Herzblut. Ganz viel Herzblut. Das ist die Triebfeder des frisch eröffneten Gerolzhöfer Theaterhauses, das am Donnerstagabend seine erste Vorstellung im eigenen Haus feiern konnte. Heimelig klein sind Bühne und Vorstellungsraum, 50 Zuhörer fasst letzterer, doch es ist eine gute, eine passende Größe, die am Premierenabend auch ganz und gar genutzt wird.
Der Raum ist auch nicht nur mit schnöden, immer gleichen Stühlen bestückt, sondern bildet hier schon ab, was das Kleine Stadttheater ausmacht: Vielfalt. Barock anmutende Stühle stehen neben einem Fünfziger-Jahre-Sofa, Korbgeflecht neben Plüsch, so wie auch hier „großes Theater“ mit „großen“ Namen neben „kleinen“, fränkischen Abenden gelebt wird. Wunderbar, dass so auch eine gewisse Hemmschwelle genommen wird, die es sicherlich bei manch potenziellen Besuchern gibt. Das Theaterhaus zieht durch seinen charmanten Nonkonformismus an und schenkt dazu noch das Vergnügen, unmittelbar bekannte Gesichter auf der Bühne zu sehen. Theater also in seiner Reinst- und ursprünglichen Form.
Flut von Missverständnissen
Am Premierenabend nun erzählte das altehrwürdige Haus seine Geschichte – eigentlich nur einen Teil seiner Geschichte, dafür aber den wohl prägendsten und noch in tiefer Erinnerung sitzenden, den als das „Café Schoué“. „Wir haben nur Kännchen“, erklärte die als Bedienung gewandete Jutta Keller dem Cafégast Bernd Beck in „Tasse oder Kännchen“ von Wolfgang Rompa und löst damit im Einstiegssketch eine Flut von vergnüglichen Missverständnissen zwischen den beiden aus, die das Publikum sofort für sich einnimmt. Durch die kleine Größe des Raumes sind Schauspieler und Zuhörerschaft sich nah, ist ein direktes Aufeinanderspüren greifbar.
Die Begrüßung durch Theater- und künstlerische Leiterin sowie Regisseurin Silvia Kirchhof folgt auf dem Fuße. „Heimat ist da, wo das Herz ist“, erinnerte sie in Bezug auf die neue Heimat des Kleinen Stadttheaters, aber auch die lange Heimat des Café Schoué (seit 1937) in diesem Gebäude, welches wiederum für viele Gerolzhöfer zur zweiten Heimat geworden war – was nun auch für das Theaterhaus gelten darf. Da ist das Herzblut, das das Herz am Laufen hält, nicht fern.
Kurzweilige Melange
Passend zum Thema „Caféhaus“ kredenzten die 19 Darsteller über knapp zwei Stunden hinweg eine fluffige, kurzweilige Melange aus Liedern, kleine Spielszenen, Gedichten, Monologen, Dialogen, von Literatur bis Komödie. Sehr vielfältig und bunt sprachen, spielten, sangen die Akteure diese „Stückchen“ (passend zum Café). Ein wunderbar frischer Einfall beispielsweise die „Morgenwonne“ von Joachim Ringelnatz hintereinander von Jutta Keller, Steffi Lembcke und Katarzyna Wrona rezitieren zu lassen: normal, irritiert und sehr verführerisch.
Ein fröhliches Vermischen von „Kunst“ und „Kommerz“ dann, als Gerdi Mengler die „Badewanne“ von Ringelnatz vorträgt und sich Bernd Beck als Sehnsüchtiger „Ach bitte, lass mich dein Badewasser schlürfen“ von den Comedian Harmonists singend hinzugesellt. Sehr durchdacht, all die Querverbindungen, die kleinen Einfälle und Ideen, die gerade diese besondere Freude machen.
Einspieler auf dem Bildschirm
Apropos Freude: Die hatte das Publikum auch bei einer weiteren charmanten Idee. Da wurde der kleine rote Samtvorhang an der Bühnenwand aufgezogen, ein großer Bildschirm kam zum Vorschein und dort gaben Brigitte Lindner und Robert Schoué, Tochter und Sohn des Café-Eröffners, in kleinen Videosequenzen, garniert mit alten Fotos, lebhaft Geschichten um und vom Cafébetrieb der Eltern wider. Da war auch das Publikum lebhaft und zu hören, Zustimmung erscholl, Erinnerungen erhoben sich, ein Hauch von Nostalgie wehte durch den Raum.
