Antoine Hounhouenou ist in Gerolzhofen aufgrund seines siebenjährigen Aufenthaltes in der Stadt das Gesicht der westafrikanischen Partnerstadt Se (Benin).
Er hat hier immer noch etliche Freunde und Bekannte. So nutzt er jede sich bietende Gelegenheit, wieder hierher zurückzukommen, auch wenn zwischen seinem Wohnort Cotonou und Gerolzhofen 10 000 Flugkilometer liegen.
Vierwöchiger Forschungsauftrag
Ein Forschungsauftrag der Universität Bayreuth, an der der fließend Deutsch sprechende Schwarzafrikaner 2008 seinen Doktor in Germanistik gemacht hat, führte ihn jetzt zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit zurück nach Gerolzhofen.
Der erste Anlass war allerdings der eher traurigen Art geschuldet. Es war die Beerdigung von Lothar Oemler Ende April. Er und seine bereits Ende 2010 gestorbene Frau Petra hatten als große Aktivposten der Partnerschaft mit Se Antoine wie ihr eigenes Kind seit September 2000 bei sich aufgenommen und ihm auch das Germanistikstudium in Bayreuth finanziell ermöglicht. Das schloss er 2008 mit dem Doktorgrad ab. Damit lief sein Visum in Deutschland ab.
Dozent für Germanistik in Benin
So kehrte der sympathische und freundliche Afrikaner, den sie in Gerolzhofen der Einfachheit halber nur Antoine nennen, an seine Heimatuniversität im Benin zurück. Dort lehrt er als Dozent für Germanistik an der größten Universität des Landes in Abomey-Calavi, einem Vorort von Cotonou, dem Regierungssitz.
Der Titel von Antoine Hounhouenous Doktorarbeit im Fach vergleichende Literaturwissenschaft hatte seinerzeit gelautet: „Das Bild Deutschlands und der Deutschen in der westafrikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts.“
Um Deutschland aus afrikanischer Sicht ging es aus einem ganz aktuellen Anlass, der Problematik der Migration, sprich Zuwanderung, auch bei seiner jüngsten Forschungsarbeit auf Einladung des Lehrstuhls Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth.
Der erste Teil der Auftragsarbeit, die als Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitung in Deutschland veröffentlicht wird, bestand darin, durch die Untersuchung zweier Romane von Afrikanern als Leser und Wissenschaftler herauszufiltern, warum es so viele Afrikaner nach Europa und besonders nach Deutschland zieht und mit welchen Problemen sie in dem fremden Land konfrontiert sind. Bei den Romanen handelt es sich um „Das afrikanische Auge“ von Luc Degla und „Der Bauch des Ozeans“ von Fatou Diome.
In einem zweiten Schritt sollte Hounhouenou, ausgehend vom Gelesenen, Vorschläge machen, um Autoren dazu zu bewegen, Europa und Deutschland nicht als Paradies darzustellen und so zu entmythisieren.
Finanziert wurde der vierwöchige Aufenthalt von Antoine Hounhouenou, wie auch schon die Teilnahme an Konferenzen, Kolloquien und Fortbildungen in Deutschland zuvor, vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, einer Einrichtung des deutschen Hochschulverbandes zur Pflege internationaler Beziehungen.
Vor seinem Rückflug nach Benin zu seiner großen Familie und seiner Lebensgefährtin machte der 43-Jährige bei Karin Sauer Station. Sie ist seit 2011die Vorsitzende des Partnervereins Gerolzhofen-Se. Dieser war 1987 auf Initiative von Gerolzhofens französischer Partnerstadt Mamers zugunsten der Menschen im Großraum Se in der ehemaligen französischen Kolonie gegründet worden.
Benin war am 1. August 1960 als Republik Dahomey in die Unabhängigkeit entlassen worden. Der Tag ist auch heuer wieder ganz groß in dem Land gefeiert worden, das als eines der ersten den Weg Richtung Demokratie einschlug.
Das Waisenkinderprojekt
Antoine Hounhouenou zeichnete Karin Sauer insbesondere ein Bild aus erster Hand von dem vom Partnerverein seit Jahren finanziell aus Spendengeldern unterstützten Projekt, um Voll- und Halbwaisenkindern aus Se und der weiteren Umgebung eine Ausbildung in der Schule unter katholischer Trägerschaft zu ermöglichen.
Lange Zeit hatte Antoine Hounhouenous Vater Ignace als Mittelsmann fungiert. Seine fortschreitende Augenkrankheit lässt dies aber inzwischen nicht mehr zu. So schlüpft der Sohn mehr und mehr in die Fußstapfen des Vaters, indem er den Partnerverein als Mittelsmann und Dolmetscher dort unterstützt und hilft, wo es ihm möglich ist.
Eigentlicher Gewährsmann für die ordnungsgemäße Verteilung und Verwendung der Spendengelder für die Waisenkinder in Se ist vor Ort allerdings der mit einer Beninerin verheiratete aus Weilheim im Allgäu stammende Arzt Dr. Hans Lederle.
Schulgeld und eine Mahlzeit
In der Nähe seines Wohnortes in Benin befindet sich das zweite vom Partnerverein geförderte Waisenkinderprojekt in der ebenfalls von einem katholischen Geistlichen geleiteten Schule in Zakpota, rund 150 Kilometer nördlich von Cotonou. Als Kontrolle, dass alles seine Richtigkeit mit den Patenschaften hat, dienen die Schulzeugnisse.
Momentan sind es insgesamt rund 30 Waisen, die in den Genuss der „gut angelegten Förderung“ (Karin Sauer) kommen. Damit werden eine warme Mahlzeit und, mit Ausnahme der kostenfreien Grundschule, das Schulgeld beglichen.
Das Schulsystem in Benin ähnelt stark dem unseren. Die Grundschule geht über sechs Klassen. Danach besteht die Möglichkeit die Klassen 7 mit 10 mit dem Abschluss Mittlere Reife und anschließend noch die Jahrgangsstufen 11 mit 13 bis zum Abitur zu besuchen. Ein Mahlzeit ist deshalb so wichtig, weil die Kinder mangels Schulbus und Fahrrad oft stundenlang in der sengenden Hitze zu Fuß zur Schule gehen.
Unternehmer als neuer Staatschef
Die Republik Benin hat seit April 2016 übrigens einen neuen Staatspräsidenten. Es ist der Politiker und Geschäftsmann Patrice Talon. Der 59-Jährige hatte die Wahl gegen den Kandidaten der Regierungspartei gewonnen.
Der Baumwollunternehmer und Hafenbetreiber gilt als „reichster Mann des Landes“. Der vorherige Präsident Yayi Boni durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.