Die Klingel ist schwer zu finden. Eine Beschilderung gibt es nicht. Die alte Tür zum Turm erinnert an Dornröschen. „Sie ist offen“, ruft zweiter Vorstand Ernst Petersen aus dem Fenster im ersten Stock. Über die steinerne Treppenspindel des Schrotturms ist nun die Geschäftsstelle des Historischen Vereins schnell erreicht, – eine für Rollstuhlfahrer unerreichbare Geschäftsstelle.
Für eine symbolische Miete und bei Übernahme der Nebenkosten hat die Stadt dem Verein die ehemalige Wohnung im ersten Geschoss des Südbaus des einst und seit der Sanierung Ende der 1980er Jahre wieder zweiflügelliegen Gebäudekomplexes überlassen. Verwaltet werden in der Geschäftsstelle über 500 Mitglieder des selbstständigen und gleichzeitig dem Frankenbund angeschlossenen Vereins - einer der großen an der Geschichte interessierten Vereine in Franken.
Aus Sorge um das Erbe gegründet
Von dem Gymnasialprofessor und Heimatforscher Dr. Max Ludwig im Jahr 1909 aus Sorge um das große geschichtliche Erbe der ehemaligen Reichsstadt innerhalb einer sich rasch verändernden Industriestadt gegründet, ist das Ziel des Vereins noch heute das Forschen und das Bewahren.
Heimatforscher und Zeitzeugen haben im Schrotturm seit 1990 ein Domizil. Der Gesellschaftsraum bietet Sitzplätze für zehn Personen, die Veranstaltungen planen, Vorträge besprechen, Studienfahrten organisieren oder Veröffentlichungen vorbereiten. Bei all diesen Aktivitäten versteht man sich als Ergänzung zum Stadtarchiv. Und: Vereinsvorsitzender und Stadtarchivar ist Uwe Müller; eine Doppelfunktion die auch schon sein Vorgänger im Stadtarchiv (Erich Saffert) besetzt hatte.
Viele Unterstützer, wenige Aktive
Von den über 500 Mitgliedern haben etliche die Räume des Renaissance-Hauses von Balthasar Rüffer III. (Bauzeit 1611 bis 1614) nie gesehen. Etwa 90 Prozent der Beitragszahlen sind Unterstützer, ein Zehntel aktiv für den Verein und/oder in der Heimatkunde.
Von deren Einsatz profitieren alle Mitglieder, etwa durch das Erscheinen der Mainleite, die sich mit der Stadtgeschichte befasst. Die Mitgliederzeitschrift ist beliebt. Die Beiträge sind wissenschaftlich fundiert und doch allgemein verständlich und von angenehmer Länge. Die Artikel stellen oft aktuelle Themen in den Zusammenhang mit der lokalen Geschichte.
Für viele der 200 Mitglieder mit Wohnsitz außerhalb von Stadt und Landkreis wird der Kontakt zu Schweinfurt über die Mainleite gehalten, die auch über das jährlich halbe Dutzend an Studienfahrten (Tages- und Halbtagesfahrten) informiert, bei denen man sich mit Gleichgesinnten und vielfach Gleichaltrigen (fast alle Mitglieder über 50 Jahre) austauschen kann.
Formung im freien Fall
Die Geschäftsstelle selbst ist ein Stück Stadtgeschichte. Im 19. Jahrhundert wurde der achtseitige Treppenturm um vier Stockwerke für die Produktion von Schrotkugeln (bis 1912) erhöht. Unter dem Dach schüttete man geschmolzenes Blei in einen Sieb. Im freien Fall schuf die Oberflächenspannung die kugelförmigen Tropfen für die Schrotpatronen, die am Boden in einem Wasserbecken aufgefangen wurden. Damals und bis zur Stadtsanierung vor vier Jahrzehnten stand das Doppelhaus mitten in dem Gewerbegebiet zwischen dem Main und der Spitalstraße.
Die Geschäftsstelle hat außer dem Gesellschaftsraum ein Büro, eine winzige Küche, ein Örtchen für die Damen und auch eines für die Männer und zwei Räume für die Bücher. Alle wertvollen Exemplare sind allerdings nicht hier in der Bibliothek und dem Studierzimmer, sondern im Stadtarchiv. Für den an der lokalen Geschichte Interessierten stehen in den Regalen jedoch wahre Schätze. Es müssen Hunderte wenn nicht gar Tausende von Aufsätzen zur Stadtgeschichte sein, die in großen beschrifteten Schachteln zu finden sind. Was jeweils drinnen ist, das steht draußen drauf. Ähnlich grob, jedoch sehr übersichtlich ist die Ordnung in den Regalen, wo Wissenswertes zu „Schweinfurt“, „Unterfranken“, „Franken“ und „Thüringen“, oder etwa auch zu „Würzburg“ und „Haßfurt“ und ebenso zum „Luftkrieg“ zur „Kunstgeschichte“ zu finden ist.
Ein Stück Alt-Schweinfurt
Was der Verein an Schriften und Büchern gesammelt hat, was in seine Obhut übergeben wurde, kann man ausgeliehen. Gebunden und komplett vorhanden sind die Ausgaben der Mainleite, die – wie auch die gebundenen Hefte des Frankenlands – im Büroraum einen Platz gefunden haben.
Geöffnet hat die Geschäftsstelle an jedem Montag von 15 bis 17 Uhr. Im Gesellschaftsraum ist dann auch eine Original-Tapete aus der Sattler-Fabrikation in Schloss Mainberg zu bestaunen. Lithografien erinnern an Alt-Schweinfurt und auf einem Sideboard liegen Werke zur Stadtgeschichte, die der Verein gefördert hat und verkauft.
Bei einem Besuch in den Vereinsräumen kann man sich über die Studienfahrten und über das Vortragsproramm informieren, bei dessen Erarbeitung der Historische Verein von der Volkshochschule, dem Museum Georg Schäfer, dem Museum Otto Schäfer, den Städtischen Sammlungen und der Sparkasse unterstützt wird. Über Neuigkeiten informiert auch der Schaukasten des Vereins im Durchgang vom Rathaus zum Schrotturm.