Jürgen Hochmuths Atelier sieht ein wenig aus wie die stilisierten Häuser, die in seinem Werk immer wieder auftauchen, also die Kombination von Quadrat und Dreieck. Im Fall des tatsächlichen Gebäudes im Garten des Wohnhauses des Künstlers in Rimpar ist es ein Kubus mit Schrägdach – ebenso schmucklos und klar wie die gezeichneten, immer wieder variierten Formen von Behausungen, die den Künstler so beschäftigen.
Drinnen ist es hell und einladend. Es gibt eine kleine Küche, eine Nasszelle. Eine kleine Bibliothek und einen Schreibtisch – ohne Computer. „Sobald man anfangen würde, darin etwas nachzuschauen, käme man zu nichts anderem mehr“, sagt Hochmuth.
Zeichen, Gesten und Formen
Und es gibt reichlich Platz zum nachdenken und arbeiten. Jürgen Hochmuth, 79, malt und zeichnet, es entstehen hier aber auch Bronzeobjekte oder Assemblagen und Installationen aus Fundstücken und kleinen Skulpturen unterschiedlicher Materialien.
Jürgen Hochmuth, Jahrgang 1945, war Meisterschüler bei Heinrich Kirchner an der Münchner Kunstakademie und bis zu seiner Pensionierung Kunsterzieher am Würzburger Mozart-Gymnasium. Er befasst sich ein Künstlerleben lang mit Zeichen, Gesten und Formen. In nahezu meditativen Prozessen entstehen langlebige Serien: „Ich staune immer wieder, was ich aus mir raushole“, sagt er.
Neben der Hausform gibt es eine zweite, noch ältere archaische Form, mit der sich Hochmuth seit langer Zeit auseinandersetzt: das Gewölbe. Der nach unten offene Bogen, der riesige Assoziationsräume eröffnet, von der Höhle bis zum gemauerten Gewölbe, vom Helm bis zur Schädeldecke. Also dem „Kopfhaus“ – der Behausung des Gehirns und damit des Bewusstseins und des Ichs.
Der Bogen spielt auch die Hauptrolle in seiner nächsten Einzelausstellung: „Der Atem des Gewölbes“ im Kunstsalong des Schweinfurter Kunstvereins in der Kunsthalle (22. Februar bis 21. April). Hochmuth hat 2021 dort bei der Triennale für zeitgenössische Kunst für seine Arbeit „Vaterhaus 3.0“ den Preis des Kunstvereins erhalten.
30 Meter lange Ausstellungswand
Der Künstler hatte darin Fotos, Briefe und Dokumente aus dem Leben seines Vaters montiert, die er erst nach dessen Tod gefunden hatte. Der Vater in Wehrmachtsuniform, der Wehrpass. Zeugnisse einer verschwiegenen oder verdrängten Vergangenheit.
Nun also Gewölbe: Gefunden hat die Form den Künstler vor über 30 Jahren, als dieser einen Pinsel auswusch. „Ich merke oft erst später, wenn etwas, was ich gesehen oder gelesen habe, in mir arbeitet“, sagt Hochmuth. „Und dann ist es für mich selbst eine Überraschung, was da entsteht.“ Entstanden sind über die Jahrzehnte – unter anderem – über 200 Zeichnungen des Gewölbebogens in unterschiedlichen Farben, Anmutungen, Helligkeiten, Ausstrahlungen. Alle aber gleichermaßen auf Blättern im ungewöhnlichen Format 17 x 21 Zentimeter. Den Block der Firma Sennelier hat er einmal in einem Geschäft in Basel entdeckt und sich seither immer wieder weitere bestellt.
120 dieser Zeichnungen wird Jürgen Hochmuth an der 30 Meter langen Wand des Kunstsalongs (daher der Name) zeigen – positioniert wie die Noten einer Partitur. Dazwischen Kleinskulpturen und Fundstücke wie ein Tierschädel.
„Ich habe davon geträumt, diese Wand zu bespielen, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe“, sagt Hochmuth. In „Der Atem des Gewölbes“ geht es um das Verhältnis von Innen und Außen, um Schutz und Verwundbarkeit, um Erinnern und Vergessen, aber auch um Neugierde und Entdeckungen. Die vielen Versionen des Gewölbes sind Widerhall von Gelesenem, Gehörtem, Gedachtem und Gefühltem – eben das, was zutage tritt, wenn Jürgen Hochmuth dem Unbewussten die Regie überlässt.
22. Februar bis 21. April. Öffnungszeiten Kunstsalong in der Kunsthalle: täglich 10-17 Uhr, Donnerstag 10-21 Uhr, montags geschlossen. Jeden ersten Donnerstag im Monat freier Eintritt.