
So hat sich der Folterknecht das Verhör nicht vorgestellt. Er will sich gerade ein wehrloses Opfer vorknöpfen, da klopft es an der Stahltür: Protest-Post für den Schergen. Der erste Brief wird noch höhnisch zerfetzt, auch der zweite und dritte, aber es werden immer mehr und das Kuvert am Ende unter der Tür hindurchgeschoben. Irgendwann gibt der brutale Büttel entnervt auf. Zur Feierstunde "50 Jahre Amnesty Ortsgruppe Schweinfurt", gab es diesen flotten Werbeclip aus Frankreich über die dahinter stehende, internationale Menschenrechtsorganisation, außerdem eine filmische Rückschau.
Gegründet wurde "Amnesty International (ai)" 1961 durch einen Londoner Anwalt. Peter Benenson reagierte damit auf willkürliche Verhaftungen des Salazarregimes in Portugal. Dort herrschte, ebenso wie in Spanien oder Griechenland, noch bis in die 70er Jahre Diktatur.
1972 am Celtis-Gymnasium gegründet
Schulleiterin Birgit Weiß hatte zur musikalisch umrahmten Feierstunde begrüßt, in der Aula des Celtis-Gymnasiums. Am gleichen Ort wurde 1972 der lokale Amnesty-International-Ableger aus der Taufe gehoben, unter Federführung des damaligen Rektors Fritz Zahn. Bürgermeisterin Sorya Lippert blickte im Grußwort auf eigene Erfahrungen zurück, während ihrer Jugend im Pakistan der 60er Jahre: "Eine Welt, in der manche Ungerechtigkeiten so selbstverständlich waren, dass man sie gar nicht gesehen hat."
Lippert erinnert sich an Kinder als Leibdiener, steineklopfende Familien, Gewalt als Ordnungsinstrument, inhaftierte Politiker. Die Festrednerin warnt davor, solche Länder "von gleich zu gleich" beurteilen zu wollen, aus der Zone des Wohlstands heraus. Allerdings, die Welt ein klein wenig besser zu hinterlassen, als man sie vorgefunden hat, das sollte man schon versuchen, findet Lippert.
Kampf mit Briefen und Petitionen
Die Amnesty-Gruppe versucht es, kämpft mit Briefen und Petitionen gegen das Verschwindenlassen gewaltloser Dissidenten, gegen Folter und Todesstrafe. Sprecher Ulrich Philipp sieht überall Handlungsbedarf, zwischen Antiterrorkrieg und Guantanamo, Putin-Russland und chinesischen Umerziehungslagern. Zugleich erinnert er an Journalistenmorde in Malta und der Slowakei.
Gezeigt wird das "Lieblingsbuch von Amnesty", die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, "verfasst nach dem Grauen und den unmenschlichen Taten des Zweiten Weltkriegs". 1977 hat Amnesty International den Friedensnobelpreis erhalten.
Die ehemalige Schülerin Isolde Götz berichtet von der Gründung 1972, die Zeit von Willy Brandt, der 68er, des allgemeinen Aufbegehrens: "Das Ziel war eine bessere Welt". Die Kampagne von Amnesty International zur Abschaffung der Folter sei wohl unmittelbarer Anlass gewesen, "das Thema des Jahres". In einer ersten Aktion auf dem Marktplatz wurde den braven Schweinfurtern ein Holz-Foltergerät präsentiert.
1980 kam der erste Schützling frei
Das Briefeschreiben der Gruppe brachte 1980 Erfolg, der erste Schützling, ein südkoreanischer Autor, kam aus der Haft frei. Um an Spenden zu gelangen, haben die lokalen Aktivisten schon mal Überweisungsformulare unter Scheibenwischer geklemmt, zur "Freude" des Ordnungsamts. Götz zitiert Carola Stern, Mitbegründerin der deutschen Sektion: "Das Vernünftigste, was ich im Leben getan habe."
Mitgründer Hermann Probst erinnert sich an ein Zusammensitzen der Schüler am sommerlichen Baggersee. Die Gründung der Gruppe sollte den Humanismus, der am Celtis gepredigt wurde, umsetzen. "Man kommt dem Menschen nahe, den man betreut", sagt der Theologe. Oft lerne man auch dessen Angehörigen kennen: "Die Wand des Gefängnisses wird durchlässiger." Ein Drittel der "Adoptionen" wird freigelassen.
Ziel ist der Aufbau einer Amnesty-Jugendgruppe
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse Q11, rund um Sozialkundelehrer Martin Krebs, haben sich mit aktuellen Opfern politischer Repressalien befasst: Vorgestellt werden Marina Ovsjannikova (Russland), Landsmann Alexei Nawalny, Natallia Hersche (Belarus), Osman Kavala (Türkei), Jamshid Sharmahd und Soheila Hejab (Iran), Raif Badawi (Saudi-Arabien) oder die Ägypterin Hanin Hossam, ebenso bedrohte Minderheiten wie Rohingya und Uiguren.
Auf Plakaten, rund um das Konterfei der afghanischen Freiheitskämpferin und Nobelpreisträgerin Malala, hat sich die nächste Generation Gedanken über Menschenrechte gemacht, bei denen es nicht nur um die Abwesenheit staatlicher Wilkür geht. Sauberes Trinkwasser, Frauenrechte, faire Arbeitsbedingungen sind weitere Anliegen. Ziel ist eine Amnesty-International-Jugendgruppe am Gymnasium. Schülersprecher Marvin Nardelli kündigt eine Spende an, im Kampf für die bessere Welt.