Hergolshausen, je einer in Tugendorf und Obbach.
Häufiger kommen Vertreter der Spezies im westlichen Unterfranken, an der Grenze zu Hessen, vor (vergleiche Grafik).
Während der Waschbär in ganz Bayern – trotz eines in den letzten Jahren deutlich gewachsenen Bestands – keine große Rolle spielt, weist eine Statistik, die Förster Volker Conrad zitiert, für das Jahr 2009 deutschlandweit 52 000 erlegte, gefangene oder von Autos überfahrene Waschbären aus, davon allein 16 000 Tiere in Hessen. Und das, obwohl Waschbären als nicht jagdbares Wild gelten, Jäger sie also kaum gezielt aufs Korn nehmen.
Natürliche Feinde hat der Waschbär bei uns kaum. Allein der seltene Uhu hat es auf ihn abgesehen, dazu kommt der Waschbär-Bandwurm, der für die Tiere gefährlich ist.
Der Waschbär – ein Einwanderer
Seit den 20er Jahren gibt es Waschbären in Deutschland. Damals begann man, sie in Pelzfarmen zu züchten. Der Waschbär gehört zur Gruppe der Kleinbären. 1934 wurden zwei Paare am hessischen Edersee von einem Forstamt ausgewildert – „zur Bereicherung der heimischen Fauna“. 1945 kam eine zweite Population aus Brandenburg hinzu, als nach einem Bombentreffer Tiere aus einem Tierpark flohen.
Ganz Deutschland erobert: Seitdem hat sich der Waschbär, der aus Nord- und Mittelamerika stammt, als Neozoon (als Tierart, die durch menschliches Zutun in einem Lebensraum eingebürgert wurde) über ganz Deutschland verbreitet. Ein Schwerpunkt seines Verbreitungsgebiets liegt im Dreiländereck Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In Bayern kommen Waschbären vor allem im westlichen Unterfranken vor.
Woher der Name kommt: Der Waschbär verfügt über einen hoch entwickelten Tastsinn. Insbesondere im Wasser kommt ihm dies zugute. Gefundenes Futter wird herausgehoben und ausgiebig befühlt – es sieht so aus, als würde es gewaschen. Von diesem Verhalten leitet sich auch der Name des Tieres ab. Als Allesfresser stehen auf dem Speiseplan des Waschbären Regenwürmer, Mäuse, Frösche, Insekten, Ratten, Igel sowie Eier, Enten, Hühner und Fische. An pflanzlicher Kost frisst er Obst, Wildfrüchte, Eicheln, Bucheckern und Nüsse.