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GOCHSHEIM
Der Gurkenkönig von Gochsheim
Seit gut 100 Jahren hält sich das Gemüsedosen-Familienunternehmen Ernst Deppert auf dem Markt. Nun wird nochmals kräftig investiert. Die Produktion wird vom Altort hinaus an die Peripherie verlegt.
Ein Schlüsselbund-Anhänger für den Gurkenkönig von Gochsheim: Deppert's-Chef Michael Pfister präsentiert stolz das Geschenk seines Patenkindes Nico Loibersbeck.
Foto: Fotos Wolfgang Hüssner | Ein Schlüsselbund-Anhänger für den Gurkenkönig von Gochsheim: Deppert's-Chef Michael Pfister präsentiert stolz das Geschenk seines Patenkindes Nico Loibersbeck.
Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Hüssner
 |  aktualisiert: 02.04.2009 17:04 Uhr

2009 ist für „Deppert's – Feine Sauerkonserven“ ein historisches Jahr. Denn die 1907 vom Landwirt Ernst Deppert gegründete Familienfirma verlegt erstmals ihre Produktion aus dem Altort heraus, verlässt den Gebäudekomplex in der Kirchgasse 15 und wird damit künftig komplett auf dem Anwesen Industriestraße 16 angesiedelt sein. Die Aussiedlung ist auch für Gochsheim ein historischer Moment. Denn das Unternehmen Deppert ist, salopp gesagt, der letzte Gurken-Mohikaner des ehemaligen Freien Reichsdorfes, das in der Blütezeit nach dem Zweiten Weltkrieg 30 private Gurkeneinleger beherbergte.

Tonnenweise Buschbohnen

Der 49-jährige Chef Michael Pfister, der sein Konservierungs-Handwerk bei Kühne erlernte, führt triftige Gründe ins Feld für den Standortwechsel. Als da wären: die verzwickte Verkehrslage in der nadelöhrähnlichen Kirchgasse, das moderne, auf 2500 Quadratmetern Grundfläche klar strukturierte Produktionsgebäude in der Industriestraße 16, und vor allem auch der Fakt, „dass wir mehr verkaufen können als wir produzieren konnten“. Die Rede ist dabei aber nicht von den „Gochsumer Kümmerli“, sondern von Buschbohnen. 1700 Tonnen Bohnen werden pro Jahr verarbeitet, gefolgt vom Klassiker Gurken (1300 Tonnen), von Karotten (600), Sellerie (300), Roten Beeten (200) und Paprika (150).

Der beste unter den guten Gründen für den großen Schritt ist aber die gesicherte Nachfolge. Sohnemann Thomas (19) sei „nicht abgeneigt“, berichtet Vater Michael.

Auf 3,2 Millionen Euro beläuft sich die Investition für Neubau und Maschinen. Zehn Prozent werden vom Freistaat Bayern finanziert, weitere zehn Prozent von der EU. Voraussetzung dafür: Das Gros der Rohware muss aus Deutschland oder EU-Ländern stammen.

Von der großen Krise also keine Spur. „Gegessen wird immer, auch unsere Produkte, die beispielsweise nicht in Upper-Class-Restaurants, sondern vorwiegend in Landgasthöfen auf den Tisch kommen“, erläutert der Chef. Und so dürfte sich das Mittelstandsunternehmen, das sechs feste Mitarbeiter und 16 Saisonarbeiter beschäftigt, auch weiterhin halten können auf dem kniffligen Geschäftsfeld der Niedrigpreisprodukte. Eine Fünf-Kilo-Dose erlöst beim Verkauf an den Fachhandel 2,20 bis 2,50 Euro, eine Zehn-Liter-Dose 4,20 bis fünf Euro.

Niedrige Verkaufspreise, nicht unter Tarif bezahlte Arbeitnehmer, und nun trotzdem wieder Investitionen – was sind also die Geheimnisse der Erfolgsgeschichte? Da ist zum einen das Geheimnis des Geschmacks. Das basiert im Grunde immer noch auf den alten Rezepturen aus der Gründerzeit – und wird natürlich nicht preisgegeben. Und da ist zum anderen das stete Achten auf Frische und Qualität. Hinzu kommt die niedrige Fluktuation und Firmentreue beim Personal, das sich aber trotzdem im Zug der Zeit seit 1983 halbiert hat.

Gewinn in die Firma investiert

Der Erfolg basiert letztendlich auch auf dem Zusammenhalt und Einsatz der Familie. Als 1983 bei einem Flugzeugunglück der Pilot starb und Mutter Ursula (68), Vater Helmut (71) und Sohn Axel schwer verletzt wurden, brach Michael sein Studium am Konserveninstitut in Neumünster (zwischen Hamburg und Kiel) ab und ging in die Firma. Seit 1995 fungiert er als Chef einer Chefetage, in der Kaufmann Helmut, Ehefrau Gaby (45) und er zur Zeit ein Dreigestirn bilden. Mutter Ursula erledigte bis vor zwei Jahren die Lohnbuchhaltung. Kurzum: Die Firma Deppert ist schlank aufgestellt. Und über Generationen „hat bei uns keiner gesponnen, wir stecken das Geld in die Firma“, so der Boss, der pro Jahr einen Umsatz von 2,8 Millionen vorweisen kann und einen Gewinn von 150 000 bis 220 000 Euro vor Steuern.

Im übrigen: Der letzte Gochsheimer Gurken-Mohikaner ist ein „Gurkenkönig“. So steht es zu lesen auf Michael Pfisters Schlüsselbund-Anhänger. Der ist natürlich ein Familien-Geschenk, stammt von Patenkind Nico Loibersbeck (15).

Das Stichwort

Ernst Deppert Konservenfabrik Die Firmengeschichte ist eine Familiengeschichte. Gründer Ernst Deppert fing 1907 nicht im Kleinen an, sondern als Gemüse-Grossist. Mit Schwiegersohn Jakob Pfister, der Depperts Tochter Frieda ehelichte, begann die „Ära Pfister“. Helmut und Ursula Pfister schrieben die Firmengeschichte fort. Heute ist schon die vierte Generation am Ruder mit Michael Pfister als Chef. Absatzländer sind: Deutschland, Belgien, die Niederlande, Österreich, Dänemark und Spanien.

Hat auch während der Wirtschaftskrise einen guten Durch- und Ausblick: Michael Pfister, seines Zeichens Chef der Gemüsedosen-Firma Ernst Deppert.
| Hat auch während der Wirtschaftskrise einen guten Durch- und Ausblick: Michael Pfister, seines Zeichens Chef der Gemüsedosen-Firma Ernst Deppert.
Blick in den noch nicht ganz fertiggestellten Innenraum des neuen Produktionsstandortes der Firma Deppert. Im Juni beginnt hier die Saisonarbeit.
| Blick in den noch nicht ganz fertiggestellten Innenraum des neuen Produktionsstandortes der Firma Deppert. Im Juni beginnt hier die Saisonarbeit.
Das neue Produktionsdomizil der Firma Deppert (Mitte bis rechts) auf dem Anwesen Industriestraße 16.
Foto: FOTO Wolfgang Hüssner | Das neue Produktionsdomizil der Firma Deppert (Mitte bis rechts) auf dem Anwesen Industriestraße 16.
Erinnert an den Firmengründer: Ein Emaille-Schild am Anwesen 15 der Kirchgasse, das auch die damalige Ortsnummerierung zeigt.
| Erinnert an den Firmengründer: Ein Emaille-Schild am Anwesen 15 der Kirchgasse, das auch die damalige Ortsnummerierung zeigt.
 
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