Die Beziehung zum edel gebogenen Blech, mit dem man musikalischen Wohlklang erzeugen kann, währt für Wolfhart Berger beinahe so lange, wie sein Alter Lebensjahre zählt. „Als ich ungefähr drei Jahre alt war, 1952, begann mein großer Bruder mit dem Posaunespielen“, erinnert er sich.
In Bad Brückenau war das und der große Bruder war wirklich ein solcher, weil neun Jahre älter. Der hatte sich dem örtlichen Posaunenchor angeschlossen, aber nicht nur das war sein Steckenpferd, sondern auch bei der Fußballjugend als Torwart zwischen den Pfosten zu stehen. Zeiten, in denen die Posaune des Bruders unbewacht zuhause stand und die Neugier und Endeckerfreude des Kleineren weckte. „Aber eine Posaune und ein drei- bis fünfjähriger Junge sind nicht wirklich kompatibel“, räumt Berger ein.
Eigentlich und heimlich hätte er lieber Klavier lernen wollen, doch der Vater machte ihm klar, dass man nicht zur klavierbesitzenden Klasse gehöre, weshalb er zur Einschulung, inzwischen mit der Familie nach Schweinfurt gezogen, auch mit einer Blockflöte vorliebnehmen musste. Eifer wird belohnt – zum Beispiel mit einem Flügelhorn. 1958 war es soweit, mit dem neuen Flügelhorn stand der lebenslangen Liebe zum Gebläse nichts mehr im Weg. Sein Bruder Günther nahm ihn mit in den Schanzen-Kindergarten, in dem der Schweinfurter und Sennfelder Posaunenchor damals gemeinsam probten. Schon bald war er – weil der mit Abstand Jüngste – nicht nur mehr das „Maskottchen“ des Chores, sondern dank seiner Begabung auch „musikalische Feuerwehr“, die in allen Stimmlagen aushalf.
Eine Beziehung, die gehalten hat
Seit 60 Jahren gehört Wolfhart Berger dem Posaunenchor an, wobei „angehören“ kaum ausdrückt, was er in all diesen Jahren dort bewegt hat. Nicht in allen, versteht sich, denn aus dem kleinen Trompeter war inzwischen ein junger Mann geworden, der mit Bundeswehr, Studium von Germanistik, Geschichte und Sozialkunde sowie der Gründung einer Familie auch ein weniger musikalisches Triumvirat zu stemmen hatte.
Nach Ende des Studiums, seine frisch angetraute Ehefrau hatte ihm – wohlwissend was auch wichtig ist im Leben – eine Trompete geschenkt, kehrte er zurück in die „inneren Kreise des Chores“.
Gleichzeitig hatte er auch wieder begonnen, anspruchsvollere Musik zu machen, was ihn mit namhaften musikalischen Partnern zusammenbrachte. Ende der 70er-Jahre entschloss er sich, Dirigierlehrgänge des Posaunenchores zu besuchen, da er ab und an den damaligen Posaunenchorleiter Hermann Heinemann zu vertreten hatte. Als er 1984 die Leitung des Posaunenchores offiziell übernahm, war er schon monatelang inoffiziell Leiter, da der amtierende Chorleiter krank geworden war. Anfangs ein „ungeliebtes Amt“, wie er gesteht, hatte er doch gerade wieder als Trompeter in der Schweinfurter Musikszene Fuß gefasst. Eine schwere Entscheidung, auch künftig in erster Linie nicht mehr Musiker, sondern Dirigent zu sein.
35 Jahre sind es heuer, die der 69-Jährige die Chorleitung innehat und beispielsweise das Weihnachtsblasen auf dem Schweinfurter Marktplatz – wohl die bekannteste Veranstaltung des Posaunenchores – dirigiert. Die ersten Jahre, so erinnert er sich, waren durchaus Konsolidierungsarbeit. Die anderen musikalischen Ambitionen des Pädagogen, der 2011 als Oberstudienrat aus dem Schuldienst des Alexander-vonHumboldt-Gymnasiums in den Ruhestand ging, mussten zurückstehen.
Wolfhart Bergers Herz schlägt auch für den Jazz. Als Gast hat er mit der Kirchenband „Jericho“ eine Langspielplatte und eine CD aufgenommen. Im Herbst 1986 kam er durch Philip Benson, einen amerikanischen Posaunisten und Musiklehrer, der ein Jahr in Deutschland weilte, zu einer weiteren exotischen musikalischen Abwechslung. Im Recreation Centre der amerikanischen Community wurde das Musical „Oklahoma“ aufgeführt, wofür ein Orchester zusammengestellt wurde. Im Sommer 1989 kam eine weitere Spielwiese dazu – die Big-Band an seiner Schule, dem Humboldt-Gymnasium.
2019 wird der evangelische Posaunenchor Schweinfurt 100 Jahre alt. 100 Jahre klingendes Lob des Herrn – und alle wünschen sich, dass Wolfhart Berger wieder vorne steht und den Takt angibt.