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SCHWEINFURT
Den Vogel aus dem Käfig lassen, darauf kommt es an
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 25.01.2018 02:47 Uhr

Durch Wind und Wetter kämpften sich die Literaturfreunde ins Museum Georg Schäfer, um sich von Markus Orths aus seinem neuen Roman vorlesen zu lassen. Und sie wurden nicht enttäuscht, denn er nahm die Gäste mit auf die Reise durch ein Künstlerleben, das intensiv und farbig auch die dramatische Zeitgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts abbildet.

Max Ernst, geboren im Jahr 1891, wurde weltberühmt als Künstler des Dadaismus und Surrealismus, und der Schriftsteller Orths zog als roten Lebensfaden die Beziehungen des Künstlers zu sechs Frauen durch seinen Text. Zuvor erzählte er spannend die Entstehungsgeschichte seines Buches.

Die Begegnungen mit Menschen prägten sein Leben

Aus einer Auftragserzählung für das Max-Ernst-Museum wuchs der mehr als 600 Seiten starke Roman. „Wie ist ein Mensch geworden, wie er ist?“, das sei die Fragestellung gewesen bei seinen Forschungen über diesen faszinierenden Künstler. „Max Ernst führte ein so ungeheuerlich intensives Leben, dass ich gar nichts dazuerfinden wollte“, so Orths. Es seien die Begegnungen mit den Menschen, die ein Leben prägen, und er verweist neben den Frauen auch auf die Künstlerfreundschaften mit Hans Arp und Johannes Theodor Baargeld.

Sie begründeten den Dadaismus in Deutschland mit, jene revolutionäre Kunstform, die ganz besonders die Kunst der Moderne beeinflusste.

„Wir wollen nicht mehr das Neue in die alten Gefäße füllen, sondern die alten Gefäße zertrümmern!“ So seien die Dadaisten nicht nur in der Kunst provokativ gewesen, sondern hätten sich auch mit viel Witz und Phantasie gegen Obrigkeitsdenken und Nationalismus gewandt und gegen die Kriegslogik der Epoche. „Er war sehr früh auf Krawall gebürstet“, erzählt Orths.

Den Krieg als intensivsten Einschnitt in sein junges Leben bezeichnete Ernst selbst sehr deutlich: „Max Ernst starb am 1. August 1914. Er kehrte zum Leben zurück am 11. November 1918.“ In dieser Wiedergeburt dürften viele Hinweise auf sein künstlerisches Werden liegen.

Und die Frauen! Seine erste Frau wurde Luise Straus, eine promovierte Kunsthistorikerin, die unter anderem auch Reden für den damaligen Kölner Oberbürgermeister Adenauer schrieb. Später zog er nach Paris und lebte in einer Dreiecksbeziehung mit Gala und Paul Eluard, einem surrealistischem Lyriker.

Als deutscher Spitzel verhaftet

Die vierte Frau seines Lebens, Leonora Carrington, sei wohl die Liebe seines Lebens gewesen, meinte Orths. Mit ihr lebte er seit 1938 in Südfrankreich. Orths beschreibt das „Zauberhaus“ so bildhaft, dass man sofort dorthin reisen und teilhaben möchte an dieser Idylle, einer Insel inmitten des beginnenden Wahnsinns, der in den Zweiten Weltkrieg münden sollte. Der Wahnsinn ergriff das Liebespaar, indem Max Ernst als deutscher Spitzel verhaftet wurde.

Wie Max Ernst die Emigration nach Amerika gelang, erzählte Orths im letzten seiner klug ausgewählten Textstücke, die allesamt großen Appetit auf die weitere Lektüre machten und darauf, Max Ernsts Bilder im großen weiten Internet nachzuschlagen. Schließlich gibt es da noch weitere faszinierende Menschen, mit denen Max Ernst zusammentraf und die ihn zu dem Menschen machten, der er war: Meret Oppenheim, Peggy Guggenheim, Dorothea Tanning und sowieso die Avantgarde der internationalen modernen Kunst, die von den Nazis in weiten Teilen als „entartet“ diffamiert wurde.

Eines der immer wiederkehrenden Motive des Künstlers sei der Vogel gewesen, so Orths. Dieser sei bezeichnend für Ernsts Freiheitsdrang gewesen. Den Vogel aus dem Käfig zu lassen, darauf komme es wohl an.

 
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