
Plötzlich ist auch der Schriftsteller Miguel de Cervantes wegen angeblicher Gotteslästerung in die Fänge der spanischen Inquisition geraten. In einem Kerker in Sevilla wartet er mit seinem Diener Sancho auf seinen Prozess, umgeben von Dieben, Mördern und unliebsamen Zeitgenossen. Die durchwühlen erst einmal seine Habe, finden das Manuskript seines Romans, wollen es verbrennen. Um es zu retten, überredet Cervantes die Mitgefangenen, den Inhalt des Romans gemeinsam mit ihnen aufzuführen.
Das ist die Ausgangsposition des preisgekrönten Musicals "Der Mann von La Mancha" von Dale Wassermann aus dem Jahre 1965. Dazu kommt die Frage: Ist Don Quijote ein Narr, weil er unerschütterlich an die Gerechtigkeit glaubt und gegen das Böse in der Welt ins Feld ziehen will? Eine aktuelle Vorlage, aus der das Euro-Studio Landgraf eine beeindruckende, gleichzeitig kurzweilige Eigenproduktion mit einem ausgezeichneten Ensemble schuf, das im Schweinfurter Theater mit großem Applaus und Bravorufen gefeiert wurde.
Eine riesige LED-Wand fungiert als Bühnenbild, das zwischen friedlichem Sternenhimmel, lieblicher Landschaft, lodernden Flammen und düsteren Kerkermauern wechselt. Im Hintergrund sitzt die sechsköpfige Band (Leitung Heiko Lippmann), die durch sechs Schauspieler verstärkt wird, die nicht nur vorzüglich singen und spielen, sondern auch ein Instrument spielen können. Ein kluger Schachzug des Regisseurs Christian Stadlhofer.
Begeisterung bei den Schauspielern
Die Bühne wird beherrscht von großen Holztruhen, aus denen die Gefangenen ihre Kostüme und Requisiten entnehmen, um in die ihnen zugeteilten Rollen zu schlüpfen. Denn wir erleben hier ein in der Dramenhandlung verankertes Schauspiel auf der Bühne, die reizvolle Konstellation "Theater auf dem Theater".
Titeldarsteller Joachim Nimtz, großartig in Erscheinung und Spiel, verwandelt sich von Cervantes in den Landjunker Alonso Quijana, der als "Don Quijote de la Mancha" in die Welt ziehen will, um für das Gute zu kämpfen ("Ich bin ich" und "Er träumt den unmöglichen Traum"). Claus J. Frankl spielt den schlitzohrigen Sancho Pansa, der seinem verschrobenen Herrn treu dient ("Ich mag ihn"). Auch die Mitgefangenen spielen mit Begeisterung die Personen des Romans.
Mit Annika Bruhns hat die Produktion eine begehrte Musical-Darstellerin gewonnen. Als Aldonza bekennt sie freimütig: "Mir ist jeder recht" – doch für Don Quijote ist sie die Dame seines Herzens, das Ritterfräulein Dulcinea. Karen Bild (Don Quijote Nichte), Claudius Freyer (Dr. Carrasco und Wirt), Loic Damien Schlentz (Padre und José) und Maciej Bittner (Pedro und Haushälterin) bereichern mit ihrem facettenreichen Spiel das turbulente Geschehen.
Heimkehr nach skurrilen Abenteuern
Gleich zu Beginn greift unser verwirrter "Ritter von der traurigen Gestalt" eine Windmühle an, die er für seinen Todfeind, den Großen Magier, hält. Eine elende Schenke erscheint dem Fantasten als herrschaftliches Schloss, die Kellnerin Aldonza als Dulcinea. Die reagiert auf sein Werben zunächst unwirsch mit dem Song "Was will er nur von mir?" Doch weil er sie weiter als Dame behandelt, bittet sie ihn später, seinen "unmöglichen Traum" fortzusetzen.
Das tut Don Quijote mit Wonne: Einem Barbier schwatzt er das glänzende Bartbecken ab – jetzt ist er im Besitz des goldenen Helms des Mambrino, jetzt ist er unverwundbar und kann in den Kampf gegen die Ungerechtigkeit ziehen. Nach mehreren skurrilen Abenteuern kehrt er erschöpft nach Hause zurück, er liegt im Sterben, der Padre singt den Totenpsalm – das Spiel ist aus. Zurück in die Wirklichkeit des Kerkers: Ergriffen geben die Mitgefangenen Cervantes das Manuskript zurück, der wartet mit Sancho auf das Tribunal.
Die ersten Reihen im Zuschauerraum waren mit Schülerinnen des Olympia-Morata-Gymnasiums besetzt. Intendant Christof Wahlefeld hatte mit ihnen zuvor in der Schule das Thema "Wie entsteht Theater?" erörtert. Vor der Vorstellung gab er dem jungen Publikum eine Einführung in das Stück.