Egal ob Blockbuster oder Dokumentation, ohne Musik kommt kaum ein Film aus. Ein Blockbuster-Regisseur hat bei Damian Scholl zwar noch nicht an die Tür geklopft, der junge Komponist aus dem Kolitzheimer Ortsteil Gernach, der in Berlin lebt und arbeitet, hat durchaus aber schon bedeutende Filmproduktionen vertont. Zum Beispiel die Kinodokumentation über Joseph Beuys, einen der umstrittensten Künstler des 20. Jahrhunderts.
Die Musik wurde 2018 für den Deutschen Filmpreis nominiert und gewann im gleichen Jahr beim DOK.Fest München den Deutschen Dokumentarfilm-Musikpreis. Oder ganz aktuell, die Dokumentation über Hilma af Klint, die lange unentdeckt gebliebene Pionierin der abstrakten Malerei. Seit 5. März läuft der Film "Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint" in den deutschen Kinos. In Schweden, wo der Film bereits seit Oktober zu sehen ist, hat er großen Anklang gefunden. In Schweinfurt wird er vom 12. bis 18. März im KuK-Filmtheater gezeigt.
Damian Scholl: Ja, die Regisseurin hat tatsächlich bei mir angerufen. Sie war durch den Film über Joseph Beuys auf mich aufmerksam geworden, für den ich gemeinsam mit Ulrich Reuter die Musik geschrieben habe und mit der wir 2018 dann für den Deutschen Filmpreis in der Kategorie "Beste Filmmusik" nominiert wurden. In meiner Branche bewirbt man sich in der Regel nicht initiativ. Vieles läuft hier über persönliche Kontakte und Empfehlungen. Man muss gute Arbeit machen, ein scharfes Profil haben und Networking betreiben.
Scholl: Zuerst gibt es einmal ein Kennenlerngespräch. Für mich ist die Persönlichkeit des Regisseurs bzw. der Regisseurin ganz wichtig. Die Chemie muss passen. Und ich muss hinter dem Film stehen können. Dann schaut man sich die zu vertonenden Szenen an und überlegt, welche Stimmung vermittelt werden soll. Meist ist schon eine Musik angelegt, um die unterschiedliche Wirkung der Musik/Bild-Kombination zu testen. Der Komponist weiß dann, in welche Richtung der eigentliche Soundtrack gehen soll.
Scholl: Nein. Manchmal bleibt man zwar nah am Temp Track, ich nehme mir aber auch meine künstlerischen Freiheiten. Bei diesem Film zum Beispiel ist es eine ganz andere Musik geworden als die, die unter dem Film lag.
Scholl: Die eher intimen, kammermusikalischen Sequenzen passen hier besser als eine bombastisch-orchestrale Vertonung. Außerdem ist es auch eine Frage des Budgets. In der Filmbranche sind die Komponisten für die komplette Musikproduktion verantwortlich. Sie beauftragen die Musiker und spielen den Soundtrack im Studio ein. Für ein großes Orchester braucht man auch ein großes Budget. Das war bei diesem Film nicht der Fall. Hier habe ich die Instrumente sogar alle selbst eingespielt.
Scholl: Ich habe mit Unterbrechungen über ein Jahr daran gearbeitet. Fast die Hälfte des 90-minütigen Films ist Musik. Das ist sehr viel für einen Dokumentarfilm. Man erstellt dann erst einmal ein grobes Gerüst, weil immer wieder umgeworfen und neu geschnitten wird. Dadurch hatte ich Zeit, mich richtig in das Thema des Films einzufühlen. Das gibt der Musik Tiefe.
Scholl: Mein Herz schlägt für beides. In der Neuen Musik bin ich ein eigenständiger Künstler. Da kann ich mich künstlerisch entfalten. Hier muss ich allerdings auch viel mehr Zeit investieren. In der Filmmusik hat die Musik eine andere Bedeutung. Sie hilft, die Wirkung des Films zu intensivieren. Ich hatte bis jetzt aber immer Aufträge, bei denen meine Musik nicht nur Funktion war, sondern einen eigenen Charakter haben durfte.
Scholl: Ich mache es nicht für den Applaus, sondern weil mir die Arbeit Spaß macht und abwechslungsreich ist. Ganz davon abgesehen, dürfen bei der Filmpremiere auch die Komponisten über den roten Teppich gehen.
Scholl: Ich mag Streicher, die liegen mir am nähesten, weil ich selbst Geige spiele seit ich sieben Jahre alt bin. Meine erste Komposition war auch ein Stück für zwei Geigen. Das habe ich in der Grundschule komponiert und mit meiner Musiklehrerin aufgeführt. Im Gymnasium habe ich dann mit Mitschülern in einem Streichquartett, dem "Schweinfurter Streichquartett", gespielt und dafür viele Stücke geschrieben.
Scholl: Ich hatte schon relativ früh den Wunsch, selbst etwas zu schreiben. Es fing damit an, dass ich die Musik, die ich auf meiner Geige spielte, Ton für Ton analysierte. Ich habe sozusagen versucht, die Welt der Töne und Klänge zu entdecken. Das hat mich total begeistert und nicht mehr losgelassen. Meine Lehrer haben mich dabei immer gefördert, aber nie getrieben. Diese Freiheit war mir wichtig.
Scholl: Ich bin eher der Konstrukteur als der Improvisateur. Ich höre in mich hinein, sammele Klangmaterial, überlege mir eine Dramaturgie und schreibe es dann auf – mal ganz kurz gesagt. Eher ein Schreibtischtyp. Das Komponieren ist im Grunde wie einen Roman schreiben.
Scholl: Es sind Farben, Bilder, zwischenmenschliche Situationen, Begegnungen, die im Kopf zu Klängen werden. Berlin ist so kreativ, deshalb lebe ich hier. Ich bin aber auch gerne zuhause in Gernach. Die Ruhe und Nähe zur Natur dort ist großartig, um zu schreiben. Hier habe ich vor zwei Jahren das Klavierstück "The Pursuit of Beauty" komponiert.
Scholl: Ja, das mache ich sehr gerne. Ich versuche sie aber so einzusetzen, dass man versteht, was passiert. Zum Beispiel ein Windgeräusch, das die Querflöte erzeugt.
Scholl: Vorbilder sind in der Ausbildung sehr wichtig. An Johann Sebastian Bach kommt man nicht vorbei. Er vereint musikalische Tiefe mit technischer Brillanz. Auch Mozart höre ich sehr gerne. In der Neuen Musik schätze ich die finnische Komponistin Kaija (Anneli) Saariaho und natürlich Helmut Lachenmann, er gilt als Nestor der Neuen Musik.
Scholl: Danny Elfman begeistert mich immer noch wie vor 20 Jahren. Er komponierte unter anderem die Titelmelodie für "Die Simpsons" und die Filmmusik für Batman.
Scholl: Ich schreibe ein Stück für Flöte und Geige kombiniert mit elektronischer Musik. Es wird etwas zum Eintauchen, mit vielen Geräuschen. Ich stehe aber noch ganz am Anfang.
Scholl: Ja, den gibt es. Aber er ist noch geheim, der Film wird erst im Frühjahr gedreht. Ich kann nur so viel verraten: Es wird ein Fernsehfilm.
Zu dem Film "Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint" gibt es eine Soundtrackveröffentlichung mit der Musik von Damian Scholl (unter dem englischen Filmtitel). Auch die ARD sendete in "Titel Thesen Temperamente" einen sechsminütigen Beitrag über den Film, mit viel Musik von Damian Scholl.