"Gabi, was gibt's für neue Filme?" Stammkunde Günter, der nur seinen Vornamen in der Zeitung lesen will, weil ihn hier ohnehin nur alle mit diesem ansprechen, weiß, dass er schnell auf seine Frage eine kompetente Antwort bekommt. Denn Gabi Kuldschun, die auch viel lieber einfach nur Gabi genannt wird, ist so etwas wie ein lebendiges Filmlexikon. Eine Frau, die nicht nur einen Großteil der Filme, die es im Video-Center in der Dittelbrunner Straße auszuleihen gibt, selber gesehen hat, sondern die auch immer auf dem Laufenden ist, was Neuheiten betrifft.
Beratung jenseits der rosaroten Werbebrille
Den Überblick behalten und ohne die rosarote Werbebrille der Filmindustrie die Kunden beraten ob ein Film was taugt oder nicht. Zwei wesentliche Pluspunkte, die man im Video-Center - dem letzten seiner Art in Schweinfurt - auch in Zeiten von Netflix, Maxdome & Co. für sich verbuchen kann. Und die Kunden wissen das zu schätzen. "Wir haben sogar einen Stammkunden, der kommt aus Bamberg zu uns", berichtet der Chef des ganzen, Klaus Gütlein, der hauptberuflich in der Sicherheitsbranche seine Brötchen verdient. Und tatsächlich - viele umliegende Städte sind bereits "Videothekenfrei", hier haben die digitalen Mitbewerber ganze Arbeit geleistet. Groß Geld verdienen lässt sich nicht mehr mit einer Videothek . Für Gütlein, der seit 30 Jahren im Geschäft ist, ist der Video-Center vielmehr eine Herzensangelegenheit. "Ich sage mir immer das ist mein Wohnzimmer und da stehen halt 8000 Filme in den Regalen". Lottoannahmestelle, Paket-Shop und Snack-Verkauf helfen ohne Verlust über die Runden zu kommen.
Silberne Scheiben mit Geschichte
Und tatsächlich, wer dieses "Wohnzimmer" betritt, begibt sich auf eine Reise in die Zeit in der "Filme gucken" noch mehr war als ein schneller Klick im Internet und dann eine Wegwerfdatei auf dem Rechner. Das wird zum Beispiel deutlich beim Blick auf die "Klassikerwand", an der all jene DVD's versammelt sind, die schon beim Blick auf die Umschlaghülle Erinnerungen wach werden lassen. Die Trilogie von "Der Pate", "Casablanca" oder die Filme des genialen Komiker-Duos "Cheech & Chong" sind nur einige dieser Perlen. "Werner Beinhart" ist seit mehr als 20 Jahren im Einsatz und wird immer noch nachgefragt von Kunden die noch gerne etwas in der Hand haben, wenn sie - am besten gemeinsam - einen solchen Film werbefrei genießen möchten.
Und die kommen durchaus aus allen Generationen, wie sich an diesem Nachmittag im Video-Center zeigt. Man kennt sich man duzt sich. "Bei den meisten Kunden weiß ich schon für welches Genre sie sich interessieren", meint Gabi und kann beinahe wie aus der Pistole geschossen jedem noch eine Empfehlung aus seinen Lieblingsbereichen wie Action, Spannung oder Komödie mitgeben. "Gut gemachte neue Western werden auch wieder nachgefragt" ergänzt Klaus Gütlein, der sich privat am liebsten Filme mit Denzel Washington anschaut.
Zahl der illegalen Downloads ist enorm hoch
Manche Kunden, so seine Erfahrung, sind sogar nach einem Ausflug in die Welt der Streaming-Dienstemit negativen Erfahrungen wieder in das traute Heim der Videothek zurückgekehrt. Natürlich seien die Ausleihzahlen verglichen mit früher zurückgegangen. Die Vermarktung von Filmen hat aber ein gemeinsames Problem. "67 Prozent der Filme werden illegal heruntergeladen", weiß Gütlein. Das trifft die Kinos, die wenigen verbliebenen Videotheken und letztlich auch die Streaming-Dienste.
Der Video-Center punktet indem es auf die Wünsche der Kunden eingeht, mit Beratung und mit Herzlichkeit. "Alle Kinder, deren Eltern sich bei uns einen Film ausleihen, bekommen umsonst einen Kinderfilm mit nach Hause". Das war die Idee von Klaus Gütlein, als vor Jahren mal ein kleines Mädchen mit seiner Mutter in der Videothek war und sich ihr "Dornröschen" nicht mitnehmen durfte. Seither kennen die Kleinen nur ein Ziel - die Kinderabteilung in der vom Sams bis zu Ferdinand dem Stier so ziemlich alles versammelt ist.
Natürlich braucht eine Videothek auch das Gegenteil - Jene Abteilung über der "Ab 18 Jahren" steht und die nur über eine getrennte Eingangstür zu betreten ist. Aber auch hier achten die Filmkenner genau darüber das - anders als im Internet - nur "saubere Ware" angeboten wird.
Spezial-DVDs und nur mit Verleihrechten
DVDs, die in Videotheken verliehen werden, halten übrigens besonders lange. "Die sind dicker beschichtet und halten einiges aus", so Klaus Gütlein. Handelsübliche DVDs dürfte sich eine Videothek ohnehin nicht in die Regale stellen. Die silbernen Scheiben halten einiges aus, einige haben viele Jahre und noch viel mehr Einsätze auf dem Buckel. "Nur wenn DVDs mit einer aufrecht stehenden Playstation abgespielt werden, kannst du sie hinterher wegschmeißen, weil sie wellig geworden sind", so Gabi Kuldschun, die sich privat auch immer wieder für Klassiker wie "Vom Winde verweht" erwärmen kann.
Ganz wichtig ist übrigens, dass Filme die in Videotheken angeboten werden die Verleihrechte besitzen, weshalb Neuheiten nur über lizensierte Anbieter bezogen werden. Zwei Drittel unserer Filme sind DVD's, ein Drittel Blue-ray, so Klaus Gütlein. 3D habe sich nicht durchgesetzt, jetzt setze die Branche auf das Format 4K. Die einmal angeschafften Filme sind Eigentum der Videothek. "Das Angebot wächst mit den Kunden". Regelmäßig kommen neue Blockbuster dazu, hin und wieder werden ältere Filme günstig an die Kunden verkauft. Dabei sind alle Genres vertreten. "Nur Bollywood mag ich nicht", so Klaus Gütlein, der es auch nicht leiden kann, wenn es gerade in einem Film spannend war und plötzlich fangen alle zu singen und zu tanzen an, wie er schmunzelnd einräumt. Bei der Auswahl kann er auch künftig ganz locker einen großen Bogen um solche Filme machen.