Die Kettenschifffahrt spielt in der viele Jahrhunderte langen Geschichte der Schifffahrt auf dem Main eine nicht unerhebliche Rolle. Begonnen hat sie im Jahre 1886, als sie erstmals von Mainz bis Aschaffenburg ihren Betrieb aufnahm. 1899 wurde die Kette bis Würzburg, 1901 bis Kitzingen und 1912 bis Bamberg verlegt.
Die Kette im Fluss wurde von dem eigens konstruierten Kettenboot aufgenommen. Sie lief über Deck über eine Zahnradwelle, deren Zähne sich Glied um Glied vorwärts „hangelten“, bis sie dann wieder über das Heck in den Main glitt. Die Walze, über die die Kette lief, wurde von einer Dampfmaschine getrieben. Beide verursachten einen großen Lärm. So konnte man schon in Haßfurt das Nahen des Bootes hören, wenn es noch unterhalb von Wülflingen fuhr und noch gar nicht sichtbar war.
Gab das Boot dann Signal – und das war Vorschrift wegen der engen Haßfurter Mainbrücke und den eventuell entgegenkommenden Flößen und Lastschiffen, – so war das mit dem lang gezogenen „Muhen“ einer Kuh vergleichbar. So kam es bald zu dem Namen „Meekuh“. Am Neckar dagegen nannte man die Schlepper „Neckaresel“.
Ein sich so stromaufwärts arbeitendes Schleppboot zog eine ganze Reihe von Lastkähnen im Gefolge nach sich. Der Schlepper hatte ein Ausmaß von 50 Meter Länge und 7,50 Meter Breite und legte nur fünf Kilometer in der Stunde zurück. Die „Mainkuh“ wurde je nach Dialektregion Mää-, Mee- oder – oberhalb von Augsfeld – Maakuh genannt.
Während auf den meisten Flüssen die Schlepper von Schrauben oder Schaufelrädern angetrieben wurden, war auf dem relativ flachen Main der Schleppbetrieb nur mit Kette möglich. Denn der Fluss war nicht kanalisiert, keine Staustufen hielten den Wasserstand auf einem konstanten Niveau. An vielen Stellen war die Fahrrinne des Mains nur etwas mehr als einen Meter tief. Die Meekuh mit ihren Tiefgang von nur gut einem halben Meter war da genau das Richtige.
Die Kettenschifffahrt galt in der damaligen Zeit als ein großer technischer Fortschritt. Sie hat auf der Strecke zwischen Mainz und später Frankfurt und Bamberg Jahrzehnte lang mit ihren Schiffen einen erheblichen Schleppverkehr bedient und wesentlich zur Erschließung unseres Landstriches beigetragen. Zuvor hatten noch kräftige Männer oder schnaubende Pferde am Ufer die Lastkähne stromaufwärts gezogen.
Das Endziel, die Domstadt Bamberg, erreichte die sogenannte „Bellingrad'sche Kette, im Jahre 1912. Sie war in England aus rund fünf Millionen Gliedern aus 26 Millimetern starkem Rundstahl gefertigt worden. An ihr krochen – mit bis zu 14 Schiffe im Schlepptau klappernd die Kettenschleppboote den Main aufwärts. Auf bayerischem Gebiet wurden die „Meekühe“ von der Königlich-Bayrischen Staatseisenbahn betrieben.
Es stellte sich heraus, dass es vor allem einen regen Talverkehr mainabwärts in Richtung Frankfurt gab. Die meisten Schiffe sind leer oder mit geringer Ladung wieder zurückgefahren, was die Kettenschifffahrt unwirtschaftlich machte. Florierend war dagegen die nur flussabwärts übliche Flößerei, die insbesondere vor dem Ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreichte.
Die Existenz der Kettenschifffahrt wurde ernsthaft in Frage gestellt, als mit dem Ausbau der Rhein-Main-Donau-Großschifffahrtsstraße begonnen wurde. Jetzt konnten auch Schiffe mit Schraubenantrieb den ausgebaggerten Main passieren. Außerdem boten die Staustufen nicht mehr die Möglichkeit, die Kette durchgehend auszulegen. So kam dann das wehmütige Ende der „Meekuh“, deren lang gezogenes Tuten zu ihrer Zeit ein Zeichen dafür war, dass sich auf dem Main etwas rührte.
Bereits 1921 stellte man aus diesen Gründen die Kettenschifffahrt auf der Mainstrecke Frankfurt-Aschaffenburg ein. Ab dem Jahr 1922 bestand dann lediglich noch eine Kettenschifffahrt von Aschaffenburg bis Bamberg.
1936 begann dann endgültig das Totenglöckchen für die Kettenschifffahrt zu läuten. Mittlerweile war der Main bis herauf nach Würzburg kanalisiert worden. Der Schiffspark wurde von acht auf vier Schleppkähne reduziert. Nur oberhalb Würzburgs hatte die Meekuh noch für eine kurze Zeit eine Existenzmöglichkeit. Die weitere technische Entwicklung des Schleppbetriebes, der Bau von Staustufen und die Kanalisierung des Maines, führten dazu, die Kettenschleppschifffahrt auf dem Main am 1. Juli 1937 einzustellen.
Die Entfernung der Schleppkette erfolgte Mitte des darauffolgenden Jahres. Die von Aschaffenburg bis Bamberg noch im Main liegende Kette musste vor dem völligen Versanden bewahrt werden. Die Entfernung dieses 314 Kilometer langen „eisernen Bandwurms“, der ein Gesamtgewicht von 3200 Tonnen aufwies, wurde bei günstigem Wasserstand vorgenommen.
Die Mainkuh erhielt für ihre letzte Fahrt eine besondere Apparatur aufgebaut. Wie immer zog sich der Schlepper an der Kette bergwärts hoch. Nur glitt sie nicht mehr zurück ins Wasser, sondern in ein Begleitschiff. In mehrwöchiger Arbeit wurde die Kette so aus dem Flussbett genommen. Damit verschwand Meter um Meter einer alten Verkehrstechnik auf dem Main.
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind aus den meisten ausgedienten Schleppschiffen und der in England gefertigten Kette Kriegsgerät produziert worden. Schließlich ist bekannt, dass kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 die Rüstungsindustrie auf Hochtouren lief und der Bedarf an Stahl immens war.
Der Ausbau des Mains zu einer Großschifffahrtsstraße begann in unserer Region zu Beginn der 1960er Jahre. Mit Baggern, Schwimmkränen und Transportschiffen wurden große Erdmassen abgetragen und auf der Nordseite – dem Leinritt entlang – aufgeschüttet. Das Maintal bei Haßfurt hat damals sein Gesicht verändert. Die heute fahrenden Main-Schiffe werden – anders als die Meekuh von einst - akustisch kaum wahrgenommen. Ein Umstand hat sich doch bis zum heutigen Tag bewahrt: Noch immer sind majestätisch dahingleitende Schiffe auf dem Main eine Augenweide.