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Schweinfurt
Das Geheimnis der Kunst- und Wunderkammer Schweinfurts
Die Ausstellung 'aroma' wurde in der Schweinfurter Kunsthalle eröffnet.
Foto: Josef Lamber | Die Ausstellung "aroma" wurde in der Schweinfurter Kunsthalle eröffnet.
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 04.08.2022 02:42 Uhr

Warum heißt diese Ausstellung aroma ? Nichts klärt uns auf, wir stehen mit unserem Geschmack im Mund in der Kunsthalle, draußen im Hof warten die Häppchen. Aber herinnen präsentiert sich eine Kunst, die etwas macht mit unseren Zungen, die Bitterstoffe provoziert, die das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt, die Lust hineinschickt in die Nerven und Drüsen unseres Schmeck- und Sprechorgans.

Vier Künstler stellen aus: Joachim Kersten (der zur Eröffnung nicht dabei sein konnte), Roger Libesch, Wolf Sakowski und Ralf Siegemund. Gemeinsam sind ihnen die Ausbildung an der Akademie der Künste in Nürnberg, der Wohnort in der Metropolregion und das Bekenntnis zur Farbe, zur Malerei. Gerhard Falkner, der bekannte Künstler der Sprache, verliest ein Manifest: Farbe muss sein! Er verweist auf die Differenz, diese sei das Verbindende, sie zeige, dass wir alle "einzigartig anders" sind. Aber "der Mittelpunkt unseres künstlerischen Denkens und Handelns ist das Bild. Das gemalte Bild."

Und so gehen wir hinein in das Schauen, das Staunen und Schaudern, das Genießen, das den Tag verwandelt. Farbexplosionen in der grünen Kammer, in der das Rot wie Wein und Blut unsere Sinne beunruhigt. Ein Kreuz an der Wand, dessen Querbalken hauptsächlich aus einem Rabenschnabel besteht. Unter dem Auge des Raben hängt ein weißes Quadrat wie eine Träne. Einer Schwimmerin lugt ein Fisch im Wasser wie eine Brust hervor, wie geträumt fällt ein Kind aus dem Kirschblütenbaum, auch ein Mann fällt.

Den Großen Saal in eine "Kunst- und Wunderkammer" verwandelt

Es liegt über vielen der Kunstwerke eine beklemmende Bedrängnis, die nicht zuletzt aufgegriffen wird vom jazzigen Kevin Pfister Trio, das die Eröffnung musikalisch begleitet, auch die Töne perlen auf der Zunge. Die stellvertretende Bürgermeisterin Sorya Lippert hat die rasenden Veränderungen unserer gegenwärtigen Welt im Blick und sie verweist auf die Kommunikation, die selbst ein Schöpfungsprozess ist, "lasst uns reden!" Angesichts dieser Werke, die extra für diese Ausstellung entstanden sind und den Großen Saal in eine "Kunst- und Wunderkammer" verwandelt haben, ist das nicht leicht, denn auch der Schrecken ist darin enthalten.

Über allem, in neun Metern Höhe, hängt in einer Endlosschleife ein Band mit 1001 Zeichnungen, die (zum Glück) auch in Sichthöhe per Screen zu sehen sind. Bilderfluten, wo sind die Brücken, an denen das Herangeschwemmte hängen bleibt?

Ralf Siegemund, Wolf Sakowski, Sorya Lippert und Roger Libesch.
Foto: Josef Lamber | Ralf Siegemund, Wolf Sakowski, Sorya Lippert und Roger Libesch.

Mitten in der Kunsthalle liegt das "Seestück", ein 60 Quadratmeter großer Ozean, in dem berühmte Männer und Frauen aus Philosophie, Politik, Wissenschaft und Musik unterzugehen scheinen, an der Wand hängt das 24 Quadratmeter große "Landstück" das vom Artensterben erzählt, es sind zwei zeichensetzende Marken, die diese Ausstellung als Gesamtkunstwerk begehbar machen, bedenkbar, nahbar. Wir schmecken es sozusagen auf der Zunge.

Fotoserie

Kuratorin Julia Weimar verweist auf ein zusätzliches Geschenk. Der Ausstellungskatalog ist nämlich ein weiteres Kunstwerk, "ein Glücksfall", den die Fotokünstlerin Barbara Sophie Nägle geschaffen hat, ein Begleitband, der den gesamten Werkprozess bis zur fertigen Ausstellung dokumentiert.

Vielleicht verweist der Titel der Ausstellung ja auch auf "A Roma", auf den Weg nach Rom, dem geistigen caput mundi, dem ehemaligen Haupt der Welt, auf die vielen Wege dahin. Immer der Nase nach, denn im Kopf müssen die notwendigen Veränderungen stattfinden. Die Kunsthalle Schweinfurt ist bis zum 23. Oktober ein guter Startpunkt dafür.

 
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