
„Wir wollen Friedrich Rückert wieder sichtbar und aktuell machen“, sagt Hans Schäfer, Mitglied des Friedrich-Rückert-Arbeitskreises Oberlauringen. Durch Zitate des Dichters, die auf einigen Hauswänden der Mitglieder des Arbeitskreises zu finden sind, soll dieses Vorhaben durchgesetzt werden. Denn der Sprachgelehrte und Begründer der deutschen Orientalistik spielt für das 667 Einwohner große Dorf eine enorme Rolle.
Von 1793 bis 1802 lebte der kleine Friedrich im Alter von vier bis 14 Jahren im Stadtlauringer Ortsteil Oberlauringen. Sein Vater war in diesen Jahren Amtmann beim Freiherrn Carl August Truchsess von Wetzhausen zu Oberlauringen. Wie es auch in einer Broschüre zum Rückert-Rundweg steht, muss der Junge „hier eine sehr prägende Zeit erlebt haben, denn im Jahr 1829 schrieb er darüber 43 Gedichte.“ Diese Stücke sammelte er später im Alter von 41 Jahren im Gedichtband „Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfmannssohnes“ zusammen.
Alles begann 2011
Vor fünf Jahren, im Jahr 2011, anlässlich der 1200 Jahr Feier des Dorfes fand alles seinen Anfang. Damals überlegte sich Schäfer, wie man Rückert wieder greifbar machen könne. Denn in der eigenen Kindheit wurde beim damaligen Dorflehrer viel über den alten Rückert gelehrt. „Ich würde sagen, dass unser Lehrer der Initiator des Wiederauflebens von Rückert war“, erzählt Schäfer. Er habe damals alte Gedichte, die des Öfteren einen Bezug zur Heimat haben, wieder ausgegraben und in der alten Schule, die momentan zum Rückert-Poetikum umgestaltet wird, behandelt. So entstand die Idee ein Zitat auf die eigene Hauswand zu machen, um somit Rückert wieder ins Bewusstsein der Dorfbewohner zu bringen. Gesagt – getan. Bereits vor dem großen Fest kamen noch weitere Sprüche auf anderen Hauswänden dazu. Bei der folgenden 1200 Jahr Feier fanden diese Malereien großes Gefallen bei den Dorfbewohnern und Gästen. Vielen Anwohnern gefiel die Idee so gut, dass sie selber auch einen solchen Spruch auf ihrer Hauswand stehen haben wollten. Deswegen meldete sich der in Schweinfurt lebende Historiker Dr. h.c. Rudolf Kreutner und stellte zusammen mit der Marktgemeinde eine Liste mit Zitaten des Dichters zusammen, aus der sich Interessenten ein Zitat auswählen konnten.
Ein Aufruf wurde gestartet und nach und nach meldeten sich sechs Interessenten, sodass heute in Oberlaurigen elf Zitate des Dichters Friedrich Rückert auf Hauswänden und Tafeln vor den Häusern zu finden sind.
Lebensweisheiten an der Hauswand
Beweggründe für die Auswahl des jeweiligen Spruches gab es viele. Oftmals wolle man damit vor allem die Verbundenheit zwischen Oberlauringen und Friedrich Rückert ausdrücken. Es sei „einfach ein originelles und interessantes Projekt, das wir umsetzen wollten“, sagt Klaus Derleder, der selbst eine Tafel mit der Aufschrift „Bewundern, lieben, anerkennen – wer das nicht kann, ist arm zu nennen.“ vor seinem Fachwerkhaus stehen hat.
Hauptsächlich sind die Zitate an den Häusern der rund 20 Arbeitskreis-Mitglieder zu finden. Inhalte der Zitate sind zumeist Lebensweisheiten, allgemeingültige Werte unserer Gesellschaft, Heimatverbundenheit und Religion als Anker des Lebens.
So kann man an der Hauswand von Frau Raab folgendes Zitat Rückerts finden: „Schlägt die Hoffnung fehl, nie fehle Dir das Hoffen. Ein Tor ist zugetan, doch tausend sind noch offen.“ Als sie vor einigen Jahren diesen Spruch in der Liste der vorgeschlagenen Zitate entdeckte, habe sie sich sofort mit ihm identifizieren könne, erzählt sie. Denn auch in schweren Lebenssituation dürfe man nie vergessen, dass es immer einen Weg zur Besserung gebe.
Im Vorgarten eines Hauses im Neubaugebiet ist eine Tafel mit folgenden Worten Rückerts zu finden: „Gib nicht zu schnell Dein Wort, so brauchst Du?s nicht zu brechen! Viel besser ist es mehr zu halten als versprechen.“ Ein Wert, dem in unserer Gesellschaft laut Arbeitskreis-Mitgliedern wieder mehr an Bedeutung gewinnen sollte. Als nächstes findet man in der Unteren Judengasse einen Spruch mit Heimatbezug. „Als ein Wanderer will ich schaun, Alles Ferne wohl einmal, Aber dann mein Hüttchen bauen im bebüschten Heimatthal.
