Zwei Wochen bevor er nach 18 Jahren aus dem Amt als Landrat des Landkreises Bamberg geschieden ist, hat Dr. Günther Denzler (CSU) am 16. April mit seiner Unterschrift die Verordnung für das Waldnaturschutzgebiet „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“ in Kraft gesetzt. Seitdem lassen die Gegner des Schutzgebietes kein gutes Haar mehr an ihm, insbesondere auch aus den eigenen CSU-Kreisen. Der Bezirkstagspräsident von Oberfranken gilt seit langem auch als klarer Verfechter eines Nationalparks im nördlichen Steigerwald, der zugleich den Titel „Unesco-Welterbe“ für die Steigerwaldregion anstrebt. Ein Gespräch mit dem 66-Jährigen über sein angeblich rechtswidriges Verhalten und die Zukunft des Steigerwaldes.
Günther Denzler: Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Bamberg hat diese Verordnung auf der Grundlage des Paragrafen 29, Absatz 1 des Bundesnaturschutz-Gesetzes nach vielen Gesprächen mit Fachleuten und übergeordneten Stellen erlassen. Das Schutzgebiet umfasst 775 Hektar – das ist ein Bruchteil des Naturparks Steigerwald (128 000 Hektar). Nach jenem Paragrafen wurden in Norddeutschland Landschaftsbestandteile mit über 3000 Hektar erfolgreich unter Schutz gestellt. Bundesrecht gilt in ganz Deutschland – also auch in Bayern!
Denzler: Jede Verordnung kann natürlich auch aufgehoben werden, zum Beispiel wenn der Schutzzweck entfällt. Die Aufhebung muss aber nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und im gleichen förmlichen Verfahren erfolgen wie der Erlass der Verordnung. Zuständig ist auch hier die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Bamberg und nicht der Bayerische Landtag, nicht der bayerische Landwirtschaftsminister und auch nicht unser Ministerpräsident. Laut Medienberichten haben Landwirtschaftsminister und Umweltminister gemeinsam erklärt, dass die Verordnung „außer Vollzug gesetzt“ wird beziehungsweise werden soll. In einem Rechtsstaat würde das den Straftatbestand der Rechtsbeugung erfüllen.
Denzler: Der Kreistag zu Bamberg hat nahezu einstimmig den Landrat beauftragt, „die Potenziale des Steigerwaldes zu fördern und die Voraussetzungen für die Anerkennung als Weltnaturerbe zu schaffen“. Die Anerkennung als Weltnaturerbe setzt das Vorhandensein eines Schutzgebietes zwingend voraus. Vor diesem Hintergrund hat der Markt Ebrach bei der Regierung von Oberfranken die Ausweisung eines Schutzgebietes beantragt. Nach einem ersten Gespräch an der Höheren Naturschutzbehörde in Bayreuth geschah nichts mehr – wohl auf entsprechende Weisung übergeordneter Stellen. Um den Auftrag des Kreistages dennoch zu erfüllen, wurde seitens der Verwaltung nach anderen Möglichkeiten gesucht und Anfang 2013 das erwähnte Verfahren nach dem Bundesnaturschutzgesetz eingeleitet.
Denzler: Niemand hat die Staatsregierung ausgetrickst. Das Verfahren zog sich über ein Jahr hin, weil die Bayerischen Staatsforsten vorhandene Bestandspläne nicht zur Verfügung stellten, sodass die Untere Naturschutzbehörde gezwungen war, eigene Gutachten in Auftrag zu geben. Im Verfahren wurden die Träger öffentlicher Belange gehört, das heißt die Staatsregierung wusste frühzeitig Bescheid. Alle Einwendungen wurden sorgfältig gewürdigt. Dass die Staatsforsten nicht begeistert waren ist verständlich – aber „Eigentum verpflichtet“ (Artikel 14 Grundgesetz) nicht nur die Bürger, sondern auch die Staatsforsten: der öffentliche Wald dient nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur der Gewinnmaximierung, sondern auch dem Klimaschutz und der Umwelt/Artenvielfalt.
