zurück
SCHWEINFURT
Der Mann, der in der Hölle war
Mit der Commedia wagte sich Hans Driesel nicht zum ersten Mal an sogenannte schwere Kost.
Foto: Martina Müller | Mit der Commedia wagte sich Hans Driesel nicht zum ersten Mal an sogenannte schwere Kost.
Bearbeitet von Horst Breunig
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:18 Uhr

Dante Alighieris „Göttliche Komödie“, seine Geschichte und die Geschichten um das gewaltige Werk, faszinieren offenbar auch noch heute. Schon eine halbe Stunde vor Beginn füllte sich der große Saal im Augustinum, wo Hans Driesel unter dem Titel „Der Mann, der in der Hölle war“, in großen Schritten durch die Commedia führte.

Dabei wagte er sich nicht zum ersten Mal an sogenannte schwere Kost. Dass diese leicht verdaulich daherkam, war sowohl der gesanglichen und musikalischen Begleitung durch „Diletto musicale“, dem in Großkrotzenburg beheimateten Ensemble für Frühe Musik, zu danken, als auch Petra Unger aus Mainz. Die Literaturkennerin und Leiterin der SWR-Bibliothek, brachte mit italienisch gesprochenen, auch toskanisch gefärbten Terzinen, zusätzliche Melodik in das Geschehen. Dante hätte sich gefreut.

Die Commedia, mit über 600 Personen bevölkert, umfasst 14 000 Verse. Man braucht einen langen Atem, das Werk lässt sich nicht wie ein Roman lesen, so Driesel. Vieles verbirgt sich hinter Symbolen und Metaphern. Der Dichter schildert die Welt – auch die Über- und Unterwelt – sowie das Weltgeschehen von der Antike bis zum hohen Mittelalter. Immer wieder findet der aufmerksame Leser Bezüge zum Hier und Jetzt.

Der Weg zum Himmel führt bei Dante über Hölle und Läuterungsberg. Nur wenige kommen ungeschoren davon. Selbst den unschuldig Schuldigen, den Ungetauften, den großen Geistern der Antike, die nie die Botschaft Christi vernahmen, ist der Himmel verschlossen. Sie büßen im Limbus, dem ersten Kreis der Hölle. Alexander Solschenizyns gleichnamiges Werk lässt grüßen.

Passend zu den einzelnen Stationen hatte der Leiter von „Diletto“, Berthold Mangelmann, stimmige Lieder und Musikstücke gesetzt, die das neunköpfige, bestens disponierte Ensemble, zu Gehör brachte. Ob es sich um ein Liebeslied zur tragischen Geschichte der Francesca von Rimini oder um ein mittelalterliches Trinklied zum in der Hölle einsitzenden Epikur handelte, Text und Musik ergänzten sich aufs Beste.

Stille beim Totentanz

Beklemmende Stille, als „Diletto“ einen Totentanz intonierte, zu dem hölzerne Klappern den knöchernen Rhythmus schlugen. Dann wieder fühlbares Schmunzeln bei dem Hinweis, dass sich in Dantes Hölle viele, einst hochgestellte Persönlichkeiten finden, was den Hochgestellten unserer Tage zu denken geben sollte.

Eine Überraschung erlebte das Publikum zu Beginn des zweiten Teiles mit Puccinis Opern-Ohrwurm „O mio babbino caro“, vorgetragen von Stefanie Herchet (am Flügel David Reß). Tatsächlich gibt es eine Verbindung der Opernhandlung zur Commedia, denn Puccinis Hauptprotagonist und Titelgeber der Oper, Gianni Schicchi, sitzt als kleiner Gauner im 9. Kreis der Hölle.

Die von Herchet glänzend interpretierte Arie, brachte Leichtigkeit in die Szene. Heiterkeit kam auf, als Petra Unger – bemerkenswert ihre Sprechkultur – die Geschichte um Testamentsbetrug und betrogene Betrüger erzählte.

Natürlich war das Publikum gespannt, ob Dante am Ende Gott schauen kann. Er darf ihn ahnen. Dass der Dichter unbeschadet durch Hölle und Läuterung gehen, die neun Planetensphären durcheilen durfte, verdankte er seinem Führer und Dichteridol Vergil. Drei „hohe Frauen“ hatten ihn geschickt: Die Gottesmutter, die Heilige Luzia und vor allem seine Fürsprecherin und Jugendliebe Beatrice. Grund für „Diletto“, dies zum guten Ende mit dem „Exultate deo“ zu bejubeln.

Das Ewigweibliche

Das Ewigweibliche zieht uns hinan, konnte sich Driesel, bekennender Goethe- und Faustfreund, am Ende nicht verkneifen. Immerhin hatte Goethe Dantes Commedia gelesen und mit einem Kompliment bedacht, wenn auch mit seltsamen Unterton: die Commedia ist von einer widerwärtigen Großheit.

Raunen im Publikum, das nach dem Gehörten das Wort „widerwärtig“ wohl nicht gehört haben wollte. Beifall für einen interessanten, gelegentlich auch amüsanten Abend.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Alexander Solschenizyn
Dante
Dante Alighieri
Epikur
Hans Driesel
Johann Wolfgang von Goethe
Vergil
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top