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GEROLZHOFEN
Das Ende des Religionsfriedens
Daran, dass Julius Echter seine Untertanen, die in der Reformation vom katholischen zum protestantischen Glauben überzulaufen drohten, wieder „zur alten Religion“ zurückbrachte, erinnert diese Inschrifttafel aus dem Jahr 1600 an der alten Amtsvogtei in Gerolzhofen.
Foto: Norbert Vollmann | Daran, dass Julius Echter seine Untertanen, die in der Reformation vom katholischen zum protestantischen Glauben überzulaufen drohten, wieder „zur alten Religion“ zurückbrachte, erinnert diese ...
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 28.05.2017 04:04 Uhr

Die Aufführung des Wandeltheaters „Du musst dran glauben“ anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ und 400. Todestag des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter (1573-1617) wird vom Historischen Verein durch die Herausgabe eines gleichnamigen Buches begleitet. Autor Rainer Leng bringt darin auf 134 Seiten das Ergebnis seiner Nachforschungen über Reformation und Rekatholisierung in Gerolzhofen zu Papier.

Der Würzburger Geschichtsprofessor zeigt anhand ausgewählter Beispiele, wie sich die Lehre Luthers in der Stadt ausbreitete und wie sehr Gerolzhofen bald protestantisch geprägt war. Das konnte man etwa an der hohen Zahl als lutherisch geltender Ratsherrn, Bürgermeister oder Lehrer erkennen oder dass 1579 der Gerolzhöfer Pfarrer die Kommunikanten noch mit 550 bezifferte, die „Ungehorsamen“ aber mit etwa 2000.

Echters persönliches Eingreifen setzte dieser Entwicklung und dem lange gepflegten friedlichen Miteinander ein Ende. Wer sich nicht dem Fürstbischof beugte, musste mit Sanktionen, Verfolgung, Vertreibung oder mit dem Tod rechnen.

Ein bezeichnendes Licht wirft das Kapitel „Der Skandal der stillen Beerdigungen“ auf die Folgen. Wie bei den Gottesdiensten hatten sich vor Ort liturgische Mischformen gebildet, die über viele Jahre hinweg beiden Konfessionen angemessene Bestattungen ermöglichten.

Damit war es vorbei, wie einem Bittschreiben vom Dezember 1584 an Echter zu entnehmen ist. Es sei lange Zeit üblich gewesen sei, Verstorbene ohne Unterschied der Konfession mit Gesängen und Leichenpredigten zu bestatten. Damals habe man „jeder zeit unter beider religionßgenossen ein feine cristliche einigkeit und religionfrid erhalten“.

Diese Praxis sei aber vor rund viereinhalb Jahren abgestellt worden, etwa Mitte 1579. Pfarrer Kaspar Dietrich – er kam bei einem Fuhrwerksunfall 1583 ums Leben – schien weiter um Lösungen bemüht. Nun übernahmen die „armen Schüler“, die mit Geldern einer bürgerlichen Stiftung und Almosen betuchter Bürger finanziell unterstützt wurden, bei Beerdigungen der Protestanten den kirchlicherseits verweigerten Gesang.

Nachdem auch dies, dem Schreiben nach um Mitte 1584, durch den Pfarrer Daniel Stauber verboten wurde, hätten die Bürger notgedrungen selbst gesungen. Den Protestanten war die Möglichkeit genommen, in einem offiziell katholischen Rahmen noch eine feierliche Beerdigung abzuhalten. Andererseits bestand keine Chance, auf auswärtige protestantische Friedhöfe auszuweichen oder lutherische Prädikanten zur Beerdigung zu bitten. So blieben Beerdigungen immer öfter still.

Keine Glocke läutete, keine Prozession vom Haus des Verstorbenen zur Kirche, keine Lieder, keine Leichenpredigt zur nochmaligen Vergegenwärtigung der Lebensleistung. Eine für Protestanten zunehmend unerträgliche Situation, die laut Leng Wut und Bitterkeit hinterließ.

Mehrfach betonten Protestanten, dass man sie gegen jedes christliche Mitleid wie ein Stück Vieh verscharre. Echter hielt damit zu Beginn seiner Regierung gemachte mündliche Zusagen nicht ein. Er missachtete außerdem geltende Landtagsbeschlüsse.

Leng schätzt, dass irgendwann jeder in der Stadt damit konfrontiert worden sein muss, dass ein Angehöriger oder Nachbar auf derart unangemessen stille Weise begraben wurde.

Verschärft wurde die Situation Ende 1584, als Seuchen die Stadt heimsuchten und in kurzer Zeit 177 Menschen hinwegrafften. Pfarrer Stauber setzte offenbar weiter rigoros stille Begräbnisse für Protestanten durch, die auch ohne geistliche Begleitung im Sterben auskommen mussten.

Bei Verstößen drohten längst nicht nur, wie früher, Ermahnungen. Nun drohten Verhaftungen und Strafen, zum Beispiel acht Tage Arrest bei Wasser und Brot.

In Würzburg war man trotz aller Bittbriefe nicht gewillt, Gnade walten zu lassen. Im Gegenteil, man ging noch schärfer gegen „redlesführer“ vor. Das Ende für die „Augsburgischen Konfessionisten“ kam 1586 mit der Ausweisung aus der Stadt.

Weitere Kapitel betreffen die Anfänge der Reformation in Gerolzhofen, verheiratete Priester und Kapläne, die protestantische Stadt, das Auslaufen zu protestantischen Gottesdiensten und Predigern, Echters erste Reaktionen und seinen persönlichen Auftritt in der Stadt, Konflikte nach der Rekatholisierung und ein Fazit der Rekatholisierung.

„Du musst dran glauben – Reformation und Rekatholisierung in Gerolzhofen“ von Rainer Leng ist als Band 17 der Schriftenreihe „de geroldeshova“ des Historischen Vereins erschienen. Das Buch kostet 7 Euro und ist in der Tourist-Info im Alten Rathaus sowie bei den Wandeltheater-Aufführungen erhältlich. Mitglieder des Historischen Vereins erhalten es als Jahresgabe umsonst.

 
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