Die Idee, den Besuchern der Kunsthalle all das zu zeigen, was ein Maler braucht, hatte Museumspädagogin Friederike Kotouè schon vor dem Umzug in die Kunsthalle. Sie schaute sich in anderen Häusern um, fand aber kein geeignetes Vorbild. Also musste sie selbst etwas entwickeln. Gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter, dem Historiker Thomas Ruppenstein, überlegte, tüftelte und entwickelte sie schließlich ein Objekt, das es so wohl in keinem Museum der Welt gibt: den Malturm.
Der Turm ist kompakt und mobil, kann in jedem Raum der Kunsthalle eingesetzt werden und ist vor allem für Besucher gedacht, die sich keiner Führung anschließen. Das Dach bildet der Farbkreis, den Johannes Itten (1888 bis 1967) entwickelt hat: Werden die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau gemischt, entstehen die Sekundärfarben Grün, Orange und Violett. Durch erneutes Mischen ergeben sich die Tertiärfarben und schließen den zwölfteiligen Kreis.
Wer mehr über die wichtige Rolle des Lichts bei der Wahrnehmung von Farben wissen will, kann im Heft nachlesen, das Kotouè und Ruppenstein verfasst haben. Licht enthält bekanntlich alle Farben, die Spektralfarben, die sich nicht nur beim Regenbogen zeigen. Im Infofach des Turms liegt ein Prisma, das sich Besucher vor die Augen halten und damit Gegenstände betrachten können. An den Rändern der Gegenstände, wo das Prisma das Licht bricht, sehen sie bunte Farben.
Woraus werden Farben hergestellt? Der prähistorische Mensch nutzte Kohle und Mineralien zum Malen. Seit dem dritten Jahrhundert vor Christus wurde beispielsweise aus Galläpfeln die haltbare Eisengallustinte gewonnen. Aus Lapislazuli wird das herrlich blaue, teure Pigment hergestellt. Für ein Gramm Purpur, den teuersten Farbstoff der Welt, müssen 10 000 Purpurschnecken ihr Leben lassen. Die MuSe konnte sich gerade mal 0,0025 Gramm des Farbstoffs leisten. Daneben steht das Glasröhrchen mit Fischsilber, das aus der Innenseite von Fischschuppen gewonnen wird und Sepiatinte aus dem getrockneten Sekret von Tintenfischen.
Der zweite Hingucker des Turms sind die Röhrchen mit 56 synthetisch hergestellten Farben, darunter auch das berühmt-berüchtigte Schweinfurter Grün – allerdings in der modernen, ungiftigen Variante. Das Grün entsteht aus einer Verbindung von Grünspan und arseniger Säure. 1844 wurde erstmals bewiesen, dass die Farbe giftig ist, 1882 wurde sie verboten, aber noch lange als Insektengift benutzt. Das moderne Schweinfurter Grün hat nicht mehr die Brillanz des giftigen Originals.
Um aus Pigmenten eine Malfarbe zu machen, braucht es Bindemittel wie Mohnöl, das Harz eines indischen Laubbaumes, Hasenleim oder Gummi Arabicum, den getrockneten Pflanzensaft einer afrikanischen Akazie. Diese Bindemittel werden in Schneekugeln präsentiert. In den Fächern darunter liegt eine Auswahl fertiger Farben und ein Block mit verschiedenen Stiften zum Ausprobieren. Maler nutzen nicht nur Pinsel, sondern auch Spachtel oder Schwämme, um Farben aufzutragen. Auch die werden gezeigt und Malgründe, also Leinwand, Karton, Holz oder Papier.
Der Technikspeicher im Untergeschoss des Turms schließlich führt alle Themen zusammen. Die Malerin Elona Ernst-Coburger, auch sie freie MuSe-Mitarbeiterin, hat kleine Beispiele gestaltet, die herausgenommen und berührt werden dürfen: Aquarell auf Torchonpapier, Gouache auf Baumwoll-Leinwand, Öl auf Holz oder Ei-Tempera auf grundierter Leinwand. Vieles im Turm darf der Besucher anfassen. „Die Kunst soll begreifbar sein“, sagt Friederike Kotouè.
Gebaut wurde der Turm von der Schreinerei Mangold, viele Einzelteile, wie etwa die Glasbehälter, wurden eigens angefertigt. Nach der Hörinsel, die in der Sammlung Hierling steht, ist der Malturm die zweite Station des MuSenWeges durch die Kunsthalle.