Sieben mal fünf Meter groß ist er, der „Bilderträger“. Unübersehbar, sofort gleich rechts an der Hauptwand der Großen Halle der Kunsthalle platziert. Ein Monolith, ein echter „Eye-Catcher“, wie man so schön im Englischen sagt. Selten gibt es Kunstwerke, die so viel über eine Ausstellung auf den ersten Blick sagen, so viele Fragen aufwerfen, so viele mögliche Antworten geben und wieder neues Nachdenken auslösen wie diese auf zwei Stöcke gestützte Figur, die der Künstler Gerhard Rießbeck für seine Ausstellung „Eisfreund“ aus mehreren Einzelbildern zusammen gestellt hat. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 24. Februar.
Schwer bepackt stapft die Figur ohne erkennbare Gesichtszüge durch das Eis, aus der Mitte dessen, was wir als Gesicht identifizieren würden, ein heller, weißer Lichtstrahl, der den Weg weißt – gut gemacht auf ein ein paar Meter weiter an der gleichen Wand hängendes, kleines Bild in Blautönen mit dem Titel „Schnee“, scheinbar ein Schneeflocken-Gewimmel darstellend, hindeutend. Warum trägt diese Figur keinen Rucksack mit dem Lebensnotwendigsten in dieser eisigen Wüste, in der sie augenscheinlich ums Überleben kämpft? Warum stattdessen bunt bemalte Leinwände auf dem Rücken?
Die Wirkung seiner Installation begeistert Gerhard Rießbeck selbst. Er hatte die verschiedenen Bilder und ihre Abstände zwar im Computer arrangiert für das Gesamtbild, das Kunstwerk ist aber so groß, dass er es in seinem Atelier in Bad Windsheim nicht aufstellen konnte und zum ersten Mal in dieser Form in der Kunsthalle sah. Am ehesten versteht man das Werk, das einem obwohl die Kunsthalle wahrlich angenehm temperiert ist, einen (wohligen) Eis-Schauer über den Rücken jagt, wenn man Gerhard Rießbecks Ansatz für diese Bilder und ihre Entstehungsgeschichte in Betracht zieht. „Der Mensch kann nicht Teil dieser Natur werden, sie ist eine Herausforderung, die einen entweder zum Rückzug zwingt – sei es zurück in die Zivilisation, sei es in sich selbst – oder zur Konfrontation nötigt.“
Rießbeck, heute 54 Jahre alt, hat sich dem selbst ausgesetzt. Er war vor 17 und 13 Jahren bei Polarexpeditionen dabei, sowohl in der Arktis als auch der Antarktis. Außerdem war er viele Male in Island, Grönland, Norwegen oder Spitzbergen – die Landschaft, das Leben dort, die Farben und vor allem die vielen, vielen Grautöne, ließen ihn nicht mehr los und beeinflussten seine Malerei und seine Herangehensweise nachhaltig. Der „Bilderträger“ wie der titelgebende „Eisfreund“, ein Bild von einem Menschen, der in seiner rechten Hand einen kleinen, leuchtenden Eisbrocken präsentiert – beides aktuelle Arbeiten –, spiegelt metaphorisch die Situation des Malers wider: Das Wandern in der Eiswüste ist für Rießbeck wie das „Malen auf der weißen Leinwand“.
Rießbeck, in Schweinfurt durch eine Ausstellung in der Sparkassengalerie Anfang der 2000er und als Teilnehmer der Triennale 2012 kein Unbekannter, zeigt in Schweinfurt etwa 50, teilweise mehrere Quadratmeter große Arbeiten, darunter auch viele aktuelle Werke aus den letzten Jahren, die teilweise noch nie ausgestellt waren.
Sammelsurium arktischer Reisen
Einblicke in die Arbeitsweise Rießbecks bietet die große Wandinstallation „unterwegs“, ein amüsantes Sammelsurium von Bildern, Skizzenbüchern oder kleinen Reiseerinnerungen. Auch mit Witz, wie die Arbeit über die lasziv sich räkelnde Pinguindame.
Die Ausstellung bietet Gegenüberstellungen der Themenbereiche „Polarlandschaft“, „Mensch“ und „Haus“, zeigt so sinnvolle Bezüge. Das Motiv der Eiswüste ist das verbindende Element. Rießbeck will künstlerisch der Frage auf den Grund gehen, wie der Mensch in dieser rauen Natur zurechtkommt. Seine Bilder zeigen dick eingehüllte Menschen mit Kapuzen auf dem Kopf, abweisende Schutzbrillen, isoliert wirkend in den unwirtlichen Eislandschaften.
Sie zeigen auch immer wieder Bretterhäuser mit Satteldach, meist einsam in der Landschaft stehend. Ganze Haus-Reihen sind entstanden, das „Haus des Malers“ steht mal am Strand, mal am Meer, mal am Berg. Obwohl von grönländischen Blockhäusern angeregt, bildet Rießbeck keine realistische Architektur ab. Vielmehr sollen die Häuser den Maler und das Malen an sich repräsentieren. Kunsthallen-Chefin Andrea Brandl, Kuratorin Daniela Kühnel und ihrem Team ist eine wahrlich sehenswerte Ausstellung gelungen.
„Gerhard Rießbeck – Eisfreund“, bis 24. Februar 2019, Kunsthalle, Große Halle. Geöffnet: Di. bis So. 10 bis 17 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Eintritt: 5 Euro/ermäßigt 4. An jedem 1. Donnerstag im Monat freier Eintritt. Infos: www.kunsthalle-schweinfurt.de Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Begleitprogramm: 31. Januar 2019, 19 Uhr: Vortrag Frank Berger, Frankfurter Polarclub: „Von der ersten deutschen Polarexpedition 1868 zur Begründung der internationalen Polarforschung“