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REGION STEIGERWALD
Der Steigerwald kann stolz sein
Freuten sich über die Aufnahme der „Bäuerlichen Gemeinschaftswälder im Steigerwald“ in die bayerische Landesliste des Immateriellen Kulturerbes bei einem Festakt in Schleißheim (von links): Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak als Vertreter des Gemeinsamen Bürgerwaldes Gerolzhofen-Dingolshausen, Oberschwarzachs Bürgermeister Manfred Schötz als Vertreter der Waldgenossenschaft Kammerforst, die stellvertretende Landrätin des Landkreises Schweinfurt, Christine Bender, und Johannes Pfister (Kammerforst).
Foto: Stadt Gerolzhofen | Freuten sich über die Aufnahme der „Bäuerlichen Gemeinschaftswälder im Steigerwald“ in die bayerische Landesliste des Immateriellen Kulturerbes bei einem Festakt in Schleißheim (von links): Gerolzhofens ...
Norbert Vollmann
 und  Sabine Weinbeer
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:45 Uhr

Nicht nur Gebäude und Denkmale, sondern auch Kulturformen und Traditionen, sind Kulturerbe. Die Unesco hat dies erkannt und 2003 begonnen, ein Verzeichnis mit Beispielen immateriellen Weltkulturerbes angelegt. Inzwischen wird es auch in Deutschland und in den Bundesländern geführt. Seit Dienstagabend gehören auch die „Bäuerlichen Gemeinschaftswälder im Steigerwald“ dazu, darunter der Gemeinsame Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen, die Waldgenossenschaft Kammerforst und die Rechtlerwälder der Gemeinde Rauhenebrach.

Zum Zweiten ist der Steigerwald mit der Dörrobstherstellung und der dazugehörigen Baumfelderwirtschaft in Fatschenbrunn unter den Neuaufnahmen in das Bayerische Landesverzeichnis nach dem Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes vertreten, „das Bayern so unverwechselbar macht“, wie Bayerns Wissenschafts- und Kunstministerin Marion Kiechle beim Festakt im Neuen Schloss Schließheim betonte.

Zwölf Neuaufnahmen

Zwölf neue kulturelle Ausdrucksformen hat die achtköpfige Experten-Kommission im Freistaat in die bayerische Liste aufgenommen. Sie werden allesamt als Bewerber für das Bundes-Register weitergemeldet, kündigte die Ministerin an. Sie würdigte den Einsatz der „vielen Menschen, die sich in der Heimat verwurzelt fühlen. Indem sie unser immaterielles Kulturerbe mit Leben erfüllen, wird auch die Weitergabe an künftige Generationen gesichert“.

Das 2015 eingerichtete bayerische Landesverzeichnis schafft nach Aussage der Ministerin „eine angemessene Plattform für den Reichtum an Kulturformen in Bayern“. Es zählt mit den Neuaufnahmen nun 37 Einträge von der Kinderzeche Dinkelsbühl bis hin zu den Bäuerlichen Gemeinschäftwäldern und den Fatschenbrunner Hutzeln im Steigerwald. Professor Daniel Drascek, Vorsitzender der Auswahlkommission, stellte die zwölf Neuaufnahmen in Bayern in Schleißheim vor.

Am Anfang stand die Nationalparks-Diskussion

Zur Erinnerung: In den Jahren 2015 und 2016 war auf dem Höhepunkt der Diskussion um die Ausweisung eines Nationalparks und der Erlangung des Unesco-Welterbetitels für die Buchenwälder im Nordsteigerwald von einem Fachbüro eine Kulturlandschaftsinventarisierung des Steigerwaldes durchgeführt worden.

Ziel der am Ende 500 Seiten dicken Erhebung war unter anderem die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Anmeldung als Unesco-Weltkulturerbe oder als immaterielles Kulturerbe bestehen. Aufgrund der vielfältigen Kulturlandschaft des Steigerwalds war schließlich neben der Dörrobstherstellung und den Bürgerwehren allen voran den bäuerlichen Gemeinschafts- und Rechtlerwäldern Chancen als immaterielles Kulturerbe eingeräumt worden.

Die Bäuerlichen Gemeinschaftswälder

Unter solche bäuerlichen Gemeinschaftswälder fallen die vorhandenen altrechtlichen Waldkörperschaften, die Rechtlerwälder, der mit Rechten belastete Staatswald und die Waldgenossenschaften. Es geht also um die Würdigung einer mehrere Jahrhunderte alten Tradition im Steigerwald, die eng mit Mensch und Landschaft verbunden ist. Eine Unterschutzstellung der Gemeinschaftswälder ist mit dem immateriellen Kulturerbe-Siegel nicht verbunden, es ist eine symbolische Anerkennung.

Neben dem auch als „Nutz“ bekannten, 1473 erstmals schriftlich erwähnten Gemeinsamen Bürgerwald Gerolzhofen-Dingolshausen, der Waldgenossenschaft Kammerforst und den Waldgenossenschaften auf dem Gebiet der Gemeinde Rauhenebrach (Geusfeld, Prölsdorf, Theinheim), waren ferner der Güterwald von Willanzheim, der Schlüsselfelder Bürgerwald, die Rechtlerwälder des Marktes Burghaslach, der Gemeinde Gutenstetten und der Gemeinde Ergersheim, der Bullenheimer und Weigenheimer Rechtlerwald sowie der Iphöfer Stadtwald zusammengefasst worden.

Die Pflege alter Traditionen

Losgelöst von der historischen Waldbewirtschaftungsform werden in diesen Wäldern nach wie vor Jahrhunderte alte, überlieferte Techniken der Vermessung, des Einschlags sowie der Verteilung des Holzes (etwa über Losverfahren) ausgeübt. Hierzu gehört auch die feierliche Zusammenkunft in Rathäusern oder traditionsreichen Gaststätten zum Beispiel im Anschluss an die Holzvergabe.

Mit dem Überbegriff „Bäuerliche Gemeinschaftswälder“ lassen sich letztendlich gemeinschaftlich bewirtschaftete Wälder zusammenfassen, die jedoch hinsichtlich ihrer Bewirtschaftungsweise und ihrer Rechtsform ganz unterschiedlicher Natur sein können. Sie schließen Rechtlerwälder, das heißt mit Gemeindenutzungsrechten belastete Kommunalwälder, Waldgenossenschaften (öffentlich-rechtliche Waldkörperschaften) und altrechtliche Waldkorporationen mit ein. Jüngster Entwicklungsschritt ist die Gründung von Waldgenossenschaften privaten Rechts.

Der „Nutz“

Ein herausragendes Beispiel für altrechtliche bäuerliche Waldgesellschaften gilt in diesem Zusammenhang der heute in Kommunalbesitz stehende „Nutz“, der rund 800 Hektar große gemeinsame Bürgerwald von Gerolzhofen und Dingolshausen.

In Schleißheim freuten sich über die Aufnahme der „Bäuerlichen Gemeinschaftswälder im Steigerwald“ in die bayerische Landesliste des Immateriellen Kulturerbes Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak und Revierleiter Volker Conrad als Vertreter des Gemeinsamen Bürgerwaldes Gerolzhofen-Dingolshausen, Oberschwarzachs Bürgermeister Manfred Schötz und Johannes Pfister als Vertreter der Waldgenossenschaft Kammerforst, die stellvertretende Landrätin des Landkreises Schweinfurt, Christine Bender, sowie für die Gemeinde Rauhenebrach Bürgermeister Matthias Bäuerlein und Haßberge-Landrat Wilhelm Schneider.

Die Praxis im Güterwald dargestellt

Sehr anschaulich hatten zuvor auf der Bühne Willanzheims Bürgermeisterin Ingrid Reifenscheid-Eckert und der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Uffenheim, Ludwig Albrecht, als besonderes Beispiel dargestellt, wie in traditioneller Weise mit Stangen die gleich großen Felder im Güterwald festgelegt, ihr Holzwert eingestuft und schließlich die Lose vergeben werden.

Franz Hümmer, seiner Tochter Hannah, Schwiegertochter Ruth und dem Fatschenbrunner Imker Karl Stapf war es vorbehalten, auf der Bühne die Hutzelherstellung und die Bedeutung der über 300 Birnbäume in der Fatschenbrunner Flur zu erklären und aus den Händen der Ministerin die offizielle Urkunde entgegen zu nehmen. Stolz applaudierten im Publikum dazu Landrat Wilhelm Schneider, Oberaurachs Bürgermeister Thomas Sechser und Dritte Bürgermeisterin Sabine Weinbeer.

Die „Preisträger“ gestalteten an diesem Abend quasi ihr eigenes Rahmenprogramm, ob durch die Stoffenrieder Schäfermusik, die Rodler Musi aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen, den Trachtenverein Stadeln (Fürth) mit einem Volkstanzauftritt oder mit einer Szene aus den Agnes-Bernauer-Festspielen.

Hutzeln für Robert Neugirg

Allerhand Kostproben gab es auch, so hatten die Oberpfälzer zwei Fässer ihres Kulturerbe-Zoigl-Bieres mitgebracht. Franz Hümmer hatte Hutzeln in verschiedenen „Aggregatszuständen“ dabei, vom Hutzelbrot bis zum Hutzelschnaps. Den ersten davon bekam Norbert Neugirg eingeschenkt. Der Kommandant der „Altneihausner Feierwehrkapell'n“ gehörte zur Zoigl-Delegation und gab einen frechen Limerick auf Hutzelschnaps und Oberpfälzer Bier zum Besten.

Mit der Verleihung der entsprechenden Urkunde bei einem Festakt in Schleißheim wurde nun die Fatschenbrunner Hutzelkultur in das bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen. Das Bild zeigt (von links): Hannah Hümmer, Ruth Hümmer-Hutzel, Moderatorin Traudl Siferlinger, Wissenschafts- und Kunstministerin Marion Kiechle, Franz Hümmer und Karl Stapf.
Foto: Sabine Weinbeer | Mit der Verleihung der entsprechenden Urkunde bei einem Festakt in Schleißheim wurde nun die Fatschenbrunner Hutzelkultur in das bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen.
 
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