Denzler: Anfang 2014 habe ich in einem Acht-Augengespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer, Umweltminister Marcel Huber und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner ausführlich erläutert und dargelegt, warum die Ausweisung eines „Geschützten Landschaftsbestandteils“ sinnvoll und notwendig ist. Wir haben dann in guter Atmosphäre vereinbart, Mitte April 2014 gemeinsam den Nordsteigerwald (ohne Öffentlichkeit!) zu besichtigen. Leider wurde der Termin durch Indiskretion öffentlich und deshalb von der Staatskanzlei Anfang April gecancelt. Daraufhin wurde die Verordnung erlassen.
Denzler: Unesco-Weltnaturerbe ist seit 2007 unser Ziel. Damals hieß es, als Weltnaturerbe können nur Flächen ausgewiesen werden, die in einem Nationalpark oder in einem Biosphärenreservat liegen. Heute ist nach überwiegender Meinung für dieses Prädikat ein Großschutzgebiet ausreichend, das heißt mit dem vom Landratsamt Bamberg ausgewiesenen Geschützten Landschaftsbestandteil „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst" ist diese Voraussetzung erfüllt. Der Nordsteigerwald mit den hochwertigsten Buchenbeständen in Deutschland, ja sogar in Europa, stand auf Platz vier der vom Bundesamt für Naturschutz erstellten Vorschlagsliste für Weltnaturerbe der Unesco. Fünf Gebiete wurden an die Unesco gemeldet und anerkannt. Der Nordsteigerwald war nicht dabei. Hätten wir ein Schutzgebiet gehabt, wie es jetzt ausgewiesen wurde, wären wir heute Weltnaturerbe.
Denzler: Ich bin fest davon überzeugt, dass das vom Forstbetrieb Ebrach vorgeschlagene „Trittsteinkonzept“ – ein Fleckerlteppich mitten im Wirtschaftswald – nicht ausreicht, um Weltnaturerbe zu werden. Aber vielleicht ist das von der Staatsregierung auch gar nicht ernsthaft gewollt. Eine Bewerbung mit Alibifunktion nach dem Motto: „Wir haben’s ja versucht . . . wir haben’s ja immer gewusst, dass es hier nichts zu schützen gibt.“ Die Staatsforsten können dann weiter Biotopbäume umsägen und die Wälder ausräumen.
Denzler: Ein klares „Nein“. Beides sollte angestrebt werden! In Nationalparks boomt der Tourismus, die Besucher- und Übernachtungszahlen steigen, Gastronomie und Hotellerie, Handwerk und Einzelhandel verbuchen wachsende Umsätze, die Absatzmärkte für regionale Produkte werden gestärkt und zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Für Gemeinden in Nationalparkregionen stehen Förderprogramme des Staates, der EU und diverser Umweltstiftungen zur Verfügung. Da die Gegner dies bestreiten, habe ich wiederholt vorgeschlagen, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Obwohl die erforderlichen Mittel zur Verfügung standen, haben die Gegner eine solche Studie stets verhindert – warum wohl? Hinzu kommt, dass es in Naturwaldgebieten ohne Holznutzung die größte Vielfalt an Tier- und Pilzarten gibt, die Biomasse verdoppelt bis verdreifacht sich, und das Totholz reichert den Kohlenstoffvorrat im Boden an. Dies belegen unzweifelhaft die Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Jena. Ein Buchen-Nationalpark Nordsteigerwald könnte als echter Kohlenstoffspeicher zu einem Leuchtturmprojekt moderner bayerischer Klimapolitik werden.
Denzler: Ich bin davon überzeugt, dass der Nordsteigerwald eines Tages Nationalpark sein wird. Das Thema steht bei uns seit sieben Jahren auf der Tagesordnung. Auch bei den Nationalparken Kellerwald und Hainich hat es lange gedauert bis die Bürger überzeugt waren, dass mit einem Nationalpark mehr Vorteile als Nachteile verbunden sind. Heute schreiben die Gemeinden stolz auf ihr Ortsschild „Nationalparkgemeinde“. Bei uns wird es nicht anders sein.
Denzler: Die Gründung des Vereins Nationalpark Nordsteigerwald und der große Zulauf zeigen, dass sich diese Erkenntnis zunehmend auch bei uns durchsetzt – darüber freue ich mich!
Wenn sich andere Politiker die eigenen Taschen gefüllt haben und dabei erwischt werden, ist von genau diesen Anklägern hingegen Milde und Nachsicht zu erwarten.
Hobbyjuristen mit einem Absolutheitsgefühl ihres Rechtsverständnisses wähnen sich als unfehlbar, weil sie halbwegs Paragraphen nachplappern können.
