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BAD KISSINGEN
Das Schicksal der vierten Sinfonie
Redaktion
 |  aktualisiert: 05.07.2012 12:03 Uhr

Beethovens vierte Sinfonie hat es schwer. Es herrsche seit Generationen „ein regelrechter Glaubenskrieg zwischen den Interpreten, welche Tempi die korrekten Beethoven-Tempi seien“, erklärte Musikkritiker Peter Stieber vom Südwestrundfunk die Schwierigkeit gerade bei Beethovens Vierter. Vor leider nur zehn Zuhörern – trotz freien Eintritts – diskutierte er am Sonntag gemeinsam mit Eleonore Büning (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung), Hans-Klaus Jungheinrich (Frankfurter Rundschau) und Volker Hagedorn (Die Zeit) als Quartett der Kritiker zur Einstimmung aufs abendliche Sinfoniekonzert.

Die vierte Sinfonie habe „ein schweres Schicksal“, so Büning. Kritiker empfänden sie oft als zu leichtgewichtig. Dabei sei doch die Interpretation abhängig vom Dirigenten. Anhand mehrerer Klangbeispiele in historischen und zeitgenössischen Aufnahmen dokumentierten die Diskutanten die Verschiedenartigkeit möglicher Interpretationen von Riccardo Chailly und Herbert von Karajan, von Wilhelm Furtwängler und Otto Klemperer, von René Leibowitz und Daniel Barenboim.

„Zeit ist relativ“, meinte deshalb Büning. In der Musik „kommt es auf das Empfinden an“. Das zeitliche Tempo sei „nicht gleichzusetzen mit dem inneren Tempo“, stimmte ihr Jungheinrich zu. Da Beethovens Vierte noch nicht so festgelegt sei wie die Fünfte oder Neunte, hätten Dirigenten hier alle experimentellen Möglichkeiten. Stieber meinte gar, kein anderer Sinfoniker biete so vielfältige Möglichkeiten der Interpretation wie Beethoven.

Dass selbst erfahrene und auf nüchternen Abstand bedachte Musikkritiker sich von wahrer Kunst immer noch fesseln lassen können, bekamen die Zuhörer nach einem Klangbeispiel von Wilhelm Furtwängler zu spüren. Büning, die diese Aufnahme erstmals hörte, gestand fasziniert, „es hat mich erwischt“. Kollege Jungheinrich sparte sich großen Kommentar: „Wir können Furtwängler mit Worten nicht fassen.“

Oft komme es auf den Dirigenten an, meinte Hagedorn. Am Beispiel zweier Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern, einmal unter Simon Rattle („Er macht eine sinfonische Vollbremsung“), das andere Mal unter Claudio Abbado („erstaunlich dramatisch“), machte er den Unterschied hörbar: „Dieselben Musiker, aber eine völlig andere Interpretation.“ Sigismund von Dobschütz

 
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