“ Familie Haas suchte sich diesen Spruch 2011 aus, weil „er zeitgemäß ist und man nun einmal ab einem bestimmten Alter realisiert, wo man wirklich zuhause sein möchte und sich wohl fühlt.“
Spitzenreiter ist Hans Schäfer mit fünf Zitaten an den Mauern seines ehemaligen Hauses. Hier platzierte er vor allem Sprüche, die von Heimatliebe und Verbundenheit zur christlichen Religion zeugen. „Nicht der Main war mein Vertrauter; der so breit dort fließt, nein, du, o Leinach, du so lauter sich am Dorf ergießt.“ oder auch „Gott gibt zur rechten Zeit steht?s was du brauchst zum Leben, Wenn du nur immer rechts gebrauchest, was er gegeben.“
Den Worten Rückerts wieder einen aktuellen Bezug geben und in der heutigen Gesellschaft verankern – das Ziel des Arbeitskreises ist hoch gesteckt. Doch die Umsetzung funktioniert. Oberlauringen bietet als „Rückert-Dorf“ einen historischen Ortssparziergang mit verschiedenen Stationen an, bei dem unter anderen die Rückert-Pforte und der Rückertkeller besichtigt werden können, wo einst die Eltern Rückerts mit dem jungen Friedrich das Amtmannshaus bewohnten. Des Weiteren gibt es einen „Rückert Rundweg“ mit Stationen aus der Kindheit des Dichters.
Über eine Länge von 2,4 Kilometer gibt es an neun Stationen Verschiedenstes über Rückert zu erfahren. Der Arbeitskreis bietet hierfür ab einer Gruppengröße von fünf Personen jederzeit kostenlose Führungen an. „Unsere Gäste kommen nicht nur aus dem Schweinfurter Landkreis“, erzählt Klaus Derleder, Mitglied des Arbeitskreises. „Von Frankfurt über Bamberg bis Coburg - auch jede Altersklasse war hier schon vertreten.“ Schön sei es auch, dass die Gäste in der „Rückert-Herberge“ direkt zwischen Kirchenburg und Rückert-Poetikum übernachten können.
Führungen durchs Dorf
An den Führungen durch das Dorf gibt es laut Arbeitskreis immer mehr Interesse. Im vergangenen Jahr wurde rund 300 Gästen das Leben Rückerts in Oberlauringen näher gebracht. In diesem Jahr rechnet man mit fast 1000 Gästen. Das Rückert-Jahr anlässlich des 150. Todestages des Dichters ist ein Grund für dieses besonders große Interesse der Öffentlichkeit. Zudem wird das Rückert-Poetikum im alten Rathaus in Oberlauringen bis Ende des Jahres fertig. Hier findet auch wieder Gedanke des Aktuell werden Platz. So wie früher zu Schulzeiten von Hans Schäfer Friedrich Rückert durch den damaligen Dorflehrer wieder auf die Bildfläche trat, so wird auch im Jahr 2016 Rückert für die Grundschulkinder des Marktes Stadtlauringen aktuell und greifbar.
Unter der Leitung von Frau Baumann wurde in der zweiten Klasse in den vergangenen Wochen ein Schattenspiel zu Rückerts Gedicht „Vom Büblein, das überall mitgenommen hat sein wollen“ inszeniert. Nach einer öffentlichen Aufführung wird dieses später auch als Video im Rückert-Poetikum zu sehen sein. Doch die Kinder sind nicht erst durch dieses Schattenspiel mit dem Dichter in Berührung gekommen. Die Grund- und Mittelschule in Stadtlauringen und Oberlauringen wurde nach Friedrich Rückert benannt. Außerdem sind über jedem Klassenzimmereingang in der Oberlauringer Grundschule schon seit vielen Jahren Zitate des ehemaligen Oberlauringers zu lesen. Für sie beginnt jeden Morgen der Schultag mit Rückerts Worten.
Nach diesem Besuch im nördlichsten Dorf des Marktes Stadtlauringen ist klar - von Zitaten Rückerts an Hauswänden, über einen Rückert Rundweg, ein Rückert-Poetikum, einen Rückert-Arbeitskreis, der offiziellen Bezeichnung als Rückert-Dorf bis zu Rückert Aufführungen bei Grundschülern – der Dichter und Orientalist hat für Oberlauringen wohl eine solch große Bedeutung, wie für kein anderes Dorf.