
Ich bin dann mal weg: Auf einem bekannten Schwarzweiß-Foto von Bruce Barnbaum, „Chair and Shadow“, sieht man (fast) nichts. Nur einen Stuhl und Schatten im Convento San Miguel Arcangel bei Maní, ein halbverfallenes Franziskanerkloster auf Yukatan, gebaut aus den Trümmern von Maya-Architektur. Ein gutes Foto dokumentiert nicht das, was der Fotograf gesehen hat, sondern ist Ausdruck dessen, was er dabei empfunden hat. Das ist eine Quintessenz aus den Lehrbüchern des amerikanischen Fotokünstlers, „Die Kunst der Fotografie“ und „Die Essenz der Fotografie“.
Auf dem Stuhl saß in Barnbaums Vorstellung gerade der spanische Cellist Pablo Casals, hat Bach gespielt und den Schattenraum durch die halboffene Tür wieder verlassen. Eine Schülerin soll beim Anblick des Fotos geweint haben.
„Abstract“ sind die Analog-Fotos von Barnbaum, geboren 1943 und aufgewachsen in Granite Falls, Washington, der heute als Meister der Schwarzweiß-Fotografie gilt. Rüdiger Horeis, langjähriger Leiter des „SKF-Fotokreises“, kennt den Altmeister von einem Workshop und hat ihn nun nach Schweinfurt gebracht zum Mainfränkischen Fotofestival 2018. Vor ein paar Jahren war Barnbaum schon mal bei Horeis und dessen „Schwarz/Weiß-Arbeitsgemeinschaft Süd“ in Gochsheim.
Gut besucht ist der Vortrag in der Rathaushalle, vom Schwanfelder Fotokreis bis zu den „SKFlern“ ist die Szene vertreten. Wer im Raum fotografiert analog, wer digital? Die „Digis“ sind in der Überzahl. „Wer einen Stift hat, ist noch kein Schriftsteller“, gibt Barnbaum dem digitalen Zeitalter mit auf den Weg , „wer eine Kamera hat, noch kein Fotograf.“ Schwarzweiß arbeitet er buchstäblich analog, kratzt schon mal in Negative, taucht sie in Chemie, bis die Effekte stimmen: bei einem Chip eher nicht zu empfehlen. Der Autor lässt das Publikum auf die ausgestreckten Hände blicken. Ein Menschenauge sehe sie völlig anders als ein Kameraobjektiv: „Du musst hinter der Kamera auf das Licht schauen.“
Seit 40 Jahren Fine-Art-Fotograf
Der weißbärtige, bedächtige Fine-Art-Fotograf mit der ruhigen Stimme komponiert Bilder seit über 40 Jahren. Angefangen hat es als Hobby, bei Wanderungen in der Sierra Nevada. Der gelernte Mathematiker hat zunächst an Raketenlenksystemen gearbeitet, die präzisen Flugkurven dann mit „Lichtstufen“ und Brennweiten vertauscht. Seine Fotomodelle sind in erster Linie die grandiosen amerikanischen Naturlandschaften in Montana, Utah, Kalifornien: Dünen, Höhlen, bizarre Felsformationen, Pflanzen, 5000 Jahre altes Mammutbaumholz. Nebenbei: „Es gibt mehr Deutsche, die unseren Westen kennen, als Amerikaner, einschließlich unseres Präsidenten.“
Es sind einfache, aber magische Arrangements aus Licht und Schatten, die nicht auftrumpfen wollen. Aber den Betrachter in der Bilderflut der Moderne zwingen, wieder genauer hinzuschauen, sich auf ungewöhnliche Perspektiven einzulassen. Auch im Rathaus sollen die Besucher nach vorne kommen, näher zu den Fotodrucken, darunter einige „Wiederentdeckungen“ aus den 70ern. Wasserfälle und Wolkentürme wirken minimalistisch, wie japanische Tuschezeichnungen. Eine Canyonlandschaft wird durch feinste Kontraste zu einer Art Dürerstich, ebenso Eichenlaub in Utah. Bei einem „Fragezeichen-Farn“ hat Barnbaum störendes Gras auf dem Negativ wegretuschiert. Eine Nebellandschaft zeigt wenig, bis das Auge Details enthüllt.
Oft sind es regelrecht Rätselbilder. Metallisch glänzende, wunderschöne Strukturen entpuppen sich als Kelp, sprich Seetang am Strand: „Im Original war es ein hässliches Grün“. Bauwerke werden wieder Teil einer größeren Harmonie, ebenso eine kleine Glasschnecke. 45 Minuten hat Perfektionist Barnbaum gebraucht, bis er einen exakt quadratischen Blick auf Wolkenkratzer und eine Skulptur in Houston im Kasten hatte, von unten hinauf zum Himmel. Aber auch bei Barnbaum reicht der passende Blickwinkel allein nicht aus. Am Ende wird handwerklich gefachsimpelt, etwa über Probeausdrucke oder den (Un-)Sinn von Teststreifen.