Gut besuchte Vernissagen sind in den Museen und Galerien der Stadt keine Seltenheit. Ein derart großer Andrang von Kunstinteressierten - unter ihnen Staatsminister Dr. Thomas Goppel - wie bei Veit Relin war aber selbst für die Galerie Alte Reichsvogtei ungewöhnlich. Freilich nicht unerwartet, hatte das Technikteam doch vorsorglich ein Zelt im Innenhof aufgestellt.
Goppel, Bürgermeister Otto Wirth und Gastgeber und Kurator Dr. Erich Schneider würdigten das Leben und Schaffen des "doppelten Veit" - des Mannes, der über sich selbst einmal gesagt hat, dass ihn in den 50er Jahren in Wien die Maler für einen guten Schauspieler, die Schauspieler für einen passablen Maler gehalten hätten. Der Minister nahm seinen Besuch auf Einladung des Ehepaars Relin darüber hinaus zum Anlass, die gewinnbringende Symbiose von Industrie und Kunst in dieser Stadt zu würdigen. Das Pflänzchen Kultur vom Ende der 70er Jahre sei während der Krise der Großindustrie nicht verdorrt, sondern systematisch in den Strukturwandel eingebaut worden.
Die Relin-Ausstellung nannte Goppel einen Mosaikstein im gesamten Gefüge, zu dem er die Sammlungen, die Museen, Theater, Stadtarchiv, alle kulturellen Einrichtungen, Vereine und Initiativen zählte - nicht zuletzt die zukünftige Kunsthalle. Bürgermeister Otto Wirth erinnerte an die zwei äußeren Anlässe der Ausstellung: den 80. Geburtstag von Veit Relin und sein Jubiläum 30 Jahre Schauspieler, Regisseur und Prinzipal im Torturmtheater Sommerhausen.
An diesem Abend stand naturgemäß der Maler und Zeichner Relin im Mittelpunkt und hier ganz besonders die ausgewählten 70 Akte aus rund fünf Jahrzehnten. Übrigens nicht die erste und nicht die letzte Ausstellung in Schweinfurt in diesem Jahr, die dem weiblichen Körper gewidmet ist: bekanntlich inspiriert er auch Frédéric d'Ard, der in der Halle Altes Rathaus gegenwärtig Marmor-Skulpturen zeigt. Ab 7. Juli sind dort die Aktfotografien von Miloslav Stibor zu sehen.
Diese kleine Serie war freilich nicht der einzige Grund, warum sich Kurator Erich Schneider für die Akte von Veit Relin und nicht etwa die Porträts entschieden hat. Was nicht wirklich eine Einschränkung ist, denn ein Akt bei Relin ist immer auch ein Porträt, auch wenn das Gesicht nicht ausgezeichnet ist. Gerade in den feinen Blättern, in den auf Linie und Kontur reduzierten Zeichnungen, gelingt es ihm, das Wesen der vor ihm Liegenden aufs Papier zu bannen. Immer wieder ist auch die ganz besondere sinnliche Atmosphäre des Augenblicks zu spüren und - so Erich Schneider - die körperliche Präsenz des Malers.
Es ist eine außergewöhnliche Zuneigung, die Relin den Frauen entgegenbringt, eine etwas altmodisch anmutende ritterliche Verehrung. Allen voran für die "kleine fränkische Madonna mit den Wiener Biedermeierhänden", der er Ende der 70er begegnet ist und die längst seine liebste Muse, seine ihn umsorgende Frau, seine Mitarbeiterin geworden ist. Viele Zeichnungen in der Galerie zeigen Angelika Relin, sein geliebtes Gelei, wie er die 30 Jahre Jüngere zärtlich nennt.
Weil sie um diese Liebe weiß, sie täglich spürt, kann sie wohl gut akzeptieren, dass Veit Relin an einem solchen Abend wie in Schweinfurt von Frauen umringt wird, die vielleicht nur ein Wort mit ihm wechseln wollen, oder eine Widmung erbitten oder vielleicht einen tiefen Blick aus seinen Augen erhoffen.
Veit Relin, Akte "Das Japanpapier
frisst sinnlich meine Tusche", Gale-
rie Alte Reichsvogtei, bis 10. Sep-
tember. Zur Ausstellung erscheint
ein Katalog.