Nach dem informativen Vortrag von Dr. Rainer Dvorak, Direktor der Domschule in Würzburg und ehemaliger Ökumenereferent der Diözese Würzburg, zum Stand der ökumenischen Beziehungen zwischen evangelischer und katholischer Kirche entwickelte sich in der Johanniskapelle unter den Besuchern eine rege Diskussion.
Früher war alles einfacher. Zumindest auf dem ersten Blick. Da gab es klare Klischees, wie man die beiden Konfessionen leicht auseinanderhalten konnte. Katholiken, das waren die, die an die unbefleckte Empfängnis glaubten, monoton den Rosenkranz herunterbeteten, mit Weihwasser spritzten und auf Wallfahrt gingen. Und die Evangelischen waren die mit den langen Predigten im Gottesdienst, mit Tageslosung, Posaunenchor und langen, schwarzen, bis auf das Beffchen schmucklosen Talaren, unter den auch weibliche Pfarrer sich gut verbergen konnten.
Ansätze zu Ökumene schon 1910
Ein privater Kontakt zwischen Katholisch und Evangelisch war vor 40, 50 Jahren eher die Seltenheit. Und wenn zwei Verliebte aus unterschiedlichen Konfessionen sich gegen den massiven Widerstand ihrer Familien doch zur Ehe entschlossen, konnte dies oft genug zu wahren Tragödien führen, mit tiefen seelischen Verletzungen, die bis heute nachwirken.
Dabei hatte es erste ökumenische Bewegungen schon um das Jahr 1910 gegeben, berichtete Dvorak. Triebfeder war die christliche Mission in Übersee, wo man vor Ort schnell erkannte, dass es wahrlich kein gutes Bild abgibt, wenn man sich untereinander streitet. Allerdings stand die katholische Kirche den ersten internationalen ökumenischen Konferenzen distanziert gegenüber. Denn alles, was nicht katholisch war, galt als abgefallen von der wahren Kirche Christi. Und so habe die katholische Kirche, so Dvorak, lediglich eine „Rückkehr-Ökumene“ angestrebt.
Kehrtwende durch Konzil
Die sich ab dem Jahr 1928 abzeichnende Kehrtwende auf katholischer Seite wurde durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) verdeutlicht. Papst Johannes XXIII. rief dazu auf, mitzuhelfen, die Einheit aller Christen wiederherzustellen und mit Eifer am ökumenischen Werk teilzunehmen. Denn: Was uns eint, ist stärker, als was uns trennt. Johannes Paul II. bekräftigte 1995 nochmals diesen Standpunkt. „Aus einem konkurrierenden Gegeneinander war ein wohlwollendes Miteinander geworden“, sagte Dvorak.
Danach wurden von zahlreichen Arbeitskreisen Unmengen an Papier produziert. Intensiv wurde von offiziellen Vertretern beider Konfessionen (dazu gehörten später auch der Gerolzhöfer Pfarrer Reiner Apel und Rainer Dvorak) über Trennendes und Gemeinsames diskutiert.
Einer der Knackpunkte: die Rechtfertigungslehre. Nach lutherischer Ansicht kann der Mensch sein Heil nicht mehr von sich aus erlangen, schon gar nicht erkaufen. Nur Glaube und Vertrauen auf Gott bringen allein aus Gnade das Heil. Im Gegensatz zu dieser rein passiven Grundhaltung vertreten die Katholiken die Ansicht, dass ein gutes Werk hier durchaus dienlich und förderlich sein kann.
Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, unterzeichnet am Reformationstag 1999, wurde zum zentralen Dokument der ökumenischen Bewegung, das einen Konsens zwischen dem Lutherischen Weltbund, der römisch-katholischen Kirche und dem Weltrat methodistischer Kirchen ausdrückt. Ihr Wortlaut: „Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade.“
Das Spannungsfeld der Rechtfertigungslehre ist übrigens ein wichtiger Bestandteil der fünften Szene beim Gerolzhöfer Wandeltheater, wenn sich Martin Luther und Julius Echter im Spitalgarten bei Bier und Frankenwein zu einem hochgeistigen Tischgespräch treffen.
Doch wie ist der Stand der Ökumene heute? Wie ist das Miteinander im Alltag? Bei der abschließenden Diskussion wurde deutlich: Gläubigen wurden früher von Kindesbeinen an durch ihre Konfession geprägt. Hier der sinnliche Katholizismus, dort der eher verkopfte Protestantismus. Hier üppig warm, dort nüchtern. „Heutzutage erleben wir hier eine Vermischung“, meinte Rainer Dvorak. „Die Religiosität vagabundiert.“ Der Mensch bastele sich aus Einzelteilen etwas Eigenes zusammen, eine Art Patchwork-Religion. Die konfessionellen Identitäten seien nicht mehr klar erkennbar. Man spüre auf evangelischer Seite noch gewisse Minderwertigkeitsgefühle, sagte Dvorak. „Es ist die Angst vor dem Ersticken durch Umarmen.“ Zudem seien die Fortschritte bei der Ökumene noch zu wenig bekannt, um Wirkung entfalten zu können.