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GELDERSHEIM
Das Leben im Werntal als Gesamtkunstwerk
Hinter die Kulissen der Kunst geblickt: Brunhild Schwertner zeigt im Gegenlicht, wie man handgemalten fränkischen Impressionismus erkennt.
Foto: Uwe Eichler | Hinter die Kulissen der Kunst geblickt: Brunhild Schwertner zeigt im Gegenlicht, wie man handgemalten fränkischen Impressionismus erkennt.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:27 Uhr

Boateng ist schon verkauft, noch vor dem WM-Ende: Mona Rückel spielt nicht nur selbst Fußball (beim 1. FC Schweinfurt 05), sondern verfügt auch über sichtbares Talent mit dem Zeichenstift. Außer exotische Tiere und Menschen, wie die Comicfigur Doctor Strange, hat die 18-jährige angehende Kunststudentin auch den Nationalspieler verewigt. Beim „Tag des Offenen Ateliers im Oberen Werntal“ stellte die Gochsheimerin zusammen mit ihrer Mutter aus. Doris Rückel malt Aquarelle und formt Collagen, von Glücksschweinchen im Stroh etwa. Besonders angetan hat es Rückel eine russische Malweise, bei der mit Wasserfarbe auf angefeuchtetem Papier gearbeitet wird: eine Technik der gebürtigen Petersburgerin Galina Gomzina, die damit magisch verschwommene, gefühlvoll leuchtende, fast schon körperlich greifbare Bildwelten schafft.

Es ging um Farben und Gefühle, ein Wochenende lang an der Oberen Wern. So auch in der „Künstlermeile“ in den Geldersheimer Gaden: Herbert Götz zeigte digital umgestaltete Fotogemälde. Im Stil von Renoir oder Monet malt Brunhild Schwertner Schweinfurter Landschaften, von der Blauen Stunde in der Kirchenburg bis hin zu Streuobstwiesen: „Ich bin vermutlich derzeit die einzige Impressionistin der Gegend“, sagt die Schweinfurterin, die diese atmosphärische Kunstform wieder in Erinnerung rufen will.

Im Erdgeschoss ging es um dunkle Welten. Neuzugang Rose Black (Delila Berger aus Niederwerrn) zeigte Morbides, Makabres, Melancholisches, unter anderem ihr neues Gemälde zu Patrick Süskinds „Parfüm“. Aktuell malt sie ein Gorgonenhaupt. Die Künstlerin hat das Buch des Ex-Kriminalbeamten und -Wasserwacht-Chefs Hajo Lehr illustriert, voll abgründiger Erfahrungen: „Guten Tag, sind Sie die Witwe Meier?“ Rose Blacks Bilder sind auch im Fotodruck erhältlich.

Feurig war wieder Nicole Vay von der Sondheimer „Casa Salamandra“ zugange, die mit dem Bunsenbrenner Schmuck aus Muranoglas schuf. In den Nachbargaden waren feine Naturstudien der Haus-Galeristin Claudia Cebulla und ihrer Malgruppe zu sehen, ebenso die geklöppelten Spitzen-Werke von Lore Elflein-Gerstner, fränkische Landschaften von Axel Weisenberger, Kreuzstiche und Patchwork der gebürtigen Polin Danuta Spiegel: die auf diese Weise ganze Kirchenfenster auf Stoff bannt.

Ein Gesamtkunstwerk ist der Hof von Hannelore und Rudolf Göbel in Maibach: John Seymours Klassiker „Das große Buch vom Leben auf dem Lande“ lag im ehemaligen Kuhstall, neben Goldenen Kälbern, letztere sowohl im Original als auch zertrümmert, Hinweis auf Moses Zorn über die Verehrung des Mammon. Die einstige Lehrerin Göbel hat sich viel mit Bio-Landwirtschaft und Nachhaltigkeit („den ganzen Idealen der 68er“) beschäftigt, wie der britische Ökopionier Seymour. „Leben auf dem Land“ nennt sich ihre Ausstellungsreihe voll farbenfroher Erinnerungen, die bei Nummer 11 angekommen ist. Plastiktüten werden auf dem einstigen Bauernhof nicht weggeworfen, sondern in Collagen „recycelt“.

Ein paar Schritte weiter, im Sportheim, zeigte die Deutsch-Philippinin Vicky Weisenberger zartbunte Ölgemälde: Ballerinas, Flamenco, ein Mädchen am Strand, ein Marienkäfer auf einer Blüte. Andreas Klausberger ist gerade von Kuba zurückgekehrt und hat Foto-Impressionen ebenso mitgebracht wie Castros Oma. Genauer gesagt eine deutsche Ausgabe der Parteizeitung „Granma“, benannt nach der Yacht, mit der Fidel Castro 1956 die Revolution nach Kuba tragen wollte. Die größte Galerie war das Werntal selbst, mit Werken in Bild und Ton, Gärten und Werkstätten: von Walz, Kohlhepp, Wehner, Bieber, Lorenz, Kuhn, Endres, Baum, Schulz, Gössmann-Schmitt und Tinkl.

Was bleibt, ist die Idee einer dauerhaften Ausstellung: Brunhild Schwertner und Herbert Götz könnten sich eine feste, erweiterte „Kunstmeile“ in den malerischen Gaden vorstellen.

Der Kuhstall ist nun Galerie: Hannelore und Rudolf Göbel im ehemaligen Maibacher Bauernhof.
Foto: Uwe Eichler | Der Kuhstall ist nun Galerie: Hannelore und Rudolf Göbel im ehemaligen Maibacher Bauernhof.
 
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