
Klaus Ernst verfällt in die Superlative, wenn es um Schweinfurt geht. Hier weiß er im Arbeitskampf Tausende hinter sich, hier hat seine politische Karriere begonnen, hier ist die Keimzelle der WASG, also der Linken im Westen der Republik.
Stolz ist er auf Schweinfurt und auch auf sich, auf den waschechten Münchner, der am 1. November 1954 geboren wurde und in München die ersten 25 Jahre seines Lebens verbrachte. Er stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Vater und Mutter waren Angestellte. Bis zu seinem 15. Lebensjahr teilte er sich mit der Oma ein Zimmer in der kleinen Wohnung. Mit 16 – nun wohnte er möbliert im Lehrlingsheim – kam er zur IG Metall, war Jugendvertreter und Betriebsrat.
1984 lernte er bei einem Streik für die 35-Stunden-Woche Klaus Zwickel kennen. Der stellte ihn ein und nahm in mit nach Stuttgart. Als Gewerkschaftssekretär wurde er dort von Bereich zu Bereich durchgereicht, bis er zehn Jahre später den bayerischen IG Metall-Chef Werner Neugebauer, einen Gewerkschafter aus Schweinfurt, traf. Der suchte einen Nachfolger für Gerhard Tollkühn. Ernst nahm an, wurde Erster IGM-Bevollmächtigter in Schweinfurt.
„Das war damals eine echte Herausforderung“, erinnert sich Ernst. Die Stadt am Main galt als Krisenregion Nummer 1. Und die hatte jetzt einen Gewerkschafter, der ausgezogen war, Bäume auszureißen. Dem Ruf als Redner folgte der des Verhandlers. Er setzte sich mit allen an den Tisch, die sich der noch regionalen Krise stellten.
Seite an Seite mit Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser, – das war in diesen Tagen Vertrautes. Es war eine Zeit, in der Ernst nasse Augen bekam, weil die Betriebe zusammenhielten, die Arbeitnehmer auf die Straße gingen, weil es ihnen nicht egal war, wenn hinter dem Werkstor auf der anderen Straßenseite eine Abteilung geschlossen werden sollte. Ein „grandioses Erlebnis“ urteilt der studierte Volkswirtschaftler und Sozialökonom.
Der Erfolg von Ernst für die IG Metall in der Region ist an der seither steigenden Mitgliederentwicklung abzulesen. Doch während es für den Metaller in den folgenden zehn Jahren bergauf ging, ging es für das SPD-Mitglied Klaus Ernst, ledig, keine Kinder, bergab. Der Schnitt kam 2004. Ein Jahr nachdem der Gewerkschafter den Sprung in den IG Metall-Vorstand in Frankfurt nicht geschafft hatte, kam es zum endgültigen Bruch mit der Schröder-Partei, die schon lange nicht mehr seine SPD war. Den Schmusekurs mit den Arbeitgebern empfand er als unerträglich, lobte die C-Parteien als Original, stufte Schröder & Co als Abklatsch ein.
Ein Schmusekurs mit den Arbeitgebern kam für einen, für den das Schönste an dem Job in der Gewerkschaft ist, dass man sich gegen die „Großkopferten“ wehren könne, nie in Frage. Seit 14 Jahren streitet er nun schon in Schweinfurt für den Kleinen Mann. 30 Jahre SPD, das ist Vergangenheit. Noch 2004 wurde die Wahlalternative Arbeit soziale Gerechtigkeit (WASG) ins Leben gerufen. Hochburg war Schweinfurt. Um Ernst versammelten sich Sozialdemokraten und Gewerkschafter, auch konservative Sozialpolitiker. Nun zeigte sich der Kämpfer aus Schweinfurt mit Oskar Lafontaine und mit Norbert Blüm.
Für Rückenwind sorgten jedoch vor allem die Metaller aus Schweinfurt, die wie er Hartz IV abschaffen wollten, das nur einen Sinn und Zweck habe, die Leute zu verunsichern, damit sie auf dem Arbeitsmarkt nehmen würden, was zu bekommen sei.
Dass der Oskar heute Vorsitzender der Linken ist, rechnet sich Ernst als Verdienst an. Richtig sei 2005 der Zusammenschluss mit der PDS gewesen. Ansonsten hätte Deutschland ein Parlament ohne Opposition, sagt der stellvertretende Partei- und stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, der – wie andere IG Metaller in der Politik auch – den Job als Erster Bevollmächtigter auf 50 Prozent zurückgefahren hat.
In der knapp bemessenen Freizeit tritt der leidenschaftliche Skifahrer ab und zu in die Fahrradpedale. Öfters ist er hinter dem Herd zu finden. Entspannung findet er auf einer gepachteten Alm, einer Hütte ohne Strom und ohne Zufahrt mit dem Auto, aber mit den Werken von Berthold Brecht.