Die erste Vesperkirche in Bayern ist am Sonntag nach drei Wochen mit einem Gottesdienst und der erneut großen Anzahl von 500 Gästen zu Ende gegangen. Der Geist, den dieses gelebte Miteinander für Leib und auch für die Seele bei vielen bewirkt hat, der werde weiterleben, zeigte sich Dekan Oliver Bruckmann überzeugt. Auch „Partner“ Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa sprach von einem „großen Erfolg“, wofür allein die unerwartet hohe Zahl von 10 686 Gästen in den zurückliegenden 22 Tagen spreche.
Kurzfristig eingesprungen für die erkrankte Regionalbischöfin des Kirchenkreises Würzburg-Ansbach, Gisela Bornowski, sparte Bruckmann in seiner Predigt vor der letzten Vesper aber auch die während der Zeit geäußerten kritischen Stimmen nicht aus. Das täglich erlebte „Angenommensein und Einanderannehmen“ sei für die ganz große Mehrheit ein Erlebnis und eine wunderbare Erfahrung gewesen, die für St. Johannis, die Kirche in der ganzen Stadt, im Dekanat und in der Diakonie Spuren hinterlassen und nachwirken werde.
Den Veranstaltern war es neben der erfreulichen Resonanz weit wichtiger, dass es an den Tischen, in der Cafeteria und in den Kirchenbänken täglich über alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg zu vielen guten, mitunter einzigartigen Begegnungen und Gesprächen kam. Bruckmann schilderte einige dieser Aufeinandertreffen von unterschiedlichsten Menschen, die „miteinander ein Stück Leben geteilt haben“.
Man begegnete dem stadtbekannten Mann mit der blauen Jacke, der berichtete, dass er, wenn er zu Nikolaus gebucht werden würde, sich gar nicht groß verkleiden müsse mit seinem weißen Rauschebart. Oder der älteren Dame, die es einfach genossen hat ihrer Einsamkeit zuhause entfliehen und „mal wieder in netter Gesellschaft essen zu können“. Oder dem Asylbewerber aus Äthiopien, der den Tischnachbarn erfreut vom ersehnten Nachzug seiner Familie berichtete.
Oft zu beobachten waren Begegnungen von sichtbar erfolgreichen Menschen mit solchen, die aus der Laufbahn geworfen worden sind. In der Vesperkirche seien viele solcher Gespräche auf Augenhöhe gelungen. „Da werden wir einander gerecht“, sagte Bruckmann.
Dass niemand draußen bleiben musste, lag natürlich auch am Symbolpreis von 1,50 Euro fürs Mittagessen – am Sonntag für Hirschbraten mit Kartoffelknödel oder Brokkoli-Kartoffel-Gratin für die Vegetarier. „Alle sollten sich angenommen fühlen, vielleicht sehen das auch die, die mit der Begründung ausgetreten sind“, die Kirche kümmere sich nicht um Gerechtigkeit, so Bruckmann.
Der Dekan stellte sich den Kritikern, die zum Beispiel auch gemeint hatten, dass man in einer Kirche nicht essen darf. Gott habe uns so geschaffen, „dass wir an Leib und Seele ernährt sein wollen“, sagte er. Und dazu könne auch der Tipp gehören, wie man die wahnsinnigen Energiekosten zuhause in den Griff bekommt, dazu könne Blutdruckkontrolle, Haareschneiden und Fußpflege gehören. „Na wie bei Jesus halt, der den Menschen beim Essen die Füße wusch“, sagte der Dekan mit einem Lächeln auf den Lippen.
Kritik an der Vesperkirche wurde auch bei der Jahresversammlung des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Schweinfurt wegen der „merklichen Rückgänge beim Mittagstisch“ während der drei Wochen geäußert. Der soziale Hintergrund der Aktion wurde zwar gelobt, die Größenordnung mit über 400 Portionen täglich und die Dauer aber in Frage gestellt. Die Verantwortlichen wollen sich für nächstes Jahr um eine „einvernehmliche Lösung“ bemühen. Keßler-Rosa wollte sich jetzt nur insofern äußern, als er erinnerte, dass man die Wirte vor der Vesperkirche informiert habe. „Aber wir werden reden“, sagte er.
Über das Projekt lasse er aber nichts kommen. „Das war ein Traum“, sagte der Diakoniechef. Die Vesperkirche sei zum Tagesgespräch im Dekanat, in der Diakonie, in der Stadt und über die Region hinaus geworden. „Vesperkirche hat funktioniert, das Konzept ist aufgegangen“, resümierten Keßler-Rosa und Bruckmann.
Vesperkirche in Zahlen
10 686 Essensportionen sind in den 22 Tagen der Vesperkirche ausgegeben worden. Eine Großleistung der Leopoldina-Küche, die wegen des nicht ganz erwarteten Ansturms von den Köchen des Löhe-Heims unterstützt werden mussten.
Helfer: Die Vesperkirche begeisterte so viele Menschen, dass viele ihre Hilfe anboten. Die Zahl der Ehrenamtlichen wuchs so von anfangs 180 auf über 250 Frauen und Männer. Täglich waren rund 60 im Einsatz. 4500 Stunden ehrenamtliches Engagements sind zusammengekommen. 210 private Kuchenbäcker haben über 500 selbst gebackene Kuchen gebracht. Hinter den Kulissen halfen Schweinfurter als Wäscher der Vesperkirchen-Schützen und Geschirrtücher. Spender: Viele Gäste ließen sich auf ihren Zehn- und 20-Euroschein fürs Mittagessen nichts rausgeben. Wegen der Resonanz müssen die beiden Veranstalter mehr als 45 000 Euro zusammenbringen. Dekanat und Diakonie hoffen, dass die „noch erforderlichen Spenden in den nächsten Wochen eingehen“.
Ausblick: Die Vesperkirche Schweinfurt wird 2016 wieder in den kalten Wochen Anfang des Jahres in St. Johannis ihre Pforten öffnen. hh