Wem wurde denn was etwas gestohlen?
Anscheinend ausschließlich in den Nachbarlandkreisen.
Leute, seid ihr denn noch "normal"?
Wer kommt eigentlich für den wirtschaftlichen Schaden auf? Der Steuerzahler?
Es gehört schon ein gewisses Maß an Ignoranz dazu, ein rechtlich fragwürdiges Vorgehen zu bejubeln, oder dem Verantwortlichen einen Orden umzuhängen. Was passiert eigentlich, wenn rechtswidriges Verhalten festgestellt wird?
Also liebe Kommentatoren, lest bitte nochmal kritisch Eure Beiträge!
Entschuldigen Sie sich dann wenigstens dafür, dass Sie (und andere) hier in der Mainpost Herrn Dr. Denzler zum Teil Amtsmissbrauch unterstellten und Leser-Kommentatoren latent bei der Ausübung ihrer Meinungsfreiheit einschüchtern wollten?
Ex-Landrat Denzler tritt zudem den Beweis selbst an, widerlegt sich selbst und führt sich ad absurdum. Sicher steht im Art 14 Abs 2 GG das „Eigentum verpflichtet“. Aber als guter Jurist hätte er doch zuerst den Artikel 14 Abs 1 GG lesen sollen. Dort steht: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet“. (Art 14 Abs 1 GG). Muß man da jetzt noch weiterschreiben? Ich meine nicht. qed (wie der Mathematiker sagt).
Auch das mit den Staatsgeldern ist ein Märchen der besonderen Art. Ganze 36 Mio € stellt Bayern 2014 für den Naturschutz zur Verfügung. Wow!
Nö. Diese Interpretation ist zwar arg kurz gefasst, aber dann doch zu arg eigenwillig, als dass man jetzt noch mehr davon lesen wollte.
Aber wie Sie selber sagen, der Mathemathiker würde "q.e.d." drunter schreiben, quod esset demonstrandum. ;o
Erklären Sie mal, wie Denzler die demokr. Regeln übergangen haben soll - können Sie das auch so vollmundig wie Sie Vorwürfe äußern?
Nach meiner Kenntnis halten sich die Bayerischen Staatsforsten auch an die Verordnung, sonst würden sie sich strafbar machen.
Wer die Verordnung weg haben will, muß in einem rechtlichen Verfahren beweisen, daß dieser Teil des Waldes nicht schutzwürdig ist.
die Staatsregierung hat die guten, alten Bäume dort für vogelfrei erklärt!
Hier tickt doch was nicht richtig, oder?
Der mangelnde Dialog zwischen Unter- und Oberfranken ist eine Ursache der erbitterten Auseinandersetzung im Steigerwald. Wenn die Menschen im Steigerwald und vor allem auch die Kommunalpolitiker mehr miteinander reden und zuhören würden, ließen sich leichter Kompromisse und Lösungen, z.B. bei der Bewerbung zum Welterbe, finden.
Am vergangenen Montag haben wir Gerolzhöfer Stadtrat ausführlich über die Welterbebewerbung diskutiert. Die CSU argumentiert: Der von mir eingebrachte Konsensvorschlag käme zu früh! Nach mehr als 7 Jahren Diskussion über den Steigerwald?
Thomas Vizl
Mitglied im Stadtrat Gerolzhofen
"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen" Zitat von Altbundeskanzler Helmut Schmitt. Recht hat er! Wer demokratische Regeln übergeht, selbst wenn es nur Anstandsregeln wären, stellt sich neben unsere Gesellschaft und sollte sie nicht mit Amt und Würden vertreten dürfen.
man denke nur an den jüngsten Gerolzhöfer Stadtratsbeschluss.
Es bleibt nur zu hoffen, dass ein Welterbe und ein Nationalpark noch rechtzeitig eingerichtet werden können. Artikel wie "Im Steigerwald beginnt der Holzeinschlag", erschienen am 08.10.14 in dieser Zeitung, bestätigen unsere Befürchtungen. Zu begrüßen ist das Bemühen der Mainpost, beide Positionen dazustellen, also die der Nationalparkgegner und die seiner im zahlreicher werdenden Befürworter. Öffentlichkeit herzustellen ist eine der Funktionen von Presse in einer Demokratie. Dafür ein Lob an die Mainpost!