
Immer weniger Priester, immer weniger Gläubige: Die katholische Kirche in Deutschland kann mittelfristig ihre bisherige Organisationsstruktur nicht mehr aufrechterhalten. Im Bischöflichen Ordinariat in Würzburg hat man schon reagiert. Das Bistum soll in Zukunft nur noch aus rund 40 Großpfarreien bestehen. So sah es zumindest das Konzept „Pastoral 2030“ vor, das Generalvikar Thomas Keßler im März 2016 vorstellte. Doch eine Projektgruppe aus dem Landkreis Schweinfurt hat eine alternative Lösung ausgearbeitet, die in den Dekanaten Schweinfurt-Nord und Schweinfurt-Süd nun erprobt wird.
Die Zahl der Priesterkandidaten geht weiter dramatisch nach unten und gleichzeitig schrumpft auch die Zahl der Gemeindemitglieder. Keßler rechnet bis zum Jahr 2030 mit nur 620 000 Katholiken im Bistum. Zum Vergleich: Heute sind es noch etwa 770 000. Die Kirche muss also dringend reagieren. Ein schlichtes „Weiter so!“ kann es nicht mehr geben.
Bisher gibt es in der Diözese Würzburg etwa 620 Pfarreien und Kuratien, die wegen des Priestermangels vor Jahren bereits – oft genug gegen den heftigen Widerstand der Gläubigen vor Ort – zu rund 160 Pfarreiengemeinschaften zusammengeschlossen wurden. Aus den 160 Pfarreiengemeinschaften sollen nun etwa 40 Großpfarreien werden. Fünf solcher großen Gebilde sind bereits installiert, sieben weitere wurden von der Bistumsleitung genehmigt.
Eine Großpfarrei für SW-Süd
In einer Pfarrei des neuen Typs gibt es einen leitenden Pfarrer, der einem Seelsorgerteam von etwa zehn Hauptamtlichen (Priester, Diakone, Pastoralassistenten und -referenten) vorsteht. Es gibt nur einen Pfarrgemeinderat. Das Zentralbüro der Großpfarrei wird von einem „Geschäftsführer“ geleitet, der sich um die Verwaltung und beispielsweise auch um den Gebäudeunterhalt kümmert. Priester sollen sich um die Seelsorge kümmern.
Die ursprüngliche Idee aus Würzburg für die Region zwischen Steigerwald und Main erschreckte viele: Aus dem heutigen Dekanat Schweinfurt-Süd zum Beispiel sollte nur noch eine einzige Großpfarrei werden. „Veränderungen lösen keine Halleluja-Stürme aus“, sagte Generalvikar Keßler damals bei der Vorstellung des neuen Konzepts. Aber er ergänzte auch: „Es gibt keine Denkverbote.“
Dies konnte man durchaus als Aufforderung verstehen, andere, vielleicht sogar bessere Ideen einzubringen. Im Landkreis Schweinfurt bildete sich eine Projektgruppe, die einen neuen Denkansatz erarbeitete. Federführend mit dabei: der Leiter der Pfarreiengemeinschaft „St. Fran-ziskus am Steigerwald“ und stellvertretende Dekan im Dekanat Schweinfurt-Süd, Pfarrer Stefan Mai aus Gerolzhofen.
„Wir wollen lieber ein föderatives Modell anstatt dem zentralistisch geführten Modell der Großpfarreien“, erklärt Pfarrer Mai. Die Idee: Die bisherigen Pfarreiengemeinschaften sollen nicht aufgelöst werden, aber künftig deutlich enger zusammenarbeiten, indem man mehrere zu „pastoralen Räumen“ zusammenschließt. Innerhalb dieser Räume könne man durchaus beachtliche Synergieeffekte erzielen, ohne zugleich die soziale Nähe zu verlieren.
Das Ganze hätte im Gegensatz zur Großpfarrei nämlich einen großen zwischenmenschlichen Vorteil, so Stefan Mai: „Die bekannten Gesichter bleiben vor Ort als gewohnte Ansprechpartner.“
Mainbogengemeinden mit dazu
In der Planungsphase dachte man innerhalb des Dekanats Schweinfurt-Süd zunächst nur über zwei pastorale Räume mit den Schwerpunkten Werneck und Gerolzhofen nach. Man spürte dann aber, dass der Raum Werneck zu groß und nicht homogen genug erschien. Letztlich hat man sich für drei Räume entschieden. Die Region um Bergrheinfeld, Grafenrheinfeld und Röthlein wurde zum dritten pastoralen Raum – dekanatsübergreifend ergänzt um die Mainbogengemeinden Gochsheim, Grettstadt, Röthlein, Schwebheim und Sennfeld. Neu ist, dass die Mainbogengemeinden, die – obwohl sie südlich des Mains liegen – dem Dekanat Nord zugeordnet sind, nun zu einem pastoralen Raum im Dekanat Schweinfurt-Süd gehören.
Dieses „föderative Modell“, wie es Stefan Mai nennt, als Alternative zu den geplanten Großpfarreien stieß in Würzburg zunächst auf wenig Gegenliebe. Unterschiedliche Organisationsmodelle innerhalb einer Diözese? Das wollte man nicht haben. Ein „Entweder oder“, eine Wahlmöglichkeit sollte es nicht geben, erzählt Pfarrer Mai.
Doch dann kam es doch noch zum Meinungsumschwung, nicht zuletzt, nachdem Stefan Mai das neue Modell den beiden Bischöfen Friedhelm Hofmann und Ulrich Boom vor rund einem Jahr bei der Visitation des Dekanats Schweinfurt-Süd in Heidenfeld vorgestellt hatte. Damals hatte Bischof Friedhelm sich interessiert gezeigt und eine zeitlich befristete Erprobungsphase von drei Jahren in Aussicht gestellt. „Das Konzept der pastoralen Räume wurde jetzt tatsächlich als Experiment zur Erprobung freigegeben“, freut sich Pfarrer Mai. Und das Ganze sogar ohne zeitliche Befristung.
Auch im Dekanat Schweinfurt-Nord hat man inzwischen zwei pastorale Räume gebildet, berichtet Pfarrer Stefan Kömm (Niederwerrn), der stellvertretende Dekan von Nord. Es gibt hier den Raum „Schweinfurt Nordwest“ (unter anderem mit Geldersheim, Poppenhausen und Dittelbrunn) und den Raum „Schweinfurt Oberland“ (von Schonungen über die Schweinfurter Rhön bis hoch nach Stadtlauringen).
Auch in den Haßbergen
Und das Modell der pastoralen Räume wurde inzwischen auch im Nachbarlandkreis Haßberge umgesetzt. Dort waren vor Jahren bereits die beiden Dekanate Haßfurt und Ebern zum neuen Dekanat Haßberge verschmolzen worden. Die heute zwölf Pfarreiengemeinschaften werden dort nun in drei pastorale Räume aufgeteilt: Das Gebiet Ost bilden die bisherigen Pfarreiengemeinschaften Ebern, Pfarrweisach, Kirchlauter (mit Ebelsbach) und Baunach. Zum Raum Süd gehören die Pfarreiengemeinschaften Rauhenebrach, Eltmann (mit Oberaurach), Knetzgau und Zeil/Sand. Und Nord-West besteht aus den Pfarreiengemeinschaften in Haßfurt, Theres, Hofheim und Aidhausen/Riedbach.