Eins steht fest, beim grauen Monolithen, im Waldpark der Wehranlagen: Er regt zum Nachdenken an, selbst Graffitischmierer. Bis vor kurzem war der Betonzylinder am II. Wehr noch mit einer Art von Kornkreisen und Spähaugen verunziert, als wäre ein Raumschiff aus einer fernen Galaxie in den Mainauen gelandet.
Seine Konstrukteure waren definitiv nicht in Frieden gekommen: "Einmannbunker" oder "Splitterschutzzellen" (SSZ) nennen sich die etwas skurril anmutenden Militärbauten, die im Zweiten Weltkrieg zu Zehntausenden aufgestellt worden sind, im Reich oder den von Nazideutschland besetzten Länder. Sie sollten den Menschen überall dort Schutz bei Bombenangriffen vortäuschen, wo Luftschutzkeller und Großbunker keine Option waren, etwa für Bahnwärter oder Brandwachen. Im Falle der Wehranlagen war es der Wasserwart der nahen Trinkwasserbrunnen, der bei Alarm im Beton-Sarkophag unterschlüpfen konnte. Dank Sehschlitzen bekam der Insasse mit, wie sich die Lage draußen entwickelte.
Kein Schutz bei Volltreffern oder Giftgas
Gegen Volltreffer halfen die verschiedenen Einmannbunker (die trotz des Namens zwei bis vier Personen Zuflucht boten) ebensowenig wie sie die Schwaden eines Giftgasangriffs zurückgehalten hätten. Nils Brennecke, Leiter des "Deutschen Bunkermuseums" in Oberndorf, ist es wichtig, dass die Erinnerung an ein gewichtiges Stück Stadtgeschichte lebendig bleibt, 75 Jahre nach Kriegsende. "Die Leute denken, das ist eine Litfaßsäule", so Brennecke, der vor einigen Jahren einen Anlauf unternommen hat, die SSZ zu versetzen, auf eigene Kosten: vom Main vor sein Museum, dem einstigen Fichtel- und Sachs-Hochbunker in der Ernst-Sachs-Straße 73. Eine Baufirma hätte sich gefunden, meint der Museumsleiter. Dank Dachhaken ist der 4,5-Tonnen-Klotz transportabel. Brennecke wollte ihn von den "Kunstwerken" befreien und eine Hinweistafel anbringen. Die Stadt lehnte die Umsetzung ab – was jüngst zu einer Debatte auf Facebook geführt hat. Das Rathaus nahm nun mit einer Pressemitteilung Stellung.
Die städtische Sanierungsstelle, heißt es, habe das Landesamt für Denkmalpflege um Begutachtung gebeten, inwieweit der Mini-Bunker als Baudenkmal einzustufen wäre: "Eine entsprechende Begehung ist bereits geplant." Das Amt tendiere schon jetzt gegen eine Versetzung, mit der das Objekt seine städtebaulichen und historischen Bezüge verlieren würde: "Während des II. Weltkriegs diente der Einmannbunker in den Wehranlagen einer ganz besonderen Aufgabe, nämlich der Sicherung und Überwachung des nahen Wasserwerks beziehungsweise der Wasserversorgung der Bevölkerung".
Den Originalzustand mit Bodenplatte erhalten
Zudem wolle man nicht den Originalzustand vernichten, in dem Fall die Gründung des Bauwerks. Die SSZs waren meist durch Stahlschrauben mit einer Bodenplatte verbunden. Man danke Nils Brennecke dafür, heißt es weiter, das Augenmerk erneut auf dieses Zeitzeugnis gelenkt zu haben. Seine Idee mit der Informationstafel werde man gerne aufgreifen. Mittlerweile hat die Stadt die Graffitis selbst entfernen lassen, mit dem Dampfstrahlreiniger.
Der Hüter der Schweinfurter Bunkergeschichte sieht die Entwicklung positiv. Es gebe allerdings Fälle, so Brennecke, in denen Baudenkmäler fachmännisch zerlegt und in Freilichtmuseen abtransportiert würden. Eine Tafel mit fundierten Informationen, die wünsche er sich nach 80 Jahren schon, ebenso Schutz vor Vandalismus. "Einmannbunker, das ist eine kleine Wissenschaft für sich". Rund 30 Typen habe es gegeben, in diesem Fall tippt er auf ein Fabrikat Marke Dywidag: Die "Dyckerhoff & Widmann AG" war Marktführer bei den "Minis". Womöglich ist das schildförmige Firmen-Logo im Stahlbeton verewigt. Auch das aufgeschraubte Kegeldach sieht nach Dywidag aus, damals mit Hauptsitz in Cossebaude bei Dresden. Die Einstiegsluke wurde zugeschweißt, da die kuriosen Bunkerzwerge gerne als Müllbunker oder Klohäuschen verschandelt werden.
Etwas mysteriös ist eine zuzementierte Öffnung, mit vierstelliger Nummer und Jahreszahl 1948. Dabei könnte es sich um die DB-Kennnummer handeln. Die "Disarmament Branch", die Abrüstungsabteilung der US-Militärregierung, überwachte nach 1945 die Schleifung deutscher Bunker. Manche wurden zivil weitergenutzt und zu ihrem Schutz nummeriert.
Es muss beklemmend gewesen sein, im Inneren einer Zelle. In Steinbrüchen hielt die Röhre Sprengungen stand, an der Front wurde daraus der Feind beschossen. Die Grundidee hat den Krieg überlebt. In Albanien gelten "Volksbunker" fast schon als nationales Symbol. Diktator Enver Hodscha ließ noch in den 70er und 80er Jahren Hunderttausende Bunkerpilze aus dem Boden sprießen, für je vier Genossen einen: aus Angst vor einer Invasion. Bis heute ist es nicht zuletzt der Wahnsinn durchmilitarisierter Gesellschaften, der aus solchen Betonköpfen spricht.