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GUNNAR-WESTER-HAUS
Der Dreifaltigkeit näher kommen
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:20 Uhr

Die Ikonensammlung Fritz Glöckle im Gunnar-Wester-Haus am Martin-Luther-Platz ist ein Kleinod. Die über 100 Ikonen bieten nicht nur Anhängern der russisch-orthodoxen Kirche interessante Einblicke.

In der Orthodoxie glaubt man, dass die ersten Ikonen nicht menschengemacht sind. Sie sollen in ihrer Entstehung auf Christus selbst zurückgeführt werden können, wie das Abgarbild von Edessa, das eines der nicht von Menschenhand geschaffenen Bilder des Erlösers sein soll. Der Legende nach erkrankte Abgar, der Herrscher von Edessa zwischen 13 und 50 nach Christus, schwer. Er hörte von den Wundern und Heilungen, die Jesus damals vollbracht haben soll und schickte einen Maler, der den Erlöser zeichnete.

Im Orthodoxen Glaubensbuch heißt es dazu: „Vom Gesicht des Herrn ging ein solches Leuchten aus, dass der Maler ihn nicht malen konnte. Da trocknete der Herr sein Gesicht mit einem Tuch ab, auf dem sich sein Antlitz abbildete, und schickte dieses Tuch dem Fürsten. Als Abgar das Bild erhielt, wurde er von seiner Krankheit geheilt.“ Wie in der ähnlich gelagerten Legende vom Schweißtuch der Veronika, der vera ikon, dem im Wortsinne wahren Bild, erklärt die Abgar-Erzählung die Transzendenz der Ikonen und warum das Aussehen exakt vorgegeben ist.

Glöckles Sammlung bietet einen Einblick in die sakrale russische Kunst des 16. bis 19. Jahrhunderts mit den Themenbereichen Marienbild, Christusdarstellungen, Ikonostasen, Heiligenikonen, Kalenderikonen und Festtagsikonen. Anlässlich des Pfingstfestes Mitte Juni stehen zwei Ikonen im Fokus.

Pfingsten als besonderes Fest

Zu Pfingsten gab es, wie sich Führerin Margarita Afanasjew erinnert, frisch geschnittenes Gras auf dem Boden, Frühlingsblumen vor den Ikonen in der „roten Ecke“ eines fast jeden russischen Hauses und vor allem Birkenzweige in den Häusern, in denen das „Fest der Dreifaltigkeit“ gefeiert wird. Als Kind kannte man nur den Namen des Festes und freute sich über Wärme, Sonne und den Geruch von noch frischen Birkenblättern. Später erfuhr sie, dass die Birke das Hauptmerkmal des Festes ist, weil ihre Zweige die Kraft des Heiligen Geistes symbolisieren und Haus und Familie, die darin lebt, vor Bösem schützen.

Pfingsten ist einer der zwölf wichtigsten orthodoxen Feiertage. Manchmal wird er auch der „Tag der Herabkunft des Heiligen Geistes“ genannt. Es ist ein Ereignis, das Jesus Christus vorhergesagt hat und das die Wesenseinheit Gottes in drei Personen belegen soll: Gott der Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist.

In Deutschland ist das Fest als „Pfingstfest“ bekannt, das am 50. Tag nach Ostern gefeiert wird. Das Wort „Pfingsten“ stammt aus dem griechischen Wort für 50: „pentecoste“. Im Wesentlichen ist dies der Gründungstag der Kirche. Das Fest der Dreifaltigkeit wird auch auf vielen Ikonen aus Russland dargestellt, unter anderem auf der berühmten Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rublev (um 1360 – 1430). Eine der beeindruckendsten Ikonen zum Thema Pfingsten in der Sammlung Glückle ist aufgrund ihrer detaillierten Darstellung der Strahlenkränze der Engel die Ikone „Die Heilige Dreifaltigkeit“ aus dem 17. Jahrhundert (ISG 100).

Andere Tradition in der Ostkirche

Auf christlichen Abbildungen des Pfingstfestes wird in der Regel die Herabsendung des Heiligen Geistes in Form einer Taube gezeigt. Im Gegensatz dazu wird in der Ostkirche das Fest der Dreifaltigkeit durch den Besuch der Drei Engel bei Abraham und Sara an einem weiß gedeckten Tisch dargestellt. Im Hintergrund finden sich gewöhnlich ein prächtiges antikisches Haus, das die göttliche Dispensation symbolisiert, ein hochragender Baum, der als Eiche von Mamre für die Erlösung steht, sowie ein Felsengebirge als Symbol für das himmlische Königreich.

Die zentralrussische Ikone (ISG 19) der „Dreifaltigkeit“ aus dem frühen 18. Jahrhundert der Glöckle-Sammlung thematisiert das Motiv der „Gastfreundschaft“ (Philoxenia) durch den Blickkontakt der Engel mit ihren Gastgebern, die Speisen an den Tisch bringen. Eine weitere Besonderheit dieser Ikone ist im Hintergrund zu finden: In dieser bizarren Felslandschaft wird ein Rind geschlachtet. Die nordrussische Ikone aus dem 17. Jahrhundert (ISG 100) stellt dagegen eine tiefere Verkörperung des Symbols der Dreifaltigkeit dar, die man durch die „stille Kommunikation“ untereinander erkennt. Auf beiden Ikonen segnen die drei Engel die Speisen. Dieser Segensgestus verweist auf die irdische Erscheinungsform Gottes.

Sammlungsstifter Fritz Glöckle, der 2014 mit 101 Jahren starb, war bis 1988 Leiter der Baufirma Glöckle. Auf vielen Reisen in die damalige Sowjetunion avancierte er zum Experten der Ikonenmalerei und baute eine bemerkenswerte Sammlung auf. 1993 übergab er der Stadt 37 russische Ikonen als Dauerleihgabe zur Präsentation in der Alten Reichsvogtei. 2001 wurde die Fritz Glöckle Kulturstiftung mit der Stadt gegründet, damals wurden 106 Ikonen der Stadt geschenkt, im Laufe der Jahre kamen immer wieder neue hinzu. Seit 2003 gibt es die Sammlung im Erdgeschoss des Gunnar-Wester-Hauses.

Ikonensammlung Fritz Glöckle, im Erdgeschoss des Gunnar-Wester-Hauses am Martin-Luther-Platz. Geöffnet Freitag 14 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr. Außerdem Pfingstmontag sowie Feiertage, die auf einen Montag fallen. Führungen für Gruppen oder Schulklassen sind auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich. Infos beim Kulturforum unter (0 97 21) 51 47 63. Eintritt: Erwachsene 1,50 Euro, Familien 3 Euro. Informationen zum Gunnar-Wester-Haus unter www.schweinfurt.de

Die zentralrussische Ikone (ISG 19) der „Dreifaltigkeit“ aus dem frühen 18. Jahrhundert der Glöckle-Sammlung thematisiert das Motiv der „Gastfreundschaft“ (Philoxenia) durch den Blickkontakt der Engel mit ihren Gastgebern, die Speisen an den Tisch bringen.
Foto: Kulturforum/Christ | Die zentralrussische Ikone (ISG 19) der „Dreifaltigkeit“ aus dem frühen 18. Jahrhundert der Glöckle-Sammlung thematisiert das Motiv der „Gastfreundschaft“ (Philoxenia) durch den Blickkontakt ...
 
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