Das alte Walmdachhaus mit der Heiligenfigur im Giebel, die Fachwerkscheune oder die sandsteinernen Torpfosten mit Fußgängerpforte: Alle drei Beispiele sind an Gebäuden im Oberen Werntal zu finden, sie prägen das Gesicht ihres Ortes mit. Damit dieses Bild in seiner Eigenheit erhalten bleibt, sollen die privaten Eigentümer beim Erhalt unterstützt werden. Deshalb erarbeitet die Allianz Oberes Werntal derzeit in einem bayernweiten Modellprojekt neue Möglichkeiten zur Förderung.
Interkommunales Denkmalkonzept (IKDK) nennt sich das neuartige Vorhaben, bei dem in den 46 Orten der zehn Allianzgemeinden erhaltenswerte und ortsbildprägende Gebäude erfasst werden. Aber nur solche im Privatbesitz, öffentliche Gebäude sind außen vor. "Weil wir mehr den privaten Bereich unterstützen wollten", gibt Johannes Krüger vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken an.
Partnerschaft der Behörden in Gemeinschaft mit den Gemeinden
Der Leiter der Abteilung Land- und Dorfentwicklung für den Landkreis Schweinfurt holte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) mit ins Boot, um pilothaft herauszufinden, was dieses fördern kann und was über das ALE und eine einfache Dorferneuerung möglich ist. "Diese Partnerschaft der Behörden in Gemeinschaft mit den Gemeinden ist neu", unterstreicht Thomas Gunzelmann vom BLfD. Auch die Größe des Vorhabens für 46 Dörfer ist bislang einmalig.
Seit Jahresbeginn wird nun in einem sogenannten Modul 1 die historische Bausubstanz erfasst, als Grundlage für eine mögliche spätere Förderung. Denkmalgeschützte Objekte sind bereits bekannt.
Mit Fotoapparat und amtlichen Ortsplänen bestückt, sind die Fachfrauen Christiane Reichert (Bamberg) und Sabine Fechter (Fladungen) unterwegs, aufgeteilt nach Gemeinden. "In den kleinen Dörfern sind die Leute interessiert und fragen nach, was ich da mache", berichtet die Kulturwissenschaftlerin Fechter. "Nur einmal wollte ein Hausbesitzer nicht, dass ich fotografiere", aus Angst vor dem Denkmalschutz.
Fechter erklärt, dass sie keinen denkmalpflegerischen Erhebungsbogen erstellt, sondern eine reine Häuserinventarisierung vornimmt, "schon aus Zeit- und Budgetgründen". Sie interessieren vor allem die Häuser und Nebengebäude mit historischer Substanz, die nicht Denkmalqualität erreichen, aber einen Eigenwert als Geschichtszeugnis besitzen. Typische Bauweisen und Baumaterialien zählen dazu und natürlich wird der Zustand des Hauses bewertet.
Je jünger das Haus ist, umso strenger ist der Bewertungsmaßstab
Aufgenommen werden von ihr diejenigen Häuser, die nicht zu sehr überformt sind. Bis in die 1950er-Jahre können Gebäude interessant sein. "Je jünger das Haus ist, umso strenger ist der Bewertungsmaßstab", so Fechter. Am Beispiel einer Bäckerei in der Poppenhäuser Hauptstraße erklärt sie das potenzielle ortsbildprägende Objekt: Ein Wohn- und Geschäftshaus mit Halbwalmdach, erste Hälfte 19. Jahrhundert, unter dem Putz wahrscheinlich Fachwerk verborgen, im Erdgeschoss Fliesenverkleidung aus den 1960er-Jahren, Fenstereinfassungen aus Sandstein sowie ein Sandsteingesims zwischen Erd- und Obergeschoss, unten ein Sandsteinsockel, Bauzustand: mittel.
Ihr amtlicher Plan enthält bereits denkmalgeschützte Gebäude sowie Leerstand, Stand 2017. "Da hat sich viel verändert", weiß Fechter. Es wurde abgerissen, neu gebaut oder neuer Leerstand kam hinzu. "Wenn es offensichtlich ist, halte ich das fest".
Ihre Arbeit soll bis ins Frühjahr fertig sein. Im Architekturbüro Perleth werden die Informationen in eine geodatenbasierte Datenbank eingetragen und mit einem Geoinformationssystem verknüpft. Daraus entstehen ein bebilderter Katalog und eine Ergebniskarte über den Ort, erklärt Stadt- und Raumplanerin Leonie Kuhn.
In einem Modul 2 analysiert das Architekturbüro die Schwächen eines Ortes, welche Gebäude besonderen Handlungsbedarf haben. Es erarbeitet Vorschläge, wie sie erhalten und entwickelt werden könnten. Das sind allerdings nur informelle Planungen, ohne Rechtswirksamkeit.
Den Eigentümern ein freiwilliges Angebot machen
"Wir wollen den Eigentümern im Modul 3 ein freiwilliges Angebot machen und Hilfe anbieten, die sie entweder über das Amt für Ländliche Entwicklung und das Projekt ‚Werntal Dorf‘ oder über uns als Denkmalseite erhalten können", ergänzt Thomas Gunzelmann vom BLfD. "Da besteht keinerlei Zwang."
Zwar könne es im seltenen Fall durch die Kartierung möglich sein, dass ein Gebäude neu als Denkmal hinzukomme. Aber in diesem Fall erhalte der Besitzer bei einer Sanierung gute Beratung und "er hat genügend Bewegungsfreiheit". Der Mehraufwand könne fast völlig abgeschrieben werden und es seien Zuschüsse bis 80 Prozent möglich.
Den anderen Weg des Moduls 3 können die Gemeinden beschreiten, die eine einfache Dorferneuerung, das "Werntal Dorf", ohne großen bürokratischen Aufwand beim ALE beantragen können. Damit verschaffen sie den betroffenen Hausbesitzern eine kostenlose Erstberatung durch einen Architekten und je nach Fall Fördermittel aus dem ALE-Topf, erklärt Johannes Krüger. "Im Idealfall greift das ‚Werntal-Dorf‘ für die Bereiche, die nicht in einer Dorferneuerung oder Städtebauförderung sind."
Krüger weiß, dass bei Problemfällen immer zuerst der Wille für eine Sanierung stehen muss, des Hausbesitzers, der Dorfgemeinschaft oder des Bürgermeisters. Es geht ihm um Bewusstseinsbildung, wie das Gesicht des Dorfes von morgen aussieht.