
Generationen von bayerischen Gymnasiasten haben sich mit Goethes Faust beschäftigt, der "Tragödie aller Tragödien", wie Johanna Bonengel von der Schweinfurter Autorengruppe SAG, als ehemalige Deutschlehrerin ausgewiesene Expertin, zu Recht bemerkte. Nun, um zu verstehen, warum der Faust zeitlos ist, universal und heute genauso gültig wie vor 200 Jahren, war der Besuch der beeindruckenden Lesung "Habe nun, Ach!" der SAG im Kunstsalong der Kunsthalle absolut bereichernd.
Ausstellung im Kunstsalong noch bis 5. Mai zu sehen
Im Kunstsalong ist noch bis 5. Mai eine bemerkenswerte Ausstellung zu Goethes Faust zu sehen, eine Kooperation der Schweinfurter Radierwerkstatt und der Schweinfurter Autorengruppe. 24 Künstler und Autoren haben sich unter dem Motto "Habe nun, Ach!" den Faust wieder vorgenommen, haben sich einen der 12 111 Verse gesucht, der sie besonders berührt hat, ihnen vielleicht schon seit dem ersten Lesen als junger Schüler aufgefallen ist. Sie haben ihn ins Heute übersetzt, haben Radierungen geschaffen, Erzählungen, Gedichte, Dialoge geschrieben.

Bei der Lesung im Kunstsalong wurden die Werke von sechs Autorinnen und Autoren zum ersten Mal überhaupt von ihnen selbst vorgetragen. Mit einer ganz besonderen musikalischen Untermalung, die aus dieser Lesung eine machte, über die man noch lange nachdenken wird, deren Zitate und Töne im Kopf bleiben. Der Schweinfurter Jazz-Musiker Anton Mangold, einer der anerkannt besten deutschen Nachwuchs-Jazzer, ist bekannt für seine Vertonungen beim Jazz-Poetry-Slam. Nun wagte er sich an Faust, ließ mit fast schon unglaublich eindringlicher Melodieführung das zuvor Geschriebene in völlig neuen Klangwelten noch einmal aufleben.
Die SAG-Autoren heben den Faust ins 21. Jahrhundert
"Faust ist nie zu Ende gedacht, nie zu Ende erzählt", hatte Johanna Bonengel in ihrer Einführung gesagt. Das stimmt wohl, doch genau das macht ja die Universalität dieses Hauptwerks der deutschen Literatur aus. Die Autoren Hans-Peter Zwißler, Linde Unrein, Günter Hein, Joachim Engel, Renate Eckert und Anika Peter hatten völlig unterschiedliche Verse und eine völlig unterschiedliche Herangehensweise. Sie alle einte ein literarischer Spiegel der Jetzt-Zeit, den sie dem mit über 100 Anwesenden zahlreichen Publikum in fast schon schmerzhafter Deutlichkeit vorhielten. Ihre Gedanken, Metaphern, Symbole, Wortspiele und Reime, ihr Transfer ins Heute zeigte eindrücklich, welch großes, wichtiges Werk der Faust ist und was wir nach wie vor daraus für unser Leben ableiten können.
Und es entstehen auch unbeabsichtigte Bänder zwischen den Texten: Hans-Peter Zwißler begann den Reigen der Vortragenden, denen Peter Hub immer das Originalzitat aus dem Faust rezitierend voranstellte, mit der wunderbaren Beschreibung Mephistos als "höllischer Windbeutel". Und das jüngste schreibende SAG-Mitglied Anika Peter schloss den belebenden Sonntagmorgen mit einem unglaublich zynischen, gerade deswegen brillanten Dialog im Himmel, an dem nicht Mephisto, sondern der kleine Donald teilnahm, dessen ganzes Geld seine Frau Melania in ihre Kampagne "I really don't care" gesteckt hat.
"Du bist am Ende, was du bist", heißt's im Faust. Wie wahr, so von Windbeutel zu Windbeutel gedacht.
Das Kunstprojekt "Habe nun, Ach!" um Goethes Faust mit Bildern der Schweinfurter Radierwerkstatt und Texten der Schweinfurter Autorengruppe SAG im Kunstsalong der Kunsthalle ist noch bis 5. Mai zu sehen. Geöffnet ist die Kunsthalle täglich außer Montag von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr. Informationen unter www.kunsthalle-schweinfurt.de