Sage und schreibe 24 „Stückchen“ kamen auf die Bühne – und jedes und jeder hätte es verdient, ausführlich gelobt zu werden. Robert Rüth als hinreißender „Werwolf“ von Christian Morgenstern, das so süß von Jutta Keller gesungene „Ich will keine Schokolade“, stimmgewaltig Silvia Kirchhof mit Hugo Wieners Lieb „Beim Frisör“, Klaus Vogt und Karin Böhm, die sich in der Posse „Schiller und Schaller“ gegenseitig witzig und lebendig aufs herrlichste den letzten Nerv rauben, die knapp 85-jährige Hildburg Aue, die ihre sogar selbstverfassten, vergnüglichen Gedichte vortrug und Stefan Mai mit Hanns Dieter Hüschs „Jesus im Café“ sind nur einige wenige Bespiele, von denen ein weiteres jedoch nicht unerwähnt bleiben soll.
Der Hit beim Publikum
Nach dem relativ bekannten „G-Sketch“ von Heinz Erhard, in dem sämtliche gesprochenen Worte mit dem Buchstaben „G“ anfingen („Gerade Gewürzgurke gegessen“) und mit dem Klaus Vogt, Jutta Keller und Bruno Steger ihr Publikum in Gelächter stürzten, folgte im zweiten Teil auch ein „M-Sketch“ mit Gerdi Mengler, Stefan Mai, Robert Rüth und Charly Weickert. Mengler, verlockend als Marilyn Monroe zurechtgemacht, und Stefan Mai als Marquis, der beim „Muckefuck mit Magermilch“ sein „Muschelmäuschen“ und „Mini-Monröchen“ umgarnte, waren der Hit beim Publikum. Natürlich reizte hier auch Mais „eigentlicher“ Beruf als Pfarrer das Lachen noch einmal besonders.
Nach weiteren Einspielern mit Brigitte Lindner und einem Foto ihres Vaters – verkleidet als die „Salvermoser Zenz“ – dann der Höhepunkt: Brigitte Lindner betritt höchst selbst die Bühne als Salvermoser Zenz und gibt in ihrer ihr eigenen trocken-pragmatischen Art und Weise, begleitet von Ingrid Unger am Akkordeon, das Lied der „Schönheitskönigin von Schneizlreuth“ zu Gehör. Da hielt es keinen Zuschauer mehr, munter wurde mitgesungen, mitgeklatscht, mitgemacht beim fulminanten Ende eines äußerst gelungenen und beklatschten Premierenabends.
Alle mit Leidenschaft dabei
Abschließend lässt sich einfach nur feststellen: Egal wer oder was, alle hier sind mit Leidenschaft dabei. Von ihrer Arbeit und neuen Heimat begeisterte Darsteller und Menschen „hinter der Bühne“, ob es sich nun um das Schauspielern an sich oder um die Pausenverpflegung handelt, alle stehen hinter ihrem Theater. Sicherlich gibt es auch noch das ein oder anderen Eckchen und Käntchen zu glätten, wie es bei jedem Neubeginn ist. Dennoch, diese Begeisterung darf sich gerne weiterpflanzen: in Form neuer Stücke, neuer Schauspieler, neuer Zuhörer. Das hat Gerolzhofen verdient.
Die Darsteller
Darsteller: Birgitt Stumpf, Hildburg Aue, Bernd Beck, Karin Böhm, Monika Freiberger, Doris Geisler, Jutta Keller, Silvia Kirchhof, Steffi Lembcke, Brigitte Lindner (geb. Schoué), Stefan Mai, Gerdi Mengler, Robert Rüth, Rita Spiegel, Bruno Steger, Ingrid Unger, Klaus Vogt, Charly Weickert, Hiltrud Weinig, Katarzyna Wrona.
Ton und Technik: Klaus Müller