
Der gutaussehende schlanke Mann im perfekt sitzenden Smoking ist sichtlich gut gelaunt. Mit "My Way" von Frank Sinatra eröffnet er diesen Abend, einen Rückblick auf das Leben eine so raffinierten wie liebenswerten Betrügers, frei nach dem unvollendeten Roman "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" in der Bearbeitung von John von Düffel.
Das Altonaer Theater zeigt im Evangelischen Gemeindehaus jedoch nicht nur schlicht die Bühnenfassung des epischen Textes, sondern mischt ihn auf zur grandiosen Farce. Gespielt wird auf drei beweglichen, rot ausgeschlagenen Bühnen auf der Bühne (Regie und Ausstattung: Georg Münzel, Birgit Voß, Benjamin Burgunder). Aus ihnen heraus treten die Begleiter seines Lebens, das als Sohn eines windigen Lebemanns und Champagnerproduzenten im Rheingau begann und schon erstaunliche schauspielerische Leistungen und Raffinesse des Jungen im Matrosenanzug offenbarte.
Die Figuren sind grotesk überzeichnete Puppen, mit riesigen Brüsten und Bäuchen, breiten Hüften, voluminösen Hinterteilen und Masken.
Die Weltreise öffnet den Weg zu neuen Abenteuern
In einem Pariser Luxushotel reüssiert Krull, nun Amand genannt, nicht durch Können, sondern reichlich Charme, dem die Damenwelt bereitwillig zu Füßen liegt. Herrlich die Kopulationsszene mit einer dem orgiastischen Zusammenbruch nahen Madame Houpflé (herrlich neurotisch überspannt Anne Schieber).
Ebenso grandios die Musterung, wenn Krull in die Uniform zu drängen scheint, den affigen Stabsarzt (mit großer Mimik Ole Schloßhauer) aber an seinem Geisteszustand zweifeln und ihn untauglich stempeln lässt.
Das kann nur gelingen mit einem ungemein wandelbaren Schauspieler wie Flavio Kiener, der den Blöden ebenso draufhat wie den liebenswerten Verführer und Verführten oder trittfesten Adligen. Von Marquis de Venosta (Tobias Dürr), der auf eine von den Eltern gewünschte Weltreise soll, aber bei seiner Geliebten in Paris bleiben will, lässt er sich zum Rollen- und Namenstausch überreden, der ihm die bezahlte Weltreise und den Weg zu weiteren Abenteuern möglich macht.
Die Sprachgewalt von Thomas Mann scheint immer wieder durch
Thomas Mann hat sich mit dem Krull bis ins hohe Lebensalter beschäftigt, der Schelmenroman trägt durchaus autobiografische Züge und deutet die lebenslang unterdrückte homosexuelle Neigung des großen Autors an. Stark die Szene, wenn der einsame Lord Kilmanok (noch einmal Schloßhauer) den jungen Kerl als fürstlich bezahlten Kammerdiener auf sein Schloss in Schottland locken will.
Düffels Bühnenfassung verkürzt den Roman, lässt aber Manns Sprachgewalt und Lust zu Fabulieren immer wieder durchscheinen. Das Ende kommt ein wenig zu abrupt (und, warum auch immer, vor der angekündigten Zeit), wenn Krull beim Besuch im Königsschloss zur Krone greift und sich selbst zum Kaiser krönt.
Schade und äußerst ungewöhnlich übrigens, dass dem begeisterten Publikum ein Programmheft vorenthalten blieb.