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Schweinfurt
Der Sensenmann und das göttliche Wunder
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 24.02.2023 02:35 Uhr

Kränklich sieht sie aus, die Gestalt, die sich in leicht zerlumpter Kleidung am vernebelten Bühnenrand auf eine Bank legt, den Hut über dem Gesicht. Ein Totenmarsch à la New Orleans (Musik: Thomas Unruh), allerdings mit eindeutig bayerischem Einschlag, lässt den Mann erwachen und eine Liste zücken.

Aufgerufen wird Theaterseele Reihe zwölf, Platz drei: Sie will sich der Boandlkramer, der Sensenmann, schnappen, weil ihre Zeit abgelaufen ist und sie in Himmel oder Hölle einfahren soll. "Wir seh'n uns noch, garantiert!" wird auch gleich zum Spruch des Abends, an dem die Württembergische Landesbühne Esslingen die Bühnenadaption des Vilsmaier-Films "Der Boandlkramer und die ewige Liebe" direkt nach der Esslinger Uraufführung in Schweinfurt präsentierte.

Recht gut gefüllt ist das Evangelische Gemeindehaus, groß sind die Erwartungen, hat doch einerseits die Filmkomödie von sich reden gemacht, andererseits der Stoff eine urbayerische Tradition, die ins 19. Jahrhundert zurück reicht. Der Tod verliebt sich im Rahmen eines Auftrags in Gefi, die junge Mutter der Zielperson Maxl. Schwer gefühlsverwirrt, liefert er vor Mitleid statt Maxl den Gigolo Gumberger im Himmel ab und richtet damit ein rechtes Durcheinander in der göttlichen Buchführung an. Chaos allerorten, jede Menge komischer und tragischer Spielsituationen, doch schließlich mündet das Ganze in ein göttliches Wunder.

Eine einzige, aber multifunktionale Kulisse

Regisseur Christoph Biermeier und Bühnen- und Kostümbildnerin Claudia Rüll Calame-Rosset beschränken sich auf eine einzige, aber multifunktionale Kulisse. Lediglich die Front eines Gebäudes mit zwei großen Torbögen, über denen eine Rosette prangt, ist zu sehen. Lichtprojektion füllt die Rosette mit bildhaften Andeutungen, die die Eingänge von Himmel und Hölle, einen Bahnhof, eine Kneipe oder eine Kirche assoziieren lassen. Verortet ist das Spiel im Nachkriegsdeutschland der 1950er-Jahre: Im Dorf wartet man auf die Heimkehr von Kriegsgefangenen aus Russland.

Hauptdarsteller Christian Alexander Koch als Boandlkramer entlockt seiner Rolle virtuos und auf beeindruckende Weise alle Facetten, ist naiv, treuherzig und tolpatschig ebenso wie clever, auch als Pantomime und Tänzer überzeugend. Vor allem aber bringt er authentische bayerische Sprachfärbung mit. Die nimmt man anderen Darstellern nicht im Geringsten ab, im Gegenteil: Bei Gesine Hannemann als Bräutigam-Mutter wirkt der Versuch, landestypische Dialekte anzuwenden, eher peinlich. Bei den schrill und unbegründet exaltiert auftretenden Himmels- und Höllenpförtnerinnen verschwimmt die Sprachkunst gar zu einem internationalen, schwer verständlichen Kauderwelsch.

Oliver Moumouris als Teufel, aalglatt, arrogant, speiend vor Wut

Ganz stark hingegen Oliver Moumouris als Teufel, aalglatt, arrogant, speiend vor Wut, als seine Pläne nicht aufgehen. Markus Michalski als Gumberger unterrichtet den Boandlkramer gekonnt im Fach "Frauen-Verführen". Cathrin Zellmer als Mutter Gefi hat, inhaltlich bedingt, wenig Gelegenheit, ihrer Rolle Konturen zu verleihen.

Die Reaktionen im Publikum reichten von fröhlichem Jubel derer, die sich gut unterhalten fühlten, bis zu höflich anerkennendem Applaus bei gleichzeitigem Bedauern über 100 Minuten vergeudeter Lebenszeit – die Rezensentin zählt sich zu Letzteren.